Gemünden (hn) Vergeblich werden aufmerksame Beobachter der Grund- und Mittelschulen im Landkreis Main-Spessart in Zukunft das auffällige rote Audi-Coupé suchen. Schulamtsdirektorin Charlotte Renner, Fahrerin des flotten Flitzers, wird nicht mehr zur Schulaufsicht kommen, weil sie mit dem Jahresende in die Freistellungsphase ihres Berufslebens tritt.
"Gerade, klare Menschen, sind ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat, ham` wir schon zu viel …" Diese Zeilen aus einem Lied von Bettina Wegener aus dem Jahr 1978, nannte Charlotte Renner in ihrer Abschiedsrede als einen Wegweiser für ihre berufliche Aufgabe. Sie wollte immer Menschen auf ihrem Weg zu deren Ziel begleiten, ihnen Mut machen, selbstverantwortlich ein überwiegend freies Leben zu führen - mit dem entsprechenden Rückgrat. "Für dieses Ziel zu kämpfen lohnt sich für mich bis heute - und dafür - liebe ich meinen Beruf", erklärte die Vollblutpädagogin.
Deshalb fällt ihr das Abschiednehmen schwer, obwohl sie sich auch gleichzeitig auf die neu gewonnene Freiheit freue. Die Mittelschule Gemünden, in der Aula ihre Verabschiedung stattfand, bezeichnete sie als "meine berufliche Heimat", in der sie elf Jahre als Lehrerin wirken durfte. Zusammen mit den 14 Jahren, die sie als Schulrätin auch für diese Schule zuständig war, waren dies 25 Jahre Verbundenheit, "fast wie eine berufliche Silberhochzeit".
"Der ist reich, dem das Leben die Abschiede schwer macht". Mit diesem Ausspruch des Lyrikers Grünewald dankte sie allen, die mitgeholfen haben, dass es auch ihr schwer fällt, Abschied vom aktiven Berufsleben zu nehmen. Mit Worten von Sören Kierkegaard überschrieb Charlotte Renner die Umbruchszeit in den neuen Lebensabschnitt: "Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts".
Dass Charlotte Renner in der unterfränkischen Schullandschaft unter darüber hinaus eine Größe war, zeigte sich daran, dass neben Vertretern der Regierung von Unterfranken und aus dem Öffentlichen Leben auch Vertreter von Schulämtern aus neun Landkreisen Unterfrankens und sogar aus Bayreuth zu ihrer Verabschiedung gekommen waren. Emotional beleuchtete sie in ihrem Rückblick die einzelnen Phasen ihres Berufslebens mit Schwerpunkt auf die Zeit im Schulamt Main-Spessart und den vielen Fortbildungsmaßnahmen im Freistaat. Dabei besonders in ihr Herz geschlossen hat sie nach ihren Worten die 45 Mitglieder "meiner Fortbildungsfamilie". Etwa 1200 Fortbildungen mit rund 17000 Teilnehmern hat sie durchgeführt.
Als wohl schönstes Erlebnis in ihrer Karriere wertete Renner das Abschiedsgeschenk eines Schülers, der "verhaltenskreativ und sehr schwach in Mathematik" war. Nach zwei Schuljahren schaffte man es, ihn auf die Note vier zu bringen worauf ihr der Schüler etwas Selbstgebasteltes mit der Aufschrift: "Das Herz mit dem Durchblick" schenkte. Zu den traurigsten Momenten zählte sie den tragischen Tod von zwei Kolleginnen sowie den Amoklauf eines Vaters. Schulkinder und Eltern mussten über den Tod informiert und Trauerarbeit geleistet werden.
Abschließend gab die scheidende Schulamtsdirektorin einen für sie unvergesslichen Satz des ehemaligen Eußenheimer Bürgermeisters Herbert Schneider, den Anwesenden mit auf den Weg: "Jeder ist ersetzbar - nur durch eines nicht - durch sein Wesen". Und den noch beruflich Aktiven schrieb sie ins Tagebuch: "Wir sind Pädagogen, unsere Heimat ist die Schule, unser oberster Dienstherr sind letztendlich die Schülerinnen und Schüler".
GEMÜNDEN