Erinnerungen an die eigene Lebensgeschichte wurden am Sonntag bei vielen Adelsbergern wach. Bernd Wirthmann, Vorsitzender des Geschichtskreises, zeigte in der Adolphsbühlhalle eine Ausstellungen mit historischen Fotos. Unter den Besuchern waren viele ehemalige Einwohner, die zusammen mit den Einheimischen an den Stellwänden mit den Schwarz-Weiß-Fotos alte Zeiten aufleben ließen.
Der Hobbyheimatforscher hatte an die 200 alte Aufnahmen digitalisiert und aufbereitet, um sie großformatig dem Publikum zu präsentieren. Vor allem die älteren Besucher gingen ganz nahe an die Fotos, um auch die kleinsten Details zu analysieren, die sie oft seit ihrer Kindheit nicht mehr in dieser Form gesehen hatten. Unbefestigte Dorfstraßen aus den 1920er Jahren, mit Kühen bespannte Leiterwagen, stolze Familien vor dem neuen Backsteinhaus, Waschfrauen neben der Pferdetränke, Blasmusikanten, aber auch private Kommunion- und Hochzeitsbilder geben einen Einblick in das Leben vor beinahe 100 Jahren und dokumentieren die Entwicklung der Lebensumstände.
Kultroller und Nylonhemden
Da hängen die Porträts der 1918 gefallenen Brüder jüdischen Glaubens unweit der Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg, Schulklassen der verschiedenen Jahrgänge geben einen Einblick in die Mode und lassen die Disziplin erahnen, die sie aufwenden mussten, um dem Fotografen ins Objektiv zu schauen. Neben der „Zündapp Bella“, einem Kultroller der 1950er und 1960er Jahre, stehen auf dem mittlerweile sauber gepflasterten Hof Fahrer und Sozius in weißen Nylonhemden und bewiesen, dass das Wirtschaftswunder auch in den Dörfern angekommen war.
Auf einigen Tischen hatte Wirthmann Listen aufgelegt, die zu einzelnen Gruppenaufnahmen gehörten, deren Personen er noch nicht zuordnen konnte. Anhand der Kopien der Ausstellungsfotos, auf denen die abgebildeten Menschen nummeriert sind, hofft er, weitere Informationen über ihre Identität zu erhalten.
Ganz so leicht ist es allerdings nicht, nach so langer Zeit den Schulkameraden oder die Nachbarin zu erkennen, wie die lebhaften Diskussionen vor den Bildern beweisen: „Wo ist das?“ – „Das ist bei Kleins, das ist dem Emil seine Mutter.“ Immer wieder kommen Zweifel auf: „Das müsste die Schwester sein, 'es Dorle, oder vielleicht doch die Theres'?“, war sich Erika Michler nicht ganz sicher, als sie Elfriede Schäfer, Jahrgang 1926, ein Foto erklärte. Schäfer lebte als Kind bis 1934 bei ihren Großeltern in Adelsberg und wohnt jetzt in Veitshöchheim. Für sie ist es eine bewegende Reise in ihre Kindheit. Wie Adelsberg damals ausgesehen hat, kann man auf den verschiedenen Ansichtskarten erkennen, de-nen eine eigene Abteilung gewidmet ist. Kirche und Schloss sind nahezu auf jeder Karte zu finden, anfangs noch schwarz-weiß, ab den 60er Jahren farbig gedruckt. Einen weiteren Vergleich zum baulichen Wandel des Dorfes konnte der Betrachter an der den Stellwänden gegenüberliegenden Hallenwand ziehen.
Eine Bilderreihe zeigte die Ortsansichten vor der Dorferneuerung mit alten Lattenzäunen, schiefen Mäuerchen und schlechtem Straßenbelag, darüber sind die gleichen Motive heute, nach der Erneuerung, zu sehen. In die Meinungen der Besucher darüber, welches Adelsberg schöner war oder ist, mischten sich naturgemäß auch nostalgische Betrachtungen.
Wirthmann zeigte sich sehr zufrieden mit dem Zuspruch und konnte auch einige der Kalender mit historischen Aufnahmen verkaufen. Dieser erstmals 2007 aufgelegte Kalender war sozusagen der Startschuss für die Fotosammlung Wirthmanns. „Damals haben wir mit Blick auf die 1000-Jahr-Feier einen Aufruf gemacht, um alte Fotos zu erhalten.“ Die Resonanz war groß, und vom verstorbenen Heimatforscher Franz Schneider konnte der Geschichtskreis einiges übernehmen. „Wir haben schnell gemerkt, dass es wichtig ist, zu wissen, wer auf den Fotos zu sehen ist“, stellte Wirthmann fest, der sich als Ziel gesetzt hat: „Alte Fotos nicht verstauben lassen, sondern zeigen.“
2100 Fotos digital gespeichert
Aus diesem Grund hat er bereits 2100 Aufnahmen digital gespeichert. Daher ist er auch immer auf der Suche nach Zeitzeugen, die ihm beim Zuordnen der Namen helfen könnten. Leider sterbe die Generation langsam aus, die noch auf den alten Rollfilmfotos zu sehen ist. Trotzdem gebe es immer wieder Erfolgserlebnisse, beispielsweise wenn er einem erstaunten Betrachter erklären kann, dass auf dem Jubiläumsfoto, das er gerade bewundert, sein eigener Urgroßvater zu sehen ist. Der Adelsberger Kalender ist themenbezogen. Für 2011 lautet das Thema „Schule, Lehrer und Schulklassen“. Kaufen kann man ihn bei Bernd Wirthmann, Hahnweg 14, oder im Getränkehandel Schmitt.