Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Marktheidenfeld
Icon Pfeil nach unten

MARKTHEIDENFELD: Alles andere als von Pappe

MARKTHEIDENFELD

Alles andere als von Pappe

    • |
    • |
    Wird am Samstag 80 Jahre alt: der Marktheidenfelder Unternehmer Siegfried Fiebig.
    Wird am Samstag 80 Jahre alt: der Marktheidenfelder Unternehmer Siegfried Fiebig. Foto: Foto: Roland Pleier

    Am liebsten würde er seine Mirabellenmarmelade auf dem Marktplatz feilbieten: Siegfried Fiebig ist Hobby-Gärtner geworden, doch liegt ihm das Handeln nach wie vor im Blut. Papier und Pappe waren sein Metier. Erst jetzt, da er sich aus dem Geschäft gänzlich zurückgezogen hat, scheint er Zeit zu haben, auf sein Leben zurückzublicken. Es bewegt ihn dieser Tage besonders. Am Samstag feiert der Marktheidenfelder Unternehmer seinen 80. Geburtstag.

    An sich hat er allen Grund zur Zufriedenheit: Seinen beiden Kindern hinterließ er ein wohlbestelltes Haus, die 1977 gegründete Fiebig & Schillings GmbH, die er 1991 an seine beiden Kinder übergab. Dort produzieren Dirk Fiebig und Petra Fiebig-Junker heute mit 80 Beschäftigten Schaumpappen und handeln weiter mit Einbanddeckeln für Bücher sowie Mappen. 2014 setzen sie zehn Millionen Euro um.

    „Übelst“ war die Kindheit. Der Vater, von Beruf Papiermaschinengehilfe, als Soldat im Krieg, die Mutter mit den drei Kindern flieht aus Haynau ins Sudetenland, kehrt zurück nach Schlesien, wird vertrieben. Mithilfe des Suchdienstes findet der Vater seine Familie wieder in Bremen, holt er sie nach Würzburg.

    „Wenn einem die Russen das Gewehr an den Kopf halten und die Tschechen auf alles schießen, was sich bewegt . . .“, dann hat das auch Folgen. Fiebig beginnt – wie sein Vater – zu stottern. Kriegserlebnisse eines damals Zehnjährigen, Flüchtlingserfahrungen eines Elfjährigen.

    Die Familie landet in Waldbrunn. Fiebig besucht die Volksschule. Der Vater schult um auf Maurer. Fiebig lernt Kaufmannsgehilfe bei einem Würzburger Schreib- und Papierwaren-Großhandel. Als Lehrling muss er um sieben Uhr antreten. So früh fährt kein Bus. Sein Fahrrad kostet 250 Mark. Fiebig stottert es in zehn Raten ab. Vom Lehrlingsgehalt bleiben ihm so nur vier Mark Taschengeld pro Monat.

    Fiebig will in den Außendienst. „Die Vertreter großer Firmen wie Leitz und Faber waren Könige“, schildert er sein Empfinden – „und ich wollt ein kleiner werden.“ Mit eiserner Disziplin trainiert er sich deshalb das Stottern ab. „Ich war ein Lahmer, der ein 100-Meter-Läufer wurde.“ Seine Mitarbeiter lernen ihn später kennen als einen, der gerne redet – und flüssig.

    Drei Jahre verdingt er sich in Karlsruhe, ab 1955 dann bei Seyboth in Würzburg, Papiergroßhandel und Beutelfabrik. Dort lernt er Ruth Kimmel kennen. Erst nach fünf Jahren kriegt er sie rum – „wir war'n doch nix“. „Arm wie die Kirchenmäuse“ heiraten sie 1960, vier und fünf Jahre später kommen die Kinder.

    Papier und Pappe bleibt er treu. Nach zwei Jahren in einer Papierfabrik in Düsseldorf macht er sich selbstständig, eröffnet eine Handelsagentur in Nürnberg. Fiebig ist viel unterwegs. Nürnberg liegt ihm geografisch zu weit rechts. Er kehrt zurück in die zweite Heimat, in die Mitte Deutschlands. „Uns hat's von Anfang an gut gefallen hier.“

    Mit seinem Partner Hans Schillings gründet er die Firma in Marktheidenfeld, handelt und beginnt, große Pappe in Kleinformate zu schneiden. Schillings steigt nach einigen Jahren aus, der Firmenname bleibt. In der alten Gerberei in der Georg-Mayr-Straße fängt er an. Dann bebaut er 1990 als einer der ersten ein Grundstück im Gewerbegebiet Dillberg, 8000 Quadratmeter groß.

    1997 wendet sich der Buchhersteller Ebner aus Ulm an die Fiebigs. Er liegt mit seinen Deckelmachern im Clinch, sie bildeten einen Staat im Staat, beklagt er. Fiebig ist reserviert. Zur Herstellung von Buchdeckeln „gehört noch mehr dazu . . .“. Schließlich lässt er sich von einem Ebner-Berater, einem „Zigarettenfuzzi“, überzeugen. Deckel für Bücher werden die tragende Säule des Betriebs. Mit dem Großauftrag für Harry-Potter-Bände macht die Firma um 2001 Schlagzeilen.

    Da ist Fiebig formell längst aus dem Betrieb ausgestiegen, nur Berater. Der „Pappen-Papst“ pflegt Handelsbeziehungen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, sammelt Erfahrungen mit Partnern in Tschechien und Polen, beliefert Kunden wie die Universitätsdruckerei Stürtz in Würzburg und den Marktheidenfelder Puzzle-Hersteller Scheer. Auch unerfreuliche sind dabei, solche mit säumigen Zahlern, schmerzhaften Insolvenzen.

    Dies beschäftigt den Senior jetzt, wenn er seine Paprika und Zucchini pflegt, seine Beerensträucher hegt, während seine Frau immer noch vormittags im Betrieb arbeitet. „Ich bin Gärtner geworden.“ Fiebigs Augen leuchten. Am liebsten würde er einen Teil seiner verarbeiteten Früchte verkaufen. Das Handeln liegt ihm eben im Blut.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden