Solange er am Schreibtisch sitzt, mit Kunden telefoniert oder Angebote berechnet, verhält sich der Jungunternehmer Andreas Pfister unauffällig und ruhig. Man darf ihm nur kein Lenkrad in die Hand geben. Insbesondere nicht das seines Rennwagens, ein Seat Leon Copa mit Turboaufladung und mehr als 330 PS. Dann stürmt er über die Rennstrecken in ganz Europa und fährt häufig an der Spitze mit bei der Europameisterschaftsserie (ETCC).
Der gelernte Automobilkaufmann, der in Obersfeld in der väterlichen Werkstatt ganz normale Kunden betreut, aber auch in der hauseigenen Pfister-Racing GmbH Prokurist ist, verdient über den Motorsport Geld. Der motorsportliche Erfolg des 27-Jährigen beruht zum einen auf Talent, das dem Sohn eines Autohausinhabers in die Wiege gelegt erscheinen mag, zum größeren Teil aber auf akribischer Planung, sorgfältiger Vorarbeit und konsequenter Umsetzung des Vorhabens. So überlässt Andreas Pfister nichts dem Zufall, wenn er beispielsweise eine ganze Rennsaison vorbereitet oder den nächsten Renneinsatz logistisch plant.
Erfolgreiches Geschäftsmodell
Dabei geht es in der Mehrzahl der Fälle nicht um ihn selbst, sondern um Motorsport-Kunden, die er betreut. Andreas Pfister verfolgt nämlich seit einigen Jahren erfolgreich das Geschäftsmodell, innerhalb eines „Paketes“ Rennautos zu vermieten inklusive Komplettservice. Das bedeutet, dass ein Rennwilliger bei Pfister-Racing einen Vertrag abschließt und dann die ganze Saison über zu jedem Rennen ein wettbewerbsfähiges Auto bekommt einschließlich technischer Betreuung am Rennwochenende, Reifen, Öl, Sprit und dergleichen.
„Der Kunde reist zur Rennstrecke an“, erklärt Andreas Pfister, „und steigt in sein vorbereitetes Auto. Wir kümmern uns im Training um Fahrwerksabstimmungen und andere Feinarbeiten, reparieren Defekte und nehmen am Sonntagabend nach dem Rennen das Auto wieder mit zu uns nach Obersfeld.“
Dort steht vor dem Pfister-Autohaus zwischen den Rennen ein Dutzend bunter Autos mit vielen Logos und Schriftzügen darauf. Andreas Pfister: „Auch das gehört zum Geschäftsmodell: Wer mit uns einen Jahresvertrag abschließt, profitiert von unseren Sponsoren, hat aber natürlich das Recht, eigene Sponsoren zu gewinnen und deren Symbole auf dem Auto dem Publikum an der Rennstrecke zu zeigen.“
Günstig für den Werbeeffekt ist, dass einige Rennserien live auf Eurosport übertragen werden und dadurch die Zahl der Zuschauer in mehreren Hunderttausenden zu rechnen ist. Dies gilt insbesondere für jene Europameisterschaftsserie (ETCC), bei der Andreas Pfister teilnimmt. Da der Obersfelder meist in der Spitze mitfährt, ist sein Auto besonders oft europaweit formatfüllend im Bild.
Im Auftrag der obersten deutschen Motorsportbehörde DMSB sichtet und unterrichtet er Nachwuchsleute, erteilt ihnen die offiziellen Pflichtlehrgänge inklusive Regelkunde und bereitet im positiven Fall den Weg zu einer Fahrerlizenz. Außerdem mietet er jedes Jahr den Salzburgring und hält dort gegen Gebühren ein Fahrsicherheitstraining für engagierte Autofahrer mit deren privaten Straßenautos ab; ebenso verfeinert er dort bei Motorsportlern deren Fahrtechnik im Rennauto.
Auch auf der Minirennstrecke im ADAC-Fahrsicherheitszentrum Schlüsselfeld instruiert Andreas Pfister in Kursen „Normalautofahrer“ und Motorsportler. Auf dem Übungsgelände lehrt er Alltagsfahrer beispielsweise die Fertigkeiten bezüglich des Fahrens, Bremsens und Ausweichens auf nasser Fahrbahn, das Abfangen eines übersteuernden Autos und sensibilisiert sie, gefährliche Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Gefragt, ob Obersfeld nicht recht abseits läge für das große Renngeschäft, antwortet der überzeugte Unterfranke aus Erfahrung: „Überhaupt nicht. Da meine Kunden und ich in ganz Europa Rennen fahren, müssen wir nach Frankreich, Italien und Tschechien, aber auch an den Nürburgring oder nach Belgien. Insofern ist der eigene Standort gar nicht so wichtig.“
Das sehen die Amateurrennfahrer, die von ihm ein Auto betreuen lassen, offensichtlich auch so: „Wir haben Fahrer aus Österreich, Italien, der Schweiz, aus Tschechien und sogar aus der Ukraine im Team.“ Zur Autobahn 71 ist es nicht allzu weit, und dann rollt man eben mit dem Werkstatt- und dem Transport-Lkw mit 80 km/h durch Europa. „Unser am weitesten entferntes Rennen war das 24-Stunden-Rennen in Dubai – eine lange Schiffsreise hin und zurück, aber auch ein tolles Erlebnis.“
In der heimatlichen, väterlichen Werkstatt werden aber nicht nur der ETCC-Seat und die Kundenrennautos gewartet, sondern hauptsächlich serienmäßige Wagen von ganz normalen Autobesitzern. „Diese profitieren vom Extra-Know-how, das unsere Mechaniker in den Renneinsätzen sammeln.“
Eine Stufe höher steigen
Wenn es ab September in die zweite Hälfte der Rennserie um die Tourenwagen-Europameisterschaft geht, wird Andreas Pfister wieder in seinen Schalensitz schlüpfen und das Lederlenkrad seines Seats packen. Abgesehen von Ruhm und Ehre geht es auch um Preisgelder für gute Platzierungen.
Allergrößte Motivation für den motorsportlichen Einsatz des Unterfranken ist es jedoch, aufgrund eines Top-Ergebnisses im kommenden Jahr mit Absicherung durch Sponsoren noch eine Stufe höher zu steigen und die Tourenwagen-Weltmeisterschaft mitzufahren.