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MARKTHEIDENFELD: 250 Jahre Arzneimittelgeschichte

MARKTHEIDENFELD

250 Jahre Arzneimittelgeschichte

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    Neueröffnung in Marktheidenfeld: Dr. Eric Martin in dem von ihm gestalteten Museum Obertorapotheke.
    Neueröffnung in Marktheidenfeld: Dr. Eric Martin in dem von ihm gestalteten Museum Obertorapotheke. Foto: Fotos: Martin Harth

    Mit einem Festakt in der Stadtbibliothek wurde am Freitagabend das neue Museum Obertor-Apotheke in Marktheidenfeld eröffnet. Die Apotheke, so meinte Dr. Eric Martin als Gründer des Privatmuseums, stehe für den hohen Anspruch der Pharmazie als angewandte Wissenschaft bei seinen Begrüßungs- und Dankesworten an die Förderer und Unterstützer seines Projekts.

    Marktheidenfelds Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder freute sich über ein weiteres, belebendes Kulturjuwel in der Altstadt, das mit dem großen Sachverstand und der spürbaren Leidenschaft von Eric Martin über einen Zeitraum von 250 Jahren berichten könne. Dabei erzähle ein Haus seine Geschichte und Geschichten. Dem Museumsgründer Eric Martin, der ein Stück seines Ideals verwirklicht habe, überreichte die Rathauschefin zur Eröffnung eine seltene Pflanze für dessen Apothekergarten.

    Barbara Zeitner (Miltenberg) sprach als Pharmazierätin bei der Regierung von Unterfranken von gewachsenen Ansprüchen in der Gesundheitsversorgung, die mit sinkenden Apothekenzahlen gerade auch auf dem Land einhergingen. Dabei treffe man doch gerade in der Apotheke vor Ort auf Menschen, die als qualifizierte Berater und persönliche Begleiter dem Kunden zur Verfügung stünden.

    „Die Apotheke im Wandel der Zeit“, so lautete der Titel eines kenntnisreichen wie kurzweiligen Festvortrags von Professor Dr. Christoph Friedrich, Direktor des Instituts für Geschichte der Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg. Der Pharmazie-Historiker spannte einen weiten Bogen von der Entstehung erster Apotheken im arabischen Raum im 11. und 12 Jahrhundert, deren Weiterverbreitung über den Süden Europas bis hin nach Deutschland im 14. Jahrhundert.

    Immer sei der Apotheker dabei an der Seite der behandelnden Mediziner gestanden. Die Anfänge, so Friedrich hätten in speziellen Heilmittel-Sortimenten in Krämerläden gelegen, bis sich im 14./15. Jahrhundert der Apotheker als eigener Heilberuf etablierte. Apotheker seien angesehen gewesen, hätten eine vier- bis sechsjährige Ausbildung oft mit sich anschließender Wanderschaft absolviert.

    Rechtliche Festlegungen, wie die bestimmter Gewichtssätze, dienten der Arzneimittelsicherheit von zunächst pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Heilmitteln. Im 17. Jahrhundert kamen erste chemische Synthesen dazu, die im folgenden Jahrhundert das Labor zum wichtigsten Bestandteil einer Apotheke werden ließen. Apotheker wurden mehr und mehr zu Forschern und Begründern einer naturwissenschaftlichen Pharmazie. Sie gründeten zunächst Privatinstitute in jener Zeit, als auch die Marktheidenfelder Obertor-Apotheke entstand.

    Im 19. Jahrhundert etablierte sich die Pharmazie als eigenständiges Studienfach. Dieser Prozess habe aber erst 1935 mit einem verbindlichen sechs-semestrigen Fachstudium seinen Abschluss gefunden. Ab 1899 waren auch Frauen zum Studium zugelassen worden,

    Der Arzneischatz erfuhr über die Jahrhunderte viele Veränderungen, legte Professor Friedrich dar. Zunehmend gewannen jedoch die industriellen Hersteller synthetischer Arzneistoffe an Bedeutung. Die Darreichung in Tabletten- Kapsel- oder Ampullenform sorgten für einen Wandel in der Apotheke. Chemische Analytik und die Herstellung eigener Arzneien traten hinter den Vertrieb von Fertigarzneimitteln zurück. Die Beratungsleistung in der Gemeinschaft mit den behandelnden Ärzten gewann an Bedeutung.

    Heute verspüre der Apothekerstand mit Einkommensverlusten die Auswirkungen der Sparzwänge im Gesundheitswesen. Der Apotheker sei in erster Linie Kaufmann, der mit „Supermärkten“ und dem Internet konkurrieren müsse. Arzneimittelfälschungen bedrohten dabei unter anderem das Wohl der Patienten. Die Anzahl nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel steige überdies. Deshalb sei der Apotheker nicht nur für ältere Menschen ein sachkundiger und verlässlicher Berater vor Ort. Die Obertor-Apotheke und das neue Museum belege, so meinte der Marburger Pharmazie-Historiker abschließend, dass eine Apotheke überdies auch zu einem Kulturträger werden könne, in dem man sich auf die Tradition besinne.

    Genau dies taten die Gäste nach einem kleinen Umtrunk, zu dem die Stadt Marktheidenfeld eingeladen hatte. Sie ließen sich in den vier eröffneten Räumen der früheren Obertor-Apotheke die Ausstellung von Dr. Eric Martin persönlich erörtern, der in der Zukunft noch eine Erweiterung für seine Sammlung von heilpflanzlichen Objekten und Sonderausstellungen plant. Am Samstag war das Museum im Rahmen des „Main-Vital-Tags“ in der Innenstadt erstmals geöffnet und ließ die Besucher über die detailreiche Gestaltung und dem Umfang der gezeigten Exponate staunen.

    Geschichte der Obertor-Apotheke in Marktheidenfeld Im Jahr 1750 ist Johann Friedrich Fleischer im heutigen Anwesen Obertorstraße 10 als erster Apotheker nachweisbar. Die Obertor-Apotheke entstand auf vormaligem Besitz des Klosters Neustadt in Marktheidenfeld. Auf Fleischer folgten 18 weitere Apotheker, darunter für kurze Zeit der gelehrte Arzt Georg Anton Schäffer (1779-1836), dessen abenteuerlicher Lebensweg ihn schließlich bis nach Brasilien führen sollte. Im Jahr 1939 erwarb mit Peter Reinckens (1883-1948) der erste Vorfahre der Familie Martin die Obertor-Apotheke. Nach dessen Tod erfuhr die Apotheke einen Umbau, der im Wesentlichen die heutige Ausstattung hervorbrachte. Auf Reinckens folgte 1952 seine Tochter Renate Quinke (1902-1970) aus Rüthen als Eigentümerin. 1959 übernahm ihre Tochter Hedwig Martin die Apotheke, die nach dem Tod ihres Mannes Rolf 1982 in dessen Hubertus-Apotheke in der Luitpoldstraße wechselte. Die Obertor-Apotheke wurde bis ins Jahr 2006 von Kurt Döderlein geführt, die anschließend bis zur endgültigen Schließung im Jahr 2012 von Eric Martin als Filiale der Hubertus-Apotheke weiterbetreiben wurde. Über 250 Jahre Apothekengeschichte in der Obertorstraße drohten danach zu enden, deshalb entschloss sich Eric Martin, seine umfangreiche Sammlung zur Apotheke und zur Pharmaziegeschichte mit über 800 Objekten mit Unterstützung weiterer Sammler, des Freistaats Bayern und der Stadt Marktheidenfeld der Öffentlichkeit in einem Privatmuseum zugänglich zu machen. Öffnungszeiten des Museums Obertor-Apotheke: Mittwoch und Samstag 14 bis 18 Uhr, Eintritt: drei Euro (ermäßigt: zwei Euro). maha

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