„Gelegenheit macht Diebe.“ Mit diesem geflügelten Wort begann Rechtsanwalt Klaus Schröder das Plädoyer für seine Mandantin, die sich wegen Betrugs zu Lasten ihres Arbeitgebers vor dem Amtsgericht Gemünden zu verantworten hatte. 15 Fälle von Untreue, Betrug, versuchten Betrugs und Urkundenfälschung in mehreren Fällen hatte die Staatsanwaltschaft der jungen Frau zur Last gelegt.
Sie hatte eine Vertrauensstellung als Vorstandssekretärin in einem bedeutenden Unternehmen. Schon rund zwei Wochen nach ihrer Einstellung wurde die heute 29-jährige Frau aus dem Landkreis Main-Spessart von der Geschäftsleitung mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, die sie schließlich mehrfach für ihre eigenen Zwecke missbraucht hat.
Das begann damit, dass sie dem Arbeitgeber aus einem früheren Beschäftigungsverhältnis einen Betrag von 5437 Euro geschuldet hat. Ihrer neuen Firma „jubelte“ sie eine Rechnung über jenen Betrag unter, der dann auch bezahlt wurde.
Beinahe wäre der Schwindel jedoch aufgeflogen, denn die Frau hatte vergessen, die übliche Umsatzsteuer von 19 Prozent im Rechnungsbetrag auszuweisen, so dass die Rechnung von der Buchhaltung zunächst moniert, nach Regulierung des Fehlers aber dann schließlich doch beglichen wurde.
In den Folgemonaten nutzte die Angeklagte das Prämierungssystem der Firma für ihre Vertreter und Verkäufer aus. Je nach Erfüllung der Zielvorgaben wurden diese mit Notebooks, Handys, Projektoren oder teurer Markenkleidung belohnt.
„Ich habe über meine Verhältnisse gelebt und brauchte das Geld“
Die angeklagte Sekretärin über ihr Motiv
Für die Beschaffung war die Vorstandssekretärin zuständig, die gleich mehrere Prämien für sich bestellt und diese später dann im Internet verkauft hat. Für ihre Machenschaften hatte sie zwei PayPal-Konten eingerichtet oder mit der Firmenkreditkarte bezahlt.
Auf die Frage von Richter Dr. Christian Spruß, warum sie diese „Nebengeschäfte“ getätigt habe, erklärte die Frau: „Ich habe über meine Verhältnisse gelebt und brauchte das Geld.“ Zudem waren noch Schulden aus dem vorherigen Studium zu begleichen.
Bis zum Frühjahr dieses Jahres blieb diese Art des Zusatzeinkommens in dem Unternehmen zunächst unentdeckt. Dann machte die 29-Jährige jedoch einen entscheidenden Fehler. Um die teure Reparatur für ihr Auto zu bezahlen, fingierte sie erneut eine Rechnung. Dabei machte sie erneut Formfehler, so dass das Autohaus die Polizei eingeschaltet hat.
„Das entspricht alles der Wahrheit“, zeigte sich die junge Frau schon gleich nach dem Verlesen der Anklageschrift geständig. Ohne Ausreden gab sie alle Taten zu und zeigte sich vor Gericht kooperativ. Dies würdigte auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer, verwies aber darauf, dass das gewerbsmäßige Handeln mit den Erfolgsprämien zwangsläufig zu einer Strafverschärfung führen müsse.
Allerdings ließ die Staatsanwältin auch nicht außer Acht, dass der Arbeitgeber der Angeklagten sehr leichtsinnig gehandelt hat bei der Ausstattung mit den Vollmachten. Diese gingen so weit, dass die Frau die eingescannte Unterschrift des Geschäftsführers auf ihrem PC hatte und diese nahezu beliebig verwenden konnte. Ein Jahr und zehn Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung und eine Geldauflage von 3500 Euro beantragte die Staatsanwaltschaft.
Die Leichtfertigkeit der Firmengeschäftsleitung führte auch der Verteidiger an, was dann auch zu dem verwendeten Zitat „Gelegenheit macht Diebe“ führte. Auch er sprach sich für eine Bewährungsstrafe aus und stellte das Strafmaß in das Ermessen des Gerichts. Für eine eventuelle Geldauflage beantragte er Zahlungen in kleinen Raten, weil seine Mandantin noch Schulden von rund 15 000 Euro aus der Schadenswiedergutmachung gegenüber ihrem bisherigen Arbeitgeber habe.
„Es tut mir aufrichtig leid, dass ich Sch… gebaut habe“, so die Angeklagte reumütig in dem so genannten letzten Wort vor der Urteilsverkündung. Die Taten hätten sie in den vergangenen Monaten sehr beschäftigt. „Ich hatte kaum mehr eine ruhige Minute“, erklärte die junge Frau vor Gericht.
Ein Jahr und sieben Monate Freiheitsstrafe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, lautete das Urteil von Richter Spruß. Zudem muss die Frau eine Geldauflage von 2700 Euro an das Katholische Frauenhaus in Würzburg zahlen. Noch im Gerichtssaal nahm sie das Urteil an. Der Verzicht auf Rechtsmittel durch die Staatsanwaltschaft steht noch aus.