Schenkt man dem Pressesprecher der Telekom Deutschland Glauben, so ist „die Mehrheit der Menschen“ für Mobilfunk. Ein Funkloch oder eine schwache Verbindung mit dem Handy treibe Leute von heute stärker an als die Skepsis gegenüber Funkstrahlen. Widerstand gegen Mobilfunkmasten rege sich deutlich seltener als noch vor zehn Jahren, so Markus Jodl.
Was derzeit in Lohr passiere, sei eher die Ausnahme. Hier nämlich treten die Grünen auf die Bremse und fordern ein „immissionsminimiertes Mobilfunkkonzept“ für die Stadt. Zudem haben sich Anlieger zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen. Die FunkturmAlternative Lohr (Futura) hat am Samstag eine Online-Petition gleichen Inhalts gestartet.
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Wie berichtet, plant die Deutsche Funkturm GmbH, eine hundertprozentige Telekom-Tochter, Mobilfunkmasten bei Sendelbach und Sackenbach. In beiden Stadtteilen sorgt dies für Unruhe bei den Anliegern. Die Sackenbacher haben den Schützenverein in einem offenen Brief gebeten, seine Entscheidung zu überdenken. Auf dessen Grundstück nämlich soll der Mast stehen.
„Es ist zu befürchten, dass es zu einem Wildwuchs von Sendeanlagen in Lohr kommen wird“
Tilman Littan für die Bürgerinitiative AlternativeFunkturm Lohr
Schräg über die Maria-Theresien-Straße hinweg wohnt Oliver Scheb mit seiner Familie. Er ist es, der die Petition ins Netz gestellt hat. 210 Unterstützer wies diese am Mittwochvormittag aus, davon 62 aus Lohr. Damit seien 15 Prozent des Quorums (420 Unterstützer) erreicht, weist die Internetplattform aus.
Doch welches Quorums? Für Deutschland gilt das Grundgesetz, für Bayern die Bayerische Verfassung, für Kommunen die Gemeindeordnung. Und die sieht eine förmliche Petition gar nicht vor und auch kein Quorum wie bei einem Bürgerbegehren. Vielmehr behandeln die kommunalen Gremien ein solches Anliegen, hier Petition genannt, als „Eingabe“ oder „Beschwerde“.
So gesehen ist es formell vollkommen unerheblich, von wie vielen Bürgern dies getragen wird. Die Petition hat allenfalls die Funktion einer Unterschriftenliste – mit dem großen Vorteil, dass das Anliegen über die sozialen Netzwerke sehr schnell weiterverbreitet werden.
Die Verwaltung befasse sich mit jeder Eingabe oder Beschwerde. Und in jedem Fall habe der Bürger ein Recht auf Antwort. So formuliert Lohrs Hauptamtsleiter Dieter Daus den üblichen Umgang.
Im konkreten Fall allerdings ist die Reaktion schon vorgegeben: Der inhaltlich deckungsgleiche Antrag, den die Bündnisgrünen Anfang April stellten, werde in der Aussschusssitzung am 11. Mai behandelt, teilte Daus auf Anfrage der Main-Post mit. Bürgermeister Mario Paul, getragen von den Bündnisgrünen und der SPD, nehme die Anliegen der Anlieger, also auch diese Petition sehr ernst.
Gleichwohl scheinen sich die Stadträte in Sachen Mobilfunk bislang ziemlich einig gewesen zu sein: Die Entscheidung für den Pachtvertrag mit der Funkturm GmbH habe der Haupt-, Finanz- und Bauausschuss am 28. September (in nichtöffentlicher Sitzung) einstimmig befürwortet, teilte Daus auf Anfrage mit. Einstimmig war auch eine Abstimmung des Stadtrat im November 2013 gewesen: Damals sprach er sich nämlich mit 23:0 Stimmen dafür aus, dass die Funkturm GmbH den alten Fernsehmasten in Pflochsbach für Mobilfunk nutzt.
Sackenbacher wie Sendelbacher wollen nicht nur erreichen, dass neue Sendemasten mindestens 200 Meter von der Wohnbebauung abrücken (der derzeitigen Planung nach ist es hie nur ein Steinwurf und da grade mal 50 Meter). Darüber hinaus fordert die Bürgerinitiative Futura auch ein Konzept, wie aus einer Pressemitteilung von Tilman Littan und Marco Scherg hervorgeht.
Bis zu neun neue Sendemasten wolle die Telekom in Lohr errichten, hat die Bürgerinitiative in Erfahrung gebracht. Telekom-Sprecher Jodl präzisierte auf Anfrage der Redaktion: Zu den bestehenden vier Funkstellen – in Pflochsbach und Wombach, auf dem Beilstein und dem ehemaligen Postgelände – sollten vier weitere kommen. Dies habe das Unternehmen vor drei Jahren angekündigt. Eine davon wurde inzwischen realisiert: in der Friedensstraße. Damit sei der überlastete Funkmast auf dem Beilstein schon spürbar entlastet worden, so Jodl.
Sendelbach und Sackenbach sollen nun die Sendemasten Nummer sechs und sieben werden. Den letzten Standort zur Verdichtung des Netzes sucht die Telekom im Bereich des Bezirkskrankenhauses.
Die Bürgerinitiative erwartet jedoch, dass auch andere Mobilfunkanbieter „ihr Angebot verbessern und eine ähnliche Anzahl von Sendeanlagen montieren“ werden. Da die Masten nicht genehmigungspflichtig seien, sei zu befürchten, „dass es zu einem Wildwuchs von Sendeanlagen in Lohr kommen wird.“ Es könne also jeden in Lohr treffen. Zudem soll erst geprüft werden, ob bestehende Masten verwendet werden können, bevor man neue errichte.
„Die Zukunft des Internets ist im hohem Maße mobil“
Markus Jodl Telekom-Pressesprecher
Die Forderung nach einem Mindestabstand begründet die Bürgerinitiative hauptsächlich damit, dass der Umfang der gesundheitlichen Auswirkungen durch Strahlen „bis zum heutigen Tage nicht abschließend untersucht“ sei.
Zwar betonte Telekom-Sprecher Jodl im März, die Strahlung von den geplanten Masten aus die zulässigen Grenzwerte deutlich unterschreiten werden. Dem hält die Initiative Erfahrungen andernorts entgegen: Demnach würden „zuvor angegebene Messwerte mit der späteren tatsächlichen elektromagnetischen Strahlung nicht übereinstimmen.“ Einer der Unterstützer aus Lohr bringt es auf den Punkt: „Funktürme gehören nicht in Wohngebiete.“
Doch gerade dort, wo viele Menschen sind, sind auch leistungsfähige Verbindungen gefragt. Je mehr gleichzeitig das Netz beanspruchen, desto mehr bremsen sie sich gegenseitig aus. „Die Zukunft des Internets ist im hohem Maße mobil“, meint Jodl und nennt Schlagworte wie selbstfahrende Autos oder „Industrie 4.0“, die Verzahnung der industriellen Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik.
Dafür gelte es die nötige Infrastruktur zu schaffen, so Jodl weiter. „Es ist wichtig für eine Stadt, da dabei zu sein.“ Wie bedeutsam das heute schon ist, verdeutlichte der Telekom-Sprecher anhand von Zahlen: Demnach führen allein die Telekom-Kunden in Lohr pro Tag 30 000 Gespräche mit ihrem Mobiltelefon – die Kunden der Mitbewerber Vodafone, E-Plus und O2 nicht mitgerechnet. Dabei würde – pro Tag – eine Datenmenge von 280 Gigabyte übermittelt. Dies entspreche in etwa dem Inhalt von 130 000 Büchern . . .