Das ist keine "Luxusklasse" sondern eine Stabilitätsklasse. "In dieser Klasse sollen die Schüler persönlich und schulisch so stabilisiert werden, dass sie am Schuljahresende in die jeweilige nächsthöhere Jahrgangsstufe wechseln können", erklärt Harald Watzke das Ziel der neuen S-Klasse. Diejenigen, die dies nicht erreichen, rücken im nächsten Schuljahr in die Praxisklasse vor.
In der P-Klasse werden zurzeit 16 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Von den 14 Schülern, die im vergangenen Schuljahr die P-Klasse besuchten erhielten sieben einen Ausbildungsplatz, vier von ihnen absolvierten sogar noch den Hauptschulabschluss. Die andern besuchen derzeit berufsvorbereitende Maßnahmen wie den BBE (Lehrgang zur Verbesserung der beruflichen Bildung und Eingliederung) an der Euro-Schule in Lohr, berichtet Watzke.
Im Vorfeld der Schüler-Auswahl für die diesjährige P-Klasse sei das Thema S-Klasse angestoßen worden. Eine Kollegin hatte einen Schüler, der für die P-Klasse geeignet gewesen wäre, jedoch diese Klasse altersmäßig noch nicht hätte besuchen dürfen, berichtet Watzke, der unterfrankenweit für die Koordination der P-Klassen verantwortlich ist. Durch die Anregung aus dem Kollegenkreis habe man sich entschlossen, "ein Jahr früher" anzusetzen, denn "zwei Jahre wären besser als Stabilisation", sagt der 35-Jährige aus Erfahrung mit den bisherigen P-Klassen-Schülern. "Ein Teil von ihnen ist so weit, dass man sie auf die eigenen Füße stellen kann, einige brauchen dazu aber auch länger." Da nach der P-Klasse die Volksschulpflicht jedoch endet, gebe es keine Möglichkeiten, die Kinder weiter zu unterrichten. Mit der Idee der neuen S-Klasse fand Watzke sowohl bei den Verantwortlichen der Regierung von Unterfranken als auch beim Schulamt Main-Spessart offene Ohren. Gerade Schulrat Heinz Maetschke habe sich dafür sehr stark gemacht. "Man kann sagen, dass er die S-Klasse mit aus der Wiege gehoben hat", betont Watzke.
Eine positive Nachricht ist zudem, dass die Stabilisierungsklasse "keine zusätzlichen Kosten" verursacht. "Sie wurde im Rahmen der Klassenstärke der Hauptschule gebildet und gilt von den Lehrstunden als eine ganz normale 8. Klasse", berichtet Watzke. Leider nicht anerkannt werde das Projekt S-Klasse vom Europäischen Sozialfond. Dieser fördert bei der P-Klasse zu 80 Prozent die Personalkosten der Sozialpädagogin, Marion Salfer-Reuter, die die Schüler betreut. Doch auch ohne Fördermittel habe der Schulverband Main-Spessart eine Erhöhung von Salfer-Reuters Arbeitszeit beschlossen, damit sich die Sozialpädagogin auch um die S-Klassen-Schüler kümmern kann. Tobias Seebach führt die neue S-Klasse. Der 30-Jährige wechselte von der Hefner-Alteneck-Volksschule in Aschaffenburg zum neuen Schuljahr nach Marktheidenfeld und verfügt als ehemaliger Klassenleiter einer P-Klasse bereits über die nötige Erfahrung. Sein Ziel ist es, die S-Klässler zu motivieren und zu unterstützen, ihre Stärken zu optimieren und ihre Schwächen zu minimieren. "Wenn sich die Schüler ernst genommen und mit all ihren Stärken und Schwächen angenommen fühlen, dann arbeiten die auch mit", hat er erfahren. "Die Teilnehmer sind zu 90 Prozent nicht so schlecht, dass sie die Hauptschule nicht schaffen können."
Harald Büttner, der im vergangenen Schuljahr die P-Klasse leitete, arbeitet seit September im differenzierten Unterricht in der P- und der S-Klasse. 34 Schülerinnen und Schüler besuchen zurzeit diese beiden Klassen - Jugendliche, die dadurch die Lehrer der Regelklassen entlasten. "Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor", betont Watzke und kündigt an, man wolle Marktheidenfeld als S- und P-Standort etablieren und Vertrauen schaffen für die Schüler aus der eigenen und den umliegenden Schulen. "Die Schüler verlassen sich nämlich auch darauf, dass es bei uns auch weiterhin solche Klassen gibt."
Man habe, so Watzke, in den letzten Jahren eine Veränderung im Schülerpotenzial festgestellt. "Wir machen Schule für diese veränderten Schüler und versuchen nicht, sie so hinzubiegen, dass sie in unsere Schule passen."