Die Tage des Radfahrervereins Bavaria 1888 Zellingen e.V. sind gezählt. In der zweiten außerordentlichen Mitgliederversammlung wurde satzungsgemäß seine Auflösung beschlossen, wofür neun der zehn anwesenden Mitglieder stimmten. Vorsitzender Hans-Paul Backmund bedauert diesen Schritt, doch er war unvermeidlich. Denn schon lange ist der Traditionsverein nicht mehr sportlich aktiv.
Das liegt vor allem am Alter der verbliebenen 38 Mitglieder, die fast alle schon länger das Rentenalter erreicht haben. Auch Feste anderer Vereine wurden seit längerem nicht mehr mit dem Rad besucht. Selbst hatte der zweitälteste Radfahrverein in Bayern 2003 noch groß sein 115-jähriges Bestehen gefeiert, samt Festzug mit geschmückten Fahrrädern.
Neben sportlichen Wettkämpfen machten Radwandern und Corso-Fahrten bei Festen früher die Radfahrvereine aus. Beim sogenannten Volksradfahren durfte jeder mitfahren, der ein Fahrrad hatte – vor über 100 Jahren war das nicht selbstverständlich. Sogar ein Gaurennen wurde von Zellingen aus organisiert, 1928 führte das von Würzburg aus über Gemünden und Lohr bis nach Marktheidenfeld.
Auch weit entfernte Ziele wie Trier wurden angefahren
Als der Verein nach dem zweiten Weltkrieg wieder zum Leben erwachte, begann das Radwandern erneut, es gab zum Beispiel Fahrten bis nach Bamberg. Erfolgreiche Kunstradfahrer und ihr Trainer Otto Bätz verhalfen in der Amtszeit des Vorsitzenden Heinz Heilmann dem Verein zu einer sportlichen Hochphase. Mit Danja Goldstein, Ida Reusch und Wolfgang Stanger stellte man ab 1955 mehrfach Bayerische Meister und Vizemeister. Erst 1990 gab der Verein dieses sportliche Standbein auf.
Danach gab es noch Rundfahrten in Zellingen, bei denen die teilnehmerstärksten Gruppen Preise bekamen. Außerden wurden Jubiläen und Feste anderer Vereine besucht, derzeit gehören noch 18 Vereine in Bayern zum Kreis Zellingen. Zu dieser Zeit war der Verein noch deutlich größer: 60 Radler aus Zellingen waren in Goldbach und 120 bei einem Fest in Unterleinach. Soweit bekannt führten die letzten Vereinsfahrten zu Festen von Vereinen in Himmelstadt und Müdesheim.
Stolze 20-Mal brach der Verein zu Gedächtnisfahrten auf, die Idee hatte der einstige Vorsitzende Ernst-Wolfgang Goldstein. Mit dem Omnibus wurden weit entfernte Ziele wie Trier, Speyer oder Oberhof im Thüringer Wald angesteuert.
Registergericht hat bereits sportliche Aktivitäten angemahnt
Seit dem 12. August 2020 ist Hans-Paul Backmund erster Vorsitzender des Verein, damals wählten ihn acht Mitglieder. Ihm bleibt nun nur noch, den Verein aufzulösen, nachdem das Registergericht und das Finanzamt bereits sportliche Aktivitäten anmahnten. Im ersten Versuch am 3. Juni kamen nicht genug Mitglieder zur außerordentlichen Mitgliederversammlung, vier Fünftel der verbliebenen 38 Personen hätten da sein müssen. Für die zweite außerordentlichen Mitgliederversammlung gibt die Satzung keine Quote vor.
Noch bleibt dem Verein eine letzte Gnadenfrist von einem Jahr: So lange haben eventuelle Gläubiger nach der Genehmigung der Beantragung beim Gericht und der Veröffentlichung im Bundesanzeiger Zeit, ihre Forderungen geltend zu machen. Mindestens so lange wird sich der Stammtisch "Freunde der Bavaria" noch jeden zweiten Mittwoch im Monat im Vereinslokal "Butterfly" treffen.
Neben dem Auflösungsbeschluss wurden Emil Wohlfart und Franz Karl Englert zu Liquidatoren bestimmt. Beschlossen wurde auch, das verbliebene Vereinsvermögen den Zellinger Kindergärten zu spenden. Daraus sollen auch Blumengrüße bezahlt werden, falls Vereinsmitglieder sterben. Die beiden Vereinsfahnen – die älteste wurde am 16. September 1889 geweiht – sind wohl ein Fall für das Gemeindearchiv. Ein historisches Hochrad des Vereins steht schon seit Jahren als Dauerleihgabe in einem Nürnberger Museum und wird diesem nun gestiftet.