Über Stadt und Burg Rothenfels während der NS-Zeit ist bislang wenig bekannt. Winfried Mogge will das ändern. Der Historiker und Germanist hat am Dienstag einen "ersten Werkstattbericht" über seine Forschungen vor rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörern in der Alten Turnhalle in Lohr abgeliefert.
Seit seinen Jugendtagen sei er ständig in Rothenfels gewesen, erzählte Mogge in einer Gemeinschaftsveranstaltung des Geschichts- und Museumsvereins Lohr und der Volkshochschule Lohr-Gemünden. Dann habe es ihn und seine Frau "quer durch die Republik verschlagen". Seit einigen Monaten wohnten sie jetzt in Lohr, "es ist wie eine Heimkehr".
Zeitzeugen gibt es laut Mogge kaum noch, er habe sich vor allem an schriftliche Quellen gehalten. Die Quellenlage sei für die Burg gut, für die Stadt sehr lückenhaft. Er hofft, noch an Bilder, Tagebücher und Aufzeichnungen in Privatbesitz heranzukommen, die weiteren Aufschluss über die damaligen Geschehnisse geben.
Ein erster "Werkstattbericht" ist fertig
Was er aktuell abliefern könne, sei ein "erster Werkstattbericht". In zwei oder drei Jahren könnte daraus "etwas Nachlesbares werden". Die Burg Rothenfels wurde nach seinen Angaben 1919 vom Verein der Quickborn-Freunde dem Fürsten Löwenstein für 70.000 Mark abgekauft. Quickborn ist der Name einer katholischen Jugendbewegung.
1933 benannte sich der Trägerverein in Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels um. Ihr gehört das Bauwerk noch heute. Nach Mogges Angaben zählt sie rund 1200 Mitglieder in ganz Deutschland.
Nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurden Stadt und Burg ein immer größeres Ärgernis in den Augen des Regimes. "Stärksten Widerstand fand die NSDAP in den traditionellen katholischen ländlichen Gebieten", so der Historiker. Das habe auch für Stadt und Burg gegolten, die als "schwarzes Nest" eingestuft worden seien.
Räte wurden am Amtsantritt gehindert
Stadtrat und der Gemeinderat des damals selbstständigen Bergrothenfels konnten "gleichgeschaltet" werden, indem Räte der SPD und der katholischen Bayerischen Volkspartei (BVP) am Amtsantritt gehindert wurden. Allerdings hatte die NSDAP nicht genügend Leute, um hier und andernorts die Lücken zu füllen, so dass sich die NS-Kreisleitung noch 1940 über "Rumpf-Gemeinderäte" beschwerte.
Ungleich schwerer taten sich die Machthaber bei der Burg. Denn einer der größten Prestigeerfolge des Regimes war das Konkordat zwischen dem Reich und dem Vatikan. Dieses beinhaltete einen Bestandsschutz für katholische Verbände.
Einfach so verbieten konnte man den Trägerverein also nicht. Deshalb machte man ihm das Leben schwer. Ab Mai 1933 war die Burg für eineinhalb Jahre das Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes, später Reichsarbeitsdienstes, der die Staustufe Rothenfels baute.
Trägerverein wurde als "staatsfeindliche Organisation" verboten
Die Tagungs- und Vortragsarbeit des Trägervereins ging in reduzierter Form weiter. Die Burg diente als Schullandheim, für Treffen der Caritas, katholische Exerzitien und Pfingsttreffen zu religiösen Themen. Geistlicher Burgleiter war von 1927 bis 1939 der bekannte Theologe Romano Guardini.
Nach den Worten Mogges war die Burg "für katholische und evangelische Christen ein noch freigegebener Treffpunkt". Allerdings mussten alle Veranstaltungen angemeldet werden und wurden durch Polizei, Geheime Staatspolizei (Gestapo) und interne Denunzianten überwacht. 1939 fühlte sich das Regime stark genug, um den Trägerverein als "staatsfeindliche Organisation" zu verbieten. Wenige Tage danach, am 7. August 1939, fuhr ein Lastwagen im Burghof vor.
Ein Dutzend Polizisten in Zivil besetzten die Burgverwaltung und beschlagnahmten das Archiv. Mogge bestätigte eine Wortmeldung von Leonhard Scherg (Marktheidenfeld), dass wohl ein Teil der Akten nach Warnungen zuvor beiseitegeschafft worden war. Allerdings habe die Gestapo bereits seit längerem eine Mitgliederliste besessen.
Der Staat beschlagnahmte die Burg und übergab sie 1941 an die bayerische Schlösserverwaltung. Während des Zweiten Weltkriegs war sie unter anderem Unterkunft für sogenannte Volksdeutsche aus Bessarabien, der Dobrudscha und Ungarn, die im besetzten Polen angesiedelt werden sollten. Am 2. April 1945 wurde sie von der US-Armee besetzt.
Von Kriegsschäden blieb die Burg verschont. Der bayerische Staat nutzte sie nach Kriegsende als Lager für Flüchtlinge aus dem Osten. 1948 wurden die Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels wieder ins Vereinsregister eingetragen und die Burg teilweise freigegeben. 1950 wurde die Burg offiziell an die Vereinigung zurückgegeben. Die vollständige Übergabe erfolgte erst 1952.