Kritische Positionen zur Stadtpolitik haben die Freien Wähler (FW) bei ihrem traditionellen Heringsessen nach Aschermittwoch im Lohrer Schönbrunnen bezogen. Bei der Kreispolitik stimmte Brigitte Riedmann, FW-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und im Kreistag, die Anwesenden auf eine längere finanzielle Durststrecke ein. Riedmann kündigte an, 2026 für beide Gremien nicht mehr zu kandidieren.
Der sogenannte Markenbildungsprozess für Lohr, der rund 150.000 Euro kosten soll, wurde von einigen Anwesenden kritisch gesehen. Riedmann sagte, sie sei in dieser Angelegenheit zurückhaltend gewesen, "aber die Mehrheit im Stadtrat war dafür". Der Markenbildungsprozess komme ihm vor, "als werde eine alte Hütte mit frischer Farbe überpinselt", meinte ein Mann. Roswitha Beichler hielt das beauftragte Büro für viel zu teuer: "Wir haben in Lohr doch den Künstler Wolfgang Dehm, der kann das auch." Es gehe nicht nur um ein neues Logo, erwiderte Riedmann, sondern um die gesamte Selbstdarstellung Lohrs, etwa als Gesundheitsstadt.
Stau beim Straßenunterhalt
Ebenfalls kritisch gesehen wurde die Reaktivierung der Bahnstrecke vom Haupt- zum Stadtbahnhof. Dabei handle es sich um ein "Lieblingsprojekt des Bürgermeisters", sagte Riedmann. Allerdings sei Mario Paul in der Sache mittlerweile etwas zurückgerudert. Deutlicher wurde Roswitha Beichler: "Da kriege ich ja Lachkrämpfe." Viel wichtiger wäre es nach ihrer Ansicht, die Stadt würde sich um die Barrierefreiheit des Hauptbahnhofs kümmern, "aber die Stadt macht da null". So wollte Riedmann das nicht stehen lassen: Es gebe einen Ausbauplan der Bahn für die Bahnhöfe, deswegen habe es bereits zahlreiche Gespräche gegeben.
Das nächste "heiße Eisen" war der Skater- und Verkehrsübungsplatz am Freibad. "Wir sind uns einig, dass er sanierungsbedürftig ist", räumte Riedmann ein. Das Problem sei aber, dass das eingeschaltete Büro "kreativ" gewesen sei und das Vorhaben jetzt über 800.000 Euro kosten solle. Diese Summe sei "nicht darstellbar, das kann sich die Stadt nicht leisten". Als Kompromiss sollten nun zwei Drittel des benötigten Geldes aus Förderprogrammen und privaten Spenden stammen und die Stadt nur ein Drittel bezahlen. Sollte das nicht klappen, müsse das Projekt zusammengestrichen werden, so Riedmann.
Den Straßenunterhalt sprach Peter Amann an. Nach seiner Beobachtung "entwickelt sich die Westtangente zum Millionenprojekt". Auf der Zufahrt zum Schlossplatz fielen bereits die Pflastersteine heraus. "Da staut sich etwas auf", betonte er. "Wir haben sehr viele Straßen, die sanierungsbedürftig sind", erklärte Riedmann. Wenn die in den Haushalt eingestellten Projekte abgearbeitet werden könnten, wäre das bereits ein Fortschritt. Ob für die Priorisierung der Vorhaben ein Fachbüro eingeschaltet werden muss, bejahte die Fraktionsvorsitzende. Im städtischen Bauamt fehlten dafür die personellen Kapazitäten.
Schwierige Haushaltsaufstellung
FW-Stadträtin Petra Gryglewski verwies darauf, dass die Technik des Lohrer Freibads saniert werden muss. Die Arbeiten sollten von Oktober bis zur nächsten Saison 2026 dauern. Die Saison 2025 scheine gerettet zu sein, weil sich auf den städtischen Aufruf hin viele Freiwillige gemeldet hätten, um den Rettungsschwimmerschein zu machen.
Bis zum Neubau des Feuerwehrhauses in Rodenbach auf dem Gelände des alten Bahnhofs wird es nach Gryglewskis Einschätzung noch zwei bis drei Jahre dauern. Die Rodenbacher Wehr sei die zweitgrößte im Stadtgebiet und sehr aktiv, vor allem auch im Jugendbereich: "Da müssen wir was machen", sagte sie.
Brigitte Riedmann ist nach eigenen Angaben seit 29 Jahren im Kreistag, "aber eine so schwierige Haushaltsaufstellung habe ich noch nie erlebt". Der Main-Spessart-Kreis habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Denn der Kreis weise die zweithöchste Umlagekraft seiner Geschichte auf, dennoch reiche das Geld nicht: "Wir gehen auf eine Wahnsinnsverschuldung zu."
Die Kreisumlage von 50,4 Prozent sei die höchste der Kreisgeschichte, aber von der Kämmerei ursprünglich noch höher geplant gewesen. Nach einem Aufschrei der Kommunen sei der Haushalt noch einmal nach Einsparungen durchforstet worden. In den nächsten Jahren werde die Kreisumlage weiter steigen.
Jetzt sollen Jüngere ran
Größtes Projekt sei der Bau des neuen Zentralklinikums in Lohr, das mittlerweile auf Kosten von 220 bis 230 Millionen Euro geschätzt werde. Die Entscheidung zum Bau hielt Riedmann dennoch für "absolut richtig". Dazu kämen die Schulsanierungen in Marktheidenfeld, die Sanierung der beiden Seniorenheime, steigende Ausgaben für Soziales und Jugendhilfe sowie ein hohes Defizit beim ÖPNV, wo "alles auf den Prüfstand gestellt" werden müsse.
Riedmann kündigte an, bei der Kommunalwahl im März 2026 für Stadtrat und Kreistag nicht mehr anzutreten. Sie höre nach 30 Jahren auf. "Ich habe meinen Beitrag geleistet, jetzt sollen Jüngere ran." Sie wolle sich dann um ihre Familie kümmern.