Die Burgsinner Festschrift zur 1000-Jahr-Feier muss umgeschrieben werden. Zumindest, was den ehemaligen Thüngenschen Gutshof im Jahnweg 1 betrifft, wo das "Gesindehaus" steht, ebenfalls bekannt als "Mäuseburg" oder "Armenhaus". Auf Seite 462 der Festschrift ist vermerkt: "Es befindet sich heute im Besitz der Marktgemeinde." Doch die Besitzer haben gewechselt: Willy und Bianca Volkert von der "Rossmühle" in Weickersgrüben sanieren jetzt das Haus, das lange Zeit nur noch eine Ruine gewesen ist.
Die Geschichte hört sich fast an wie ein Märchen: Eigentlich wollte das Ehepaar im September vergangenen Jahres nur ein Geburtstagsgeschenk für Tochter Maria besorgen, als Willy Volkert beim Herumspazieren in Burgsinn das Haus aufgefallen ist. Die Herzen der Eheleute schlugen sofort höher. Bei einer Spielwaren-Verkäuferin holten sie erste Erkundigungen ein. "Das kriegen sie geschenkt, das gehört der Gemeinde", hat diese gesagt und die Neugier des Ehepaars angeheizt.
Am gleichen Tag riefen sie bei Bürgermeister Franz Schüßler an. Und jetzt kommt der "unglaubliche Zufall", wie Bianca Volkert es nennt: Das Gemeindeoberhaupt hatte den Sanierungsauftrag vom Denkmalschutz bereits auf dem Tisch liegen, weil er ihn am selben Abend im Gemeinderat vorstellen wollte. Ein Wink des Schicksals, den die Volkerts nicht ignorieren konnten. "Bereits am dritten Tag danach waren wir an die Wand genagelt", sagt Bianca Volkert. Die Sanierung war beschlossene Sache.
Dass für das Burgsinner Projekt dieselben Leute vom Denkmalschutz und die Architekten vorgesehen waren, die auch an der Sanierung der "Rossmühle" einen großen Anteil hatten, hat die Entscheidung erleichtert. Das Geburtshaus von Willy Volkert zwischen Michelau und Weickersgrüben wurde ab November 2000 komplett saniert. Seit Ostern 2001 ist in dem Gebäude aus dem Jahr 1617 das Hotel untergebracht. "Alle haben Hand in Hand gearbeitet: das Landratsamt, der Denkmalschutz und wir", sagt Bianca Volkert.
Doch nicht immer hat es ein "komplettes Einverständnis" mit den Behörden gegeben. Bereits im Jahr 1990 haben die Volkerts die "Rossmühle" teilweise "revitalisiert", also nach Gesichtspunkten des Denkmalschutzes saniert. Damals haben die beiden schlechte Erfahrungen gemacht. Bianca Volkert: "Die finanziellen Zusagen des Denkmalschutzes konnten nicht eingehalten werden, auch waren die Auflagen von Landratsamt und Denkmalschutz nicht vereinbar." Ein Mitspracherecht für die Besitzer gab es damals nicht.
Das ist heute anders: "Innerhalb von vier Wochen war die komplette Genehmigung für das 'Gesindehaus' beim Landratsamt durch", berichtet Bianca Volkert. "Die haben Unheimliches geleistet", sagt sie anerkennend. Auch die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz hat diesmal besser geklappt. "Niemand hat sich auf eine Lösung versteift, auch beim Denkmalschutz gibt es Alternativen", sagt Willy Volkert. Und widerlegt damit die Vorstellung, dass der Denkmalschutz immer ein Bremsklotz sein muss.
"Denkmalschutz bietet Alternativen"
Willy Volkert, Inhaber der "Rossmühle"
Ohne öffentliche Fördergelder wäre das Projekt für die Eheleute allerdings nicht machbar. "Die komplette Sanierung des Gebäudes kostet rund 715 000 Euro", erklärt Bianca Volkert, "und das ist schon knallhart kalkuliert". Davon werden zwischen 30 und 60 Prozent gefördert. Die Eheleute wissen schon genau, wie sie den Fortbestand des alten Gebäudes sichern können. "Mit drei Ferienwohnungen und einem Ladengeschäft, zum Beispiel einer Buchhandlung, müsste es möglich sein", glaubt Willy Volkert.
"Wunschtraum" der beiden ist es, dass die Ferienwohnungen an Ostern 2003 bezugsfertig sind. "Bis jetzt sind wir sehr gut im Zeitplan", sagt Bianca Volkert. Anfang Februar war Baubeginn, seither wurde das Gebäude entkernt, eine Betonplatte im Erdgeschoss eingezogen, um das Fundament zu stützen; auch der Kamin steht bereits. Derzeit ist die Dachstuhlsanierung im Gange, wobei das Dach zunächst um sieben Zentimeter angehoben werden muss.
Obwohl es nicht besser laufen könnte, lastet den Eheleuten etwas auf der Seele. Bei einem Spaziergang in Burgsinn sind ihnen Gerüchte zu Ohren gekommen, wonach sie den Bauhof der Verwaltungsgemeinschaft so schnell wie möglich vom Grundstück "vertreiben" wollen. "Das stimmt überhaupt nicht", empört sich Bianca Volkert. "Vertraglich festgelegt ist, dass der Bauhof bis Juli auf dem Grundstück bleibt." Aus Kulanz haben die Eheleute sogar einer Verlängerung bis Jahresende zugestimmt.
Dies bestätigt Bürgermeister Franz Schüßler, der das Engagement von Bianca und Willy Volkert als "Glücksfall für die Gemeinde" bezeichnet. Außerdem habe man sowieso vorgehabt, einen neuen Bauhof zu errichten. Dieser ist auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Firma Rommenhöller geplant. Es sei für die Gemeinde wie ein Sechser im Lotto gewesen, dass die Eheleute sich zur Sanierung bereit erklärt haben.
Schüßler vertraut den beiden: "Die haben die notwendige Liebe zum Objekt". Dass diese Feststellung den Nagel wohl auf den Kopf trifft, merkt man, wenn die Volkerts über alte Gemäuer ins Schwärmen geraten. "Wir sehen in jedem alten Gebäude eine Seele, die Mauern leben förmlich." Ihr Kommentar zu dem nicht ganz billigen Hobby: "Andere fahren Porsche, wir sanieren lieber alte Gebäude."