Ludwig „Lucki“ Hofmaier sieht es auf den ersten Blick: „Das ist Volkskunstmalerei“, murmelt der stets Hosenträger tragende Trödler aus Regensburg wertschätzend. „Ganz schön teure Volkskunst“, ergänzt Susanne Steiger, Schmuckexpertin mit Läden in Kerpen und Bornheim, die mit ihrem Tablet flugs nach dem Maler gegoogelt hat. Die Händler des ZDF-Quotenbringers „Bares für Rares“ urteilen über ein Werk, das ein eng mit Lohr verbundener Künstler gemalt hat: Matthäus Schiestl.
Roman Kaletka hat es mit in das Walzwerk nach Pulheim gebracht. Bei dem 63-jährigen Berufskraftfahrer hat es gefunkt, als er das Bild bei seinem Nachbarn sah: Er kannte es schon aus einem Religionsbuch, erzählt er dem Moderator Horst Lichter in der Sendung, die am 29. März ausgestrahlt wurde. Deshalb habe er es seinem Nachbarn vor 20 Jahren für 50 Mark abgekauft.
Legende aus dem 11. Jahrhundert
Experte Albert Maier ist sofort im Bilde. Bevor er auf das Gemälde eingeht, erzählt er erst einmal, was es darstellt: Die Legende der „bayerischen Lokalheiligen“ St. Edigna, die Ende des 11. Jahrhunderts in Puch bei Fürstenfeldbruck als Einsiedlerin in einem ausgehöhlten Stamm einer alten Linde gelebt haben soll. Die Nonne soll auf einem Ochsenkarren an einer Dorfkirche und einer alten Linde vorbeigefahren sein. Das plötzlich erklingende Glöckchen und das Krähen des Hahns interpretierte sie als Zeichen des Himmels, weswegen sie sich für das Einsiedlerleben entschied.
Die Malerei selbst sei wohl in den 1920er oder 1930er Jahren entstanden, mutmaßt der Experte. Matthäus Schiestls Arbeiten seien „etwas, ja, Spezielles“, ringt der Kunst- und Antiquitätenhändler aus Ellwangen um die passende Formulierung. Er habe sich fast ausschließlich spätmittelalterlichen Motiven verschrieben, ein bisschen auch dem Nazarener Stil, also im Stile jener Malervereinigung, die im 19. Jahrhundert die Erneuerung der christlichen Kunst anstrebte.
Begeistert von Schiestls Lasurtechnik
Aber: „Der Rahmen ist neu!“, sagt Maier mit Bestimmtheit, „sehr teuer gemacht, passt aber nicht zu dem Bild.“ Ganz toll wiederum findet er die Lasurtechnik, mit der Schiestl seinem Ölgemälde einen mittelalterlichen Touch gegeben habe. Schiestl werde gut gehandelt, sogar international. „1500 Euro sollte es schon bringen.“
Roman Kaletka strahlt. Er hat sich 1000 Euro als Schmerzgrenze gesetzt. Die Reaktion im Händlerraum ist entsprechend. Viel braucht Kaletka nicht zu erläutern. „Öl auf Holz, der Rahmen wahrscheinlich später,“ bringt es Kunsthändler Julian Schmitz-Avila aus Bamberg auf den Punkt und bietet zum Auftakt stattliche 500 Euro. „800!“, setzt Susanne Steiger sofort nach. „Die Farben sind gut, sehr stimmig.“
Unglaubliche Wertsteigerung
Das Gebot ist für Kaletka zu niedrig, das Bild für Walter „Waldi“ Lehnertz uninteressant. Der robuste Händler aus der Eifel vermittelt, stößt höhere Gebote an. Schmitz-Avila geht auf 1100, dann auf 1200. Bei 1250 Euro schließlich wird der Berufskraftfahrer weich. Das ist heute genau das 50-fache dessen, was er einst an D-Mark bezahlt hat. Das Geld wolle er in eine Urlaubsfahrt stecken, die er seiner Frau zum Geburtstag schenken will, erklärt er.
So erfreulich diese Wertsteigerung für den Berufskraftfahrer ist: Der ZDF-Beitrag, der auf YouTube eingestellt ist, muss sich auch heftige Kritik gefallen lassen – nicht etwa wegen des Gemäldes oder der Aufzeichnung, sondern wegen des doch etwas flapsigen Titels: „Ist diese Nonne für die Tonne oder des Verkäufers Wonne?“ Das könne sich nur ein Praktikant ausgedacht haben, lästert da einer und ist mit Bemerkungen dieser Art nicht der einzige, der den Kübel des Spotts darüber auskippt.