Sie sind derzeit in der Lohrer Silhouette fast so präsent wie Bayersturm, Stadtpfarrkirche oder Schloss: die beiden Baukräne auf der Stadthallenbaustelle.
Der flüchtige Betrachter könnte meinen, dass die beiden stählernen Ungetüme dort die meiste Zeit des Tages nur rumstehen. Doch dieser Eindruck täuscht.
Ohne die beiden Kräne ginge auf der Baustelle nur wenig vorwärts. Mit rund 150 Hüben pro Tag tragen sie dazu bei, dass das Material immer dann und dort am Ort ist, wenn und wo es gebraucht wird.
Die beiden Kranführer haben deswegen kaum Zeit, die sich ihnen in luftiger Höhe bietende Aussicht auf Stadt und Spessart zu genießen. Ihr Job erfordert höchste Konzentration. Eine Unachtsamkeit könnte fatale Folgen haben.
Doch der Job des Kranführers beinhaltet neben der geistigen auch eine auf den ersten Blick gar nicht zu vermutende körperliche Anstrengung: den Aufstieg. Der erfolgt nicht per Aufzug, sondern über rund 120 Sprossen. „Das ist Fitnesstraining“, sagt Robert Müller, der Leiter der Baumaschinentechnik bei der Adam Hörnig Baugesellschaft.
Das Aschaffenburger Unternehmen ist für den Rohbau der Stadthalle zuständig und hat die beiden Kräne aufgestellt. Jeder von ihnen hat in der Anschaffung rund 500 000 Euro gekostet. Die beiden in Lohr aufgestellten Kräne wiegen jeweils rund 100 Tonnen – ohne Last und die Gegengewichte aus Beton.
Die Kranführer sitzen etwa auf Höhe des Auslegers, in 44 beziehungsweise 32 Metern Höhe. Der Aufstieg dorthin dauert laut Müller etwa fünf bis sieben Minuten, „mit Pause“, wie er sagt.
„Das ist Fitnesstraining.“
Robert Müller über das Besteigen eines Krans
Oben angekommen bietet sich den Kranführern ein im doppelten Wortsinn überschaubares Umfeld: Es sind nur zwei Joysticks, mit denen ein Kran gesteuert wird. Eine digitale Anzeige informiert über das Gewicht, das am Haken hängt ebenso wie über die Ausladung und einige weitere Details.
Ebenso wichtig ist für den Kranführer jedoch der Blick nach unten. Denn die Verständigung mit dem „Bodenpersonal“ erfolgt nicht nur über eines von drei bis vier auf der Baustelle verteilten Funkgeräten, sondern auch per Handzeichen.
Die Bedeutung der maßgeblichen fünf Handbewegungen ist auf einer Schautafel (siehe Foto) dargestellt. Um sie allen auf der Baustelle arbeitenden immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, hängt diese Schautafel unter anderem an einer regelmäßig frequentierten Stelle: der Baustellentoilette.
Rund zehn bis 15 Arbeiter seien auf einer Baustelle nötig, um einen Kran auszulasten, sagt Claus Kiy, der Oberbauleiter der Firma Hörnig. Dementsprechend seien auf der Stadthallenbaustelle meist 30 Arbeiter tätig.
Um sie mit Material zu versorgen, kann der größere der beiden in Lohr stehenden Kräne selbst an der Spitze des Auslegers noch gut 2,5 Tonnen heben. Beim Kleineren sind es aufgrund der kürzeren Ausladung gar 4,2 Tonnen. In ein oder zwei Fällen, in denen während der Stadthallenbauzeit bei schweren Stahlträgern selbst das nicht reicht, werden die beiden Kräne laut Kiy sogar gemeinsam anpacken, in einem so genannten Tandemhub.
Nicht nur um einen solchen bewerkstelligen zu können, erfordert die Arbeit im Steuerstand eines Kranes eine spezielle Ausbildung. Die nötige Fortbildung dauert rund sechs Wochen.
Danach, so Kiy, arbeite sich ein Kranführer im wahrsten Sinne hoch – von kleinen zu immer größeren Kränen. Die beiden Kranführer, die die in Lohr aufgestellten Kräne steuern, verfügten über jeweils rund 20 Jahre Erfahrung.
Diese sei gerade für das Steuern der großen Kräne wichtig. Denn was vom Boden spielend leicht wirke, erfordere viel Fingerspitzengefühl und Routine. Pendelnde Lasten entwickelten schnell eine Eigendynamik, so Kiy: „Es sieht so einfach aus, dass die Kette nicht wackelt, aber das täuscht.“
Weitere Erschwernisse wie Wind oder Nebel kämen hinzu. Ab einer Windgeschwindigkeit von 72 Stundenkilometern müssen die Kräne ihren Betrieb einstellen. In Lohr, so der technische Leiter Müller, sei das jedoch noch nicht vorgekommen.
Eine Lohrer Besonderheit ist hingegen, dass die beiden Kräne mit einer so genannten Flugbefeuerung bestückt werden mussten. Der Grund für diese weithin sichtbare Signalbeleuchtung ist, dass der angrenzende TSV-Sportplatz als Notlandeplatz für Rettungshubschrauber ausgewiesen ist.
Auf der anderen Seite der Baustelle musste für die Kräne eine „Arbeitsbereichsbeschränkung“ programmiert werden. Denn die Kräne dürfen mit einer Last am Haken nicht über das angrenzende Hotel fahren.
Doch auch unabhängig von dieser Begrenzung kann man davon ausgehen, dass die Hotelgäste unbesorgt schlafen können. „Uns ist noch kein Kran umgekippt“, berichtet Kiy aus der Erfahrung des Bauunternehmens, das insgesamt rund 30 Kräne im Einsatz hat.