Wäre der American-Quarter-Horse-Wallach Peps nicht im 21. Jahrhundert, sondern im 18. Jahrhundert auf die Welt gekommen, wäre sein Revier wahrscheinlich die Rothenfelser Hauptstraße gewesen: Eine Viertelmeile, also rund 400 Metern, ließen die amerikanischen Farmer ihre kräftigen und schnellen Arbeitspferde sonntags zum Spaß gegeneinander auf der Hauptstraße antreten, nachdem sie die Familie mit der Kutsche zur Kirche gezogen hatten.
Die Viertel-Meilen-Rennen nach der Kirche gibt es heute nicht mehr – die Pferderasse American Quarter Horse, die im Namen an sie erinnert, ist hingegen mittlerweile mit 4,6 Millionen registrierten Tieren die am weitesten verbreitete Pferderasse der Welt.
Peps, der fuchsfarbene Wallach, lebt seit 2008 er bei Andrea Rausch-Giesecke und ihrem Mann Stefan Giesecke in Bergrothenfels. Seit 2001 hat das Ehepaar hier einen Reitstall inklusive Reitplatz. Seit sieben Jahren besuchen beide regelmäßig Westernreitturniere, wie eine lange Reihe von Schleifen in der Boxengasse bezeugt. Neu ist: Seit Mitte August ziert das Ende der Schleifenreihe eine Schärpe. Auf der Europameisterschaft der American Quarter Horse in Kreuth hat Stefan Giesecke mit Peps in der Disziplin „Ranch Pleasure“ der Amateure Bronze gewonnen.
„Bei dieser Disziplin geht es darum, ein möglichst gelassenes Pferd, geeignet für den Arbeitsbetrieb auf der Farm oder Ranch vorzustellen“, erklärt Stefan Giesecke. Also ließ er Peps – der in seinen Papieren eigentlich Funny Little BH heißt – in der Kreuther Prüfung Schritt, Trab und Galopp zeigen, aber auch diverse Manöver wie Stopps, Drehungen, Stangenarbeit oder Galoppwechsel demonstrieren. Das gelang beiden so gut, dass Stefan Giesecke zunächst unter den acht Finalisten landete, zum Schluss mit Bronze nach Hause kam. Und das, obwohl er in der Disziplin zum ersten Mal antrat – und vorher auch nur dreimal geübt hatte, wie er leise verrät.
Fast jedes zweite Wochenende ist das Ehepaar Giesecke in den Sommermonaten in Sachen Westernreitsport unterwegs, teilweise bis zu zehn Tagen. Dass damit fast ihr gesamter Jahresurlaub draufgeht, nehmen sie in Kauf. „Das Westernreiten ist für uns mehr Lebensweise als Hobby“, sagt Stefan Giesecke. Weil es in der Region kaum Westernturniere gibt, nehmen sie auch die Anreise von durchschnittlich 200 Kilometern hin. Kreuth in der Oberpfalz ist eines der weitesten Ziele, doch als großes Pferdeleistungszentrum mit interessanten Veranstaltungen eine unverzichtbare Anlaufstelle.
Zum Reiten gekommen sind die Gieseckes unterschiedlich: Sitzt Andrea Rausch-Giesecke schon seit ihrer Kindheit auf dem Pferd, reitet ihr Mann Stefan seit ihrer gemeinsamen Hochzeitsreise. Zum Westernreiten kamen beide vor rund neun Jahren. „Viele verbinden mit Westernreiten Dinge wie Freiheit und Abenteuer. Aber es gehört auch eine gute Grundausbildung der Pferde dazu“, erklärt Stefan Giesecke. Dabei lernen die Pferde andere Dinge als zum Beispiel bei der Dressurausbildung. „Die Pferde sind für den Arbeitsbetrieb auf der Farm gedacht, müssen also bequem, willig und leichtrittig sein. Aber auch so schnell und wendig, dass sie einer Kuh den Weg abschneiden können“, so Giesecke.
Das spiegelt sich auch in den Prüfungen auf den Turnieren wider. Neben der Disziplin „Pleasure“ startet das Ehepaar Giesecke mit Peps in der Kategorie „Horsemanship“, in der das Pferd in aller Ruhe mit kurzen Manövern vorgestellt werden soll. „Hier wird der Reiter bewertet, der seine Hilfen möglichst exakt und von außen unsichtbar geben soll“, erklärt Andrea Rausch-Giesecke. Im Trail, einer weiteren Spezial-Disziplin von Peps, muss der Reiter zum Beispiel per Pferd ein Tor öffnen, durchreiten und schließen, eine Brücke überqueren oder sich durch Boden-Stangen zirkeln. „Darin ist Peps fast schon Professor“, berichtet seine Reiterin.
Mittlerweile sind die Gieseckes sehr froh über ihren Quarter-Horse-Wallach, der ursprünglich nur zur Überbrückung bei ihnen eingestellt war. „Wir hatten ihn zunächst als Kinder- und Ausreitpferd eingesetzt. Als er dann wieder gehen sollte, haben uns die Kinder und auch ihre Eltern so intensiv bearbeitet, ihn dazubehalten, dass wir es schließlich gemacht haben“, berichtet Andrea Rausch-Giesecke. Mit Erfolg: In vielen Trainingsstunden entfaltete Peps sein Potenzial – Geduld, Lernwille und Gelassenheit. Oder wie Andrea Rausch-Giesecke beschreibt: „Peps ist einfach 'ne coole Socke.“
Auch auf Turnieren – allerdings ist er hier nur für den Teil der Prüfungen einsetzbar, in dem kompakte, muskuläre und geschickte Pferde den Vorteil haben. Für die galanten Prüfungen, in denen es auf lange Beine und tragende Bewegungen ankommt, haben die Giesecke noch ein Nachwuchspferd im Stall. Die einjährige Quarter-Horse-Stute Lotta hat Peps bereits jetzt größenmäßig eingeholt.