Es gibt vielleicht keine Regeln dafür, wie man gute Songtexte schreibt, aber eines ist klar – man muss ein Gespür für Texte besitzen, um das Publikum emotional zu berühren. Wolfgang Weismantel kennt die Macht und die Magie von Worten. Nach 36 Jahren als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Lohrer Gymnasium ging er 2015 in den verdienten Ruhestand. Doch Stillstand kennt er nicht. Seit 2014 arbeitet er als Songschreiber für und mit Reinhold Beckmann. Ja, für den Beckmann: TV-Moderator, Journalist, Fußballkommentator und Gründer von "Reinhold Beckmann & Band".
Wer den Namen Wolfgang Weismantel im Songbook zum Musikalbum "Freispiel" finden will, muss genau hinschauen. Doch aus der Zusammenarbeit macht er sowieso keine große Sache. Er arbeitet gerne im Hintergrund. Dabei hat er an zehn von zwölf Songs auf der aktuellen CD "Freispiel" intensiv mitgearbeitet, seine Ideen und Fähigkeiten als poetischer Texter eingebracht. Er ist 67, aber sein typischer jugendlicher Charme findet sich den Songs wieder. Er harmoniert perfekt mit Reinhold Beckmann (63). Da haben sich zwei gefunden, die können gut zusammenarbeiten.
Seit 20 Jahren befreundet
Kennengelernt haben sie sich vor 20 Jahren in Köln durch einen ehemaligen Mitschüler von Wolfgang Weismantel. Und sie kamen schnell ins Gespräch – über Literatur, das Leben und Beckmanns Arbeit. "Journalismus hat mich schon immer interessiert", sagt Weismantel. "So fing alles an." Die ersten gemeinsamen Texte fanden sich 2014 auf Beckmanns erster musikalischer Veröffentlichung "bei allem sowieso vielleicht".
Doch wie verläuft eine Zusammenarbeit, wenn der eine in Hamburg lebt und der andere in Lohr? Dazwischen liegen immerhin fünfhundert Kilometer. Das geht nur über einen regen und permanenten Austausch über Telefon, E-Mail und persönliche Treffen – auch schon mal in Lohr. Beide sind leidenschaftliche Radfahrer. Auch dabei sprudeln Ideen, Worte, Satzfetzen.
Unabhängig voneinander erzählen sie: "Da ist manchmal lange nur eine Zeile und erst später wird ein Song daraus." Manchmal aber bewegt sich Beckmann auch in Klangwelten, für die er und Weismantel dann die passenden Worte finden müssen. Bis Musik und Text im besten Fall nicht mehr voneinander zu trennen sind.
Lässig, unbefangen und zwanglos kommen die Lieder daher. Nachdenklich, tiefgründig und selbstironisch ist der Grundton. Auf die Frage, welche Themen ihn bewegen, antwortet Reinhold Beckmann: "Bruchstellen und Stolpersteine im Leben, kuriose Momente im Alltag, gesellschaftliche Themen, auch mal persönliche Rückschau. Ich bin ein Geschichtenerzähler." Das klingt genauso wie Wolfgang Weismantel es erzählt. Und wieder wird klar: Die beiden sind ein Team.
Tiefgründige Leichtigkeit und Poesie
Viel Vorarbeit ist nötig, um Songs zu schreiben, die das Publikum mitnehmen. Die Texte entstehen nicht im stillen Kämmerlein. Sie werden nicht einfach so auf das weiße Papier geworfen. Die beiden beleuchten und diskutieren jedes Thema von allen Seiten, erklärt Weismantel. So greift der Song "Wohin in dieser Welt" das Foto des toten Flüchtlingsjungen am Strand von Bodrum auf, das um die Welt ging. Wie lässt sich diese Tragik in einem Lied verarbeiten? Tiefgründige Leichtigkeit und berührende Ernsthaftigkeit prägen den Text und genau das ist das Markenzeichen von Beckmann und Weismantel. Sie blicken forschend, nachdenklich und durchaus kritisch auf die Welt.

Ihre Geschichten erzählen sie mit poetischen, oft stillen Wortgesten, zerbrechlichen Zeilen. Und sind dabei immer dicht am Leben. Das kann nur gelingen, wenn man sich für Menschen interessiert, über das Absurde im Alltag auch mal lachen kann, das Abgründige nicht verschweigt. Dann lächelt schon mal ein "iPhone kühl zurück" oder "die Apokalypse kann uns mal".
Und wie beschreibt Beckmann Wolfgang Weismantel? Er schätzt an ihm, dass er lakonisch und lässig die Dinge auf den Punkt bringt. "Und wenn es schwierig wird, findet er immer einen tröstenden Spruch."
Doch was wären die Texte ohne die Musik? Beckmann lebt sie und Weismantel kann nicht ohne sie. Sie spielt in seinem Alltag eine wichtige Rolle. "Ich bin ein auditiver Typ", meint er. Beide bekennen sich ausdrücklich zur Tradition der Singer-Songwriter. Und so ist im Zusammenspiel von Musik und Texten ein Musikalbum entstanden, das sich nicht nur zwischen Folk, Country-(Pop) und Rock – in einem Bogen von berührenden Balladen bis zu zu kraftvollen Gitarrenriffs – bewegt, sondern vor allem mit Worten arbeitet, bei denen man nicht weghören will.
Am 22. März tritt Reinhold Beckmann zusammen mit seinem Gitarristen Johannes Wennrich in Würzburg auf. Weismantel wird dabei sein - natürlich undercover. Er kann die Songs immer wieder hören, denn: "Jeder Liveauftritt von Reinhold Beckmann ist anders und immer wieder überraschend."
Zur Person: Wolfgang Weismantel Geboren wurde Weismantel am 13. Juni 1951 in Geisa im Wartburgkreis in der Rhön. Anfang der 60er Jahre kam er aus der DDR nach Lohr und besuchte das Gymnasium. Sein Vater, Dr. Wilhelm Weismantel, war Arzt und hatte seine Praxis in der unteren Brückenstraße. Nach dem Abitur 1971 studierte Wolfgang Weismantel in Würzburg und Freiburg Germanistik, Geschichte und Soziologie für das Lehramt. Gleich nach dem Referendariat in München und Würzburg wechselte er 1979 ans Lohrer Gymnasium, wo er bis zu seiner Pensionierung 2015 Deutsch, Geschichte und Sozialkunde unterrichtete. Er ist Mitbegründer der Lohrer Kulturinitiative, ist journalistisch tätig und unterrichtet an der VHS Lohr Deutsch für Ausländer.
