Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Karlstadt
Icon Pfeil nach unten

RIENECK: Alexander Lind hält Bäume klein

RIENECK

Alexander Lind hält Bäume klein

    • |
    • |
    Leicht täuschend: ein Feuerdorn, kein Apfelbäumchen.
    Leicht täuschend: ein Feuerdorn, kein Apfelbäumchen. Foto: Björn Kohlhepp

    Alexander Lind ist ein kräftiger Mann mit einem zarten Hobby: Der 43-jährige Familienvater aus Rieneck züchtet Bonsais – und das in rauen Mengen. Rund tausend Bäumchen hat er in Schalen und im Freiland, darunter ein paar richtige Exoten. Besonders anschaulich in der Lind'schen Sammlung ist das Beispiel zweier originaler Mammutbäume. Beide hat der 43-Jährige als Sämlinge gekauft, beide sind fünf Jahre alt. Während der eine jedoch als Schrumpfmammutbaum in einer Schale jetzt eine Höhe von etwa 60 Zentimetern hat, macht der andere als normaler Baum im Garten seinem Namen alle Ehre als und misst mittlerweile schon acht Meter.

    „Es gibt, glaub' ich, kein Bonsaibuch, das ich nicht kenne.“

    Alexander Lind, Bonsai-Züchter

    Beim Aktionshaus Sotheby's, so erzählt Lind, kommen jedes Jahr uralte japanische Bonsais unter den Hammer. Die teils 200 bis 250 Jahre alten Bäumchen, einst von irgendeinem Urururgroßvater eines Verkäufers gepflanzt, können mehrere Hunderttausend Euro erzielen. Solche Schätze hat der 43-Jährige, der seine Bonsais selbst zieht, freilich nicht. Seine ältesten Bäumchen, darunter eine Kastanie und eine Linde, zählen aber immerhin auch schon rund 35 Jahre.

    Er war zwölf, als er von seinen Eltern das erste Bäumchen geschenkt bekam. Da war's um ihn geschehen. Heute hat er etwa 30 verschiedene Baumarten, Nadel- wie Laubbäume, verbonsait. Bei ihm steht in Hof und Garten zwar schon alles voll, aber er zieht doch immer wieder mit Spaten und Eimer los und holt sich im Wald ein neues Bäumchen. Weil er eigenen Wald hat, ist das auch kein Problem. Von einem Zierapfel im eigenen Garten stammen kleine Apfelbaum-Ableger, die er zu Bonsais macht – „erzieht“, wie Lind sagt. Sind die Bäumchen alt genug, blühen sie wie ihre großen Verwandten und tragen sogar kleine Früchte.

    Wie wird aus einem Bäumchen denn nun ein Bonsai? „Immer wieder schneiden“, sagt Lind, „immer wieder schneiden.“ Anfangs schneidet er schon mal die Spitze oder sogar die ganze Krone ab, auch die Wurzeln müssen klein gehalten werden. Er lässt die Bäumchen so lange wie möglich im Garten wachsen, damit sie einen schön dicken Stamm entwickeln – auch Bonsais hätten Jahresringe. Irgendwann kommen sie dann in eine Schale. Die Kunst besteht darin, dass man zwar immer schneidet, man von der Arbeit aber nichts sieht, so Lind.

    Am Ende soll ein Bonsai ausschauen, wie man ihn sich vorstellt: wie eine Miniaturausgabe eines alten Baumes und nicht wie ein junger Baum. Neben dem normalen regelmäßigen Schneiden hat Lind natürlich noch ein paar Tricks: Damit ein Bonsai nach einem alten Bäumchen ausschaut, werden die Äste ein paar Monate lang mit Drähten nach unten gezogen. „Nach oben stehende Äste sehen nach einem jungen Baum aus.“ Beim Schneiden sollen möglichst viele Triebe entstehen. Ziel ist eine schöne Krone, ein schönes „Polster“. Noch ausgefuchster wird es, wenn Lind mit einem Messer das innere eines Stämmchens aushöhlt, damit der Baum richtig urig aussieht.

    Bei manchen Bäumen ist im Sommer auch ein Ausschneiden der Blätter nötig, da die sonst zu groß werden, etwa bei einem Kastanienbonsai. Die nachwachsenden Blätter seien dann kleiner. „Je kleiner das Blatt ist“, so Lind, „desto schöner kriegt man den Habitus von einem alten Baum hin.“ Hält man die Bäume auf Schrumpfgröße, wüchsen aber ohnehin mit der Zeit kleinere Blätter. Sein Wissen hat sich Lind über die Jahre angelesen. „Es gibt, glaub' ich, kein Bonsaibuch, das ich nicht kenne“, sagt er. Jahrelang hat er auch eine Bonsaizeitschrift abonniert, aber irgendwann wiederholten sich die Inhalte. Im Grunde könne man aus jedem Baum einen Bonsai machen, allerdings seien eben die großblättrigen Bäume schwierig, weil riesige Blätter an einem Minibäumchen seltsam aussehen. Auch eine Eiche sei schwierig, weil die lange wächst, bis sie eine gewisse Stammdicke erreicht hat, und weil sie eine nach unten wachsende Pfahlwurzel hat, der man als Bonsaizüchter Einhalt gebieten müsse.

    Ein paar Jahre lang, von 2000 bis 2009, hat Lind auch versucht, von der Bonsaizucht zu leben. Aber das habe nicht richtig hingehauen. „Leben“, sagt er, „kann man davon definitiv nicht.“ Allein bei der jährlichen Ausstellung im Frankfurter Palmengarten sei es gut gelaufen. Heute betreibt Lind, der im Außendienst als Energieberater arbeitet, seine Bonsaizucht wieder als Hobby und verkauft nebenher das eine oder andere Bäumchen oder Zubehör, wie Draht, Bonsaierde oder Schalen.

    Es ist ein zeitintensives Hobby. Bis er seine ganzen Bäumchen gegossen hat, kann schon mal eine Stunde vergehen. In seine drei Jahrzehnte alte Bonsaikastanie habe er sicher schon 400, 500 Stunden investiert, schätzt er. „Es muss halt Spaß machen.“ Und ein Bonsai soll viele Jahre halten. Das verstünden Laien, die sich einen Bonsai kaufen oft nicht, erzählt er, und gössen deshalb zu wenig. Dabei brauche ein Bonsai in einer Schale umso mehr Wasser und Dünger, weil er so wenig Erde hat. Lind gießt seine Bäumchen, von denen viele auch im Winter draußen stehen, sogar bei minus zehn Grad – solange die Erde feucht sei, passiere den Wurzeln nichts.

    Vielleicht können dereinst auch seine Urururenkel einen Lind'schen Bonsai für viel Geld verkaufen. Seine Tochter habe zwar kein Interesse an Bonsais, aber sein ältester Sohn sei voll dabei.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden