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GEMÜNDEN: 50 Jahre alter Automat: Eine sehenswerte Fehlinvestition

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50 Jahre alter Automat: Eine sehenswerte Fehlinvestition

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    Wundert sich, dass das alte Trum jemanden interessiert: Julius Sitzmann hat den Automaten in der Obertorstraße einst aufgestellt – es aber bald bereut.
    Wundert sich, dass das alte Trum jemanden interessiert: Julius Sitzmann hat den Automaten in der Obertorstraße einst aufgestellt – es aber bald bereut. Foto: Fotos: Björn Kohlhepp

    Manch einem mag beim Gang durch die Obertorstraße schon der große alte Automat an der Seitenwand des Haushaltswarenladens in der Obertorstraße 21 aufgefallen sein. Einige kennen ihn vielleicht sogar noch aus der Zeit, als er in Gebrauch war. „Sitzmanns Selbstbedienung“ steht darauf. Vier mal zehn Fächer hat der in Teilen weiß lackierte Warenautomat, ein Vorläufer heutiger Snack-Automaten an Bahnhöfen. Seine besten Jahre hat das Trumm schon hinter sich. Seit Jahrzehnten ist es außer Betrieb. Die Frage ist, wie lange der Automat noch dort stehen wird, da Interessenten schon 1000 Euro dafür geboten haben.

    Julius Sitzmann, der ehemalige Inhaber des Ladens daneben, erinnert sich, wie es damals dazu kam, dass er den Automaten aufstellte: „Ich bin da überrannt worden von einem Vertreter“, erzählt Sitzmann, Jahrgang 1928. 1962 oder 1963 sei das gewesen, inzwischen also schon 50 Jahre her. „Der hat mir das derart schmackhaft gemacht, dass ich mehr oder weniger drauf reingefallen bin.“ Sitzmann muss lachen. Er bedauere es heute noch, dass er sich dazu habe überreden lassen. „Das war ein Fehleinkauf, das kann ich durchaus sagen.“ Zwei, drei Jahre hat Sitzmann versucht, mit dem Automaten ein Geschäft zu machen, „aber es war eben keins“. Das Ganze sei „kein Ruhmesblatt“ für ihn gewesen.

    Der Automat sei nicht wie gewünscht angenommen worden, auch weil der Standort in einer Seitengasse der Obertorstraße wohl nicht geeignet sei. „Wer guckt schon da hinten rein?“ Er habe wegen des Standorts gleich seine Bedenken gehabt, aber der Vertreter habe ihm diesen schöngeredet. Dort sei eben damals noch Platz gewesen.

    Der Automat sollte für Sitzmann, der sein Geschäft 1986 verkaufte, ein Zusatzgeschäft sein. Er könne jedoch heute nicht mehr sagen, „was die Kiste da“ gekostet hat. Aber er sei auf jeden Fall eine Fehlinvestition gewesen. „Schokolädlich, Bonbons, Riegel und Fruchtgummis“ habe man dort kaufen können. Dafür habe er einen Süßwarengroßhandel an der Hand gehabt, der ihn beliefert habe, sagt Sitzmann. In jedem Fach lag damals ein Stück. Wenn man das Geld passend einwarf, eine Geldrückgabefunktion hatte der Automat noch nicht, so Sitzmann, konnte man ein Türchen aufklappen und die Ware entnehmen.

    Stadtführerin Lotte Bayer kann sich noch an die Zeiten erinnern, als der Automat gefüllt war. Damals konnte man dort auch Damenstrümpfe kaufen. Wenn man ausgehen wollte, und die Strumpfhose Laufmaschen hatte, konnte man dort schnell ein paar neue Strümpfe erwerben, erzählt sie.

    Der heute 85-jährige Sitzmann erzählt, dass er damals sogar von einem Konkurrenten angezeigt worden sei, weil er im Automaten Lebensmittel verkaufe, obwohl er das gar nicht dürfe, da er keine Lebensmittelprüfung habe. Dabei sei alles abgepackt gewesen. Wer ihn damals angezeigt habe, könne er nicht sagen. Polizeimeister Adam Richter, ein Freund Sitzmanns, habe „dicht gehalten“ und den Anzeigenerstatter nicht verraten.

    „Da hab ich mich so geärgert, dass ich gedacht hab, jetzt bleibt der Automat stehen, und ich mache eine Lebensmittelprüfung“, erzählt Sitzmann. Gesagt, getan, bei der Industrie- und Handelskammer in Würzburg meldete er sich tatsächlich kurzerhand für die Lebensmittelprüfung an. Am 23. Januar 1964, die Bescheinigung hat er heute noch, legte er die Prüfung ab. „Das hat mich viel Zeit gekostet.“ Nachdem er Dinge wie Butter- und Zuckergehalt in Lebensmitteln gelernt hatte, durfte er auch Lebensmittel verkaufen.

    Das Haus, in dem sich sein Laden befand, ist sein Geburtshaus, sagt Sitzmann. Er wurde im ersten Stock geboren. 1952 eröffnete er sein Geschäft. Bis 1960, solange noch Platz im Laden war, war noch eine Poststelle im Geschäft in der Obertorstraße 21, die Stadtpost 1. Seine Mutter Anna war die Posthalterin. Ganz im Gegenteil zum Automaten sei die Post gut frequentiert gewesen, erzählt Sitzmann. Das Geschäft betreibt heute noch sein Nachfolger Eberhard Pfeiffer.

    Julius Sitzmann meint, dass der Automat mit seinen Rostansätzen längst „gar keinen ansehnlichen Anblick mehr“ biete, dass er „kein Renommee“ biete. Aber er glaubt, dass man ihn durchaus ins Museum stellen könnte, wenn man wollte.

    Oder Interessenten kaufen ihn vorher. Eberhard Pfeiffer, der Sitzmanns Laden und damit auch den Automaten 1986 erwarb, erzählt, dass schon vier Personen den Automaten kaufen wollten. Darunter seien ein Ingenieur von Rexroth und ein Kölner Urlauber gewesen. Der Kölner habe gesagt, er wolle das Trumm abstrahlen und sich ins Wohnzimmer stellen. 1000 Euro seien ihm dafür schon geboten worden, sagt Pfeiffer. „Unter 1000 Euro verkaufe ich ihn nicht“, fügt er dann an. Wenn der Automat abmontiert sei, brauche er schließlich eine neue Tür an der Stelle.

    20 Jahre lang habe in dem Automaten abends Licht geleuchtet, ohne dass er es gemerkt habe, erzählt Pfeiffer. Irgendwann sei er von jemandem angesprochen worden, ob er nicht mal das Licht ausmachen wolle, der Automat sei ja ohnehin nicht mehr in Betrieb. Dann zog Eberhard Pfeiffer den Stecker an Sitzmanns Selbstbedieungsautomaten.

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