Eine Homburger Seniorin im gesegneten Lebensalter von 93 Jahren als Hauptfigur eines Heimatromans? Das hätte sich Agnes Schäfer, geborene Dornbusch, niemals träumen lassen. 80 000-mal soll vom Rosenheimer Verlagshaus das Buch mit dem Titel „Agnes – Mein Leben als Weinbäuerin“ gedruckt werden.
Agnes Schäfer, die, so ihr eigenes Bekunden im örtlichen Dialekt, noch „ganz gut beinanner“ ist, ohne Brille lesen kann, noch keinen Rollator braucht und der familiäre Mittelpunkt ihrer fünf Kinder, acht Enkel und zwei Urenkel ist, wird von der Autorin Viktoria Schwenger quasi als Idealfigur einer Familiensaga aus dem fränkischen Winzerdorf Homburg dargestellt. Sie selbst sagt mit tugendhafter Bescheidenheit: „Über mich kann man doch kein Buch schreiben. Ich hab‘ doch nix erlebt!“
Es sind die freundschaftlichen Beziehungen einer Marktheidenfelder Bürgerin zur Chefetage des Rosenheimer Verlagshauses, die ursächlich dafür stehen, dass das Leben der Weinbäuerin zu Papier gebracht wurde. Die Frage des Verlags lautete ursprünglich, ob man eine ältere fränkische Winzerin mit einem spannenden Lebenslauf kenne.
Es mag sein, dass das Leben der Agnes Schäfer ein wenig dem der Bäuerin Anna Wimschneider gleicht. Diese verfasste eine Autobiografie namens „Herbstmilch“, die ein großer Erfolg und sogar verfilmt wurde. Bei der Homburger Winzerin hat Autorin Schwenger Höhen und Tiefen mit den von „Mühen und Arbeit“ geprägten Jahren in 16 Kapiteln niedergeschrieben. Das Resultat: Der Leser wird im „spannenden Lebenslauf“ Seite für Seite zum Weiterblättern animiert.
Agnes Schäfer, deren Gesichtszüge immer noch an ihre jugendliche Schönheit erinnern, sagt, sie habe „ein Leben lang viel Ärwet gehabt“. Diese viele Arbeit, die sie als Mutter, Haus- und Ehefrau, Winzerin und Bäuerin jahrzehntelang prägt, fließt immer wieder in die Nacherzählungen von Viktoria Schwenger ein. Politik habe sie nie interessiert, sagt die Homburgerin. Als sie beim Friseur mal in Zeitschriften blättert, entdeckt sie viele Ähnlichkeiten zwischen sich und der „Queen Mum“, der Mutter von Königin Elizabeth II. Sie fühle sich ähnlich, wenn sie im gottgesegneten Alter ihre Familie um sich habe.
In Schwengers Buch wird Agnes als kluges Mädchen und gelehrige Schülerin beschrieben, die noch vor dem Schulbesuch ihrer größeren Schwester bei deren Hausaufgaben über die Schulter blickt und auf ein Stück Papier Zahlen und Buchstaben kritzelt. Als ihr später der Vater von einem Würzburg-Besuch mit dem Fahrrad ein gebrauchtes Schifferklavier mit nach Hause bringt, schlägt Agnes' kleines Herz höher. „Die Sensation war perfekt“, sagt sie in „ihrem“ Buch über dieses Geschenk.
Im weiteren Lebenslauf wird das Mädchen ob seines burschikosen Wesens („Ich war der Bu in der Familie“) und aufgrund seiner geschickten Hände zu einem prägenden Familienmitglied. Agnes muss schon als Kind in Haus, Hof und in den Weinbergen helfen und manchmal das Blut beim Hausschlachten rühren. Apropos Weinberge: Sie werden auch sonntags bearbeitet, wenn das Wetter es zulässt. Dass die Sonntagsarbeit damals verboten ist, stört niemanden. Wenn die Polizei die sonntägliche Wengertsarbeit kontrolliert, erzählt Agnes Schäfer, habe „man sich halt schnell zwischen die Ackerfurchen geworfen“.
1949 heiratet die junge Frau in der Homburger Burkarduskirche. Ihrem Ehemann Leonhard, den sie liebevoll „Lennard“ nennt, ist sie schon in der Jugend begegnet. Die Geburt ihrer Kinder Lothar und Annerose (Zwillinge), Doris, Gudrun und Burkhard sorgt im Hause Schäfer im Laufe der Jahre für fünffaches Familienglück.
Mit der Anschaffung eines Traktors hält die Technik Einzug auf dem Schäfer-Hof. Die Zeiten, als Agnes zusammen mit dem Vater ein Kuhfuhrwerk mit einer Ladung Holz aus dem Spessart nach Hause lenken muss und die Buben in Marktheidenfeld „nach ihr gepfiffen haben“, sind vorbei. „Lennard“ besitzt eines der ersten Autos im Dorf: einen VW „Brezel-Käfer“.
Die Ausflüge mit der Familie sind für die Kinder echte Höhepunkte. Bei der Rast dürfen sie meistens eine Bluna oder Sinalco trinken, damals noch bei Wasser-Scheiner in Marktheidenfeld abgefüllt. Das Familien-Einkommen verdient der Vater in der Homburger Papiermühle, bei Paidi und im Zementwerk – zum Teil als Kraftfahrer. Im Besitz eines Busführerscheins, sitzt er immer öfter beim Marktheidenfelder Unternehmen Roth am Steuer. 1989 stirbt Leonhard Schäfer, der eine Periode dem Homburger Gemeinderat angehört hat und viele Jahre Vorsitzender der Soldatenkameradschaft war, an den Folgen einer schweren Erkrankung.
„Das Leben muss weitergehen“, sagt sich Agnes nach diesem Schicksalsschlag. Arbeit gibt es in Hülle und Fülle. Fast ein Hektar Weinberge muss „bearbeitet“ werden. Agnes ist es auch, die bei der Bereinigung der Weinbergsflur Anfang der 1960er Jahre entscheidet: „Den Wengert behalte ich – koste es, was es wolle!“ Ihre Töchter Annerose und Doris sorgen für mütterlichen Stolz, als sie die Weinkrone tragen dürfen.
Heute blickt Agnes Schäfer auf ein erfülltes Leben zurück. Sie wird von den Kindern, die in der Nähe wohnen, liebevoll umsorgt.
Viktoria Schwenger
Die Autorin interessiert sich seit früher Jugend für Literatur und das Schreiben. Ihr Lebenstraum war es, Schriftstellerin zu werden. Nach erfolgreichem Abschluss der renommierten Axel-Anderson-Akademie in Hamburg begann ihre erfolgreiche Zeit als Autorin von Heimatromanen und Landfrauen-Geschichten. Im Rosenheimer Verlagshaus wurden von ihr unter anderem veröffentlicht: „Dunkle Wolken über Altdorf“, „Die Blumenflüsterin Maria“ und „Die Schönen vom Lande“.
Nun hat sie das Leben von Agnes Schäfer aus Homburg niedergeschrieben. Titel: „Agnes – Mein Leben als Weinbäuerin“. Auf dem Buchcover (Foto: Rosenheimer Verlagshaus) ist übrigens nicht Agnes Schäfer, sondern eine andere Frau zu sehen. Viktoria Schwenger ist verheiratet und wohnt in Hohenthann. Am Freitag, 4. März, um 19 Uhr erzählt Schwenger im Weingut Deppisch in Erlenbach, An der Röthe 2, aus dem Leben der Weinbäuerin Agnes Schäfer, von deren Freuden und Schicksalsschlägen. Für die Musik sorgt das „Quetschemännle“. Text: ARTH