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URSPRINGEN: Chemie-Sonderposten für alle Welt

URSPRINGEN

Chemie-Sonderposten für alle Welt

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    Sie handeln mit Chemikalien: Dr. Petra Kraft-Klaunzer und ihr Mann Dr. Norman Klaunzer, Geschäftsführer der Firma C-LAB Chemievermittlung in Urspringen.
    Sie handeln mit Chemikalien: Dr. Petra Kraft-Klaunzer und ihr Mann Dr. Norman Klaunzer, Geschäftsführer der Firma C-LAB Chemievermittlung in Urspringen. Foto: Foto: Eva Juan

    Sie heißen Ascorbinsäure, Calcium Cyclamat oder Hydrazinhydrat – Stoffe, deren Bezeichnungen dem Laien nur schwer über die Lippen gehen. Für Petra Kraft-Klaunzer und Norman Klaunzer aber sind sie ganz normal, gehören sie zum Alltag: Die beiden promovierten Chemiker sind Geschäftsführer einer exotischen Firma, die man auf der Fränkischen Platte nicht vermuten würde: Die „C-LAB Chemievermittlung“ handelt mit dem, was andere nicht mehr brauchen können, mit Restposten von Chemikalien. „Die Alternative für die Firmen wäre Vernichtung“, erklärt Petra Kraft-Klaunzer. „Aber zu 90 Prozent ist die Ware noch einwandfrei.“

    Die Chemikalien kommen hauptsächlich aus großen deutschen Chemiefirmen. „Jeder hat solche Sonderposten auf Lager“, macht die 54-jährige deutlich. Das Ehepaar kauft diese überschüssige Ware, um sie dann weiterzuverkaufen. Doch selbst wenn die Stoffe tonnenweise verschoben werden: Die Urspringer Bürger bekommen davon in der Regel überhaupt nichts mit.

    Kraft-Klaunzer verdeutlicht das Geschäftsmodell an einem Beispiel: Eine Chemiefirma bietet dem Ehepaar etwa einen Tanklastwagen Methanol an. Die beiden Chemiker suchen dann aus ihrer Datei einen geeigneten Kunden aus und machen diesem ein Angebot. Dann wird gefeilscht. Sobald sich die beiden einig geworden sind, schickt das Urspringer Paar einen Spediteur zur Chemiefirma, der die Ware zum Kunden bringt. „Wir versuchen den Aufwand für den Abgeber gering zu halten“, erklärt die 54-Jährige einen Teil ihrer Firmenphilosophie.

    „Es hat uns gereizt, weil es abwechslungsreich und international ist.“

    Petra Kraft–Klaunzer Chemikerin

    Kraft-Klaunzer stammt aus Stadelhofen und machte 1979 in Karlstadt ihr Abitur – im selben Jahr wie ihr Mann Norman im mittelfränkischen Scheinfeld. Kennengelernt haben sich die beiden als Chemie-Studenten in Würzburg. Nachdem beide ihre Doktorarbeiten abgeschlossen hatten, zog es das Paar 1990 erst einmal nach Australien, wo es ein Jahr lang an der Universität in Canberra Pflanzenhormone erforschte. „Man macht das halt, um zu hören, wie die Uhren in anderen Ländern ticken“, erklärt die 54-Jährige.

    Danach verschlug es die beiden Chemiker nach Leverkusen. Klaunzer arbeitete bei der Firma Agfa, die über Jahrzehnte einer der größten europäischen Hersteller von fotografischen Filmen war, seine Frau im Pharma-Marketing. Dabei betreute sie Ärzte, die kurz vor der Eröffnung ihrer eigenen Praxis stehen. Außerdem übersetzte sie nebenbei für große Firmen technische Anleitungen vom Japanischen ins Deutsche – die Sprachkenntnisse hatte sie parallel zu ihrem Chemie-Studium in Würzburg erworben.

    Diese Arbeit behielt sie auch bei, als sie zehn Jahre später nach Heidelberg zogen, fast 300 Kilometer südlich gelegen. Klaunzer arbeitete dort für das Unternehmen der chemischen Industrie Jungbunzlauer.

    Wiederum drei Jahre später zog es das Paar dann aber zurück in heimatliche Gefilde. Die beiden Chemiker wollten sich selbstständig machen, ihr Fachwissen und ihre vielfältigen Kontakte nutzen, stießen bei Unternehmensbörsen auf die Firma Chemievermittlung und übernahmen sie. „Es hat uns deswegen gereizt, weil es abwechslungsreich und international ist“, erinnert sich die Chemikerin.

    Zunächst verlegen sie den Firmensitz von München nach Retzstadt, von dort dann nach Billingshausen, wo sie jeweils in Miete wohnen. Schließlich ließen sie sich noch in Urspringen nieder, wo sie sich ein stattliches Eigenheim mit Schwimmteich gebaut haben.

    Jetzt profitieren sie von ihren vielen internationalen Kontakten. Denn viele ihrer Kunden sitzen in Indien und China. Aber auch Deutsche und osteuropäische Händler zählen zu den Kunden der beiden Urspringer.

    Die Lieferanten und ihren Kundenstamm pflegen die beiden Chemievermittler dreimal jährlich auf Messen. Im vergangen Jahr hatten sie sogar einen eigenen Stand auf der „Chemspec“ in Budapest.

    Ein Tanklastwagen voller Methanol, das ist von der Menge her eher die Ausnahme. Die meisten Chargen bewegen sich zwischen 500 Kilogramm und sieben Tonnen, führt Norman Klaunzer aus. Die wertvollste Fracht war bisher D-Oxyphen, das in der Pharmaindustrie verwendet wird. Von dieser Chemikalie, die als Neuware auf dem Markt mit rund 70 US-Dollar pro Kilogramm gehandelt wird, vermittelten die beiden Neu-Urspringer 20 Tonnen aus den USA nach Indien.

    Dass sie auch beruflich miteinander können, stellten die beiden schon in Australien fest. Schon damals hätten sie gemerkt, „dass wir uns nicht auf den Wecker gehen, wenn wir 24 Stunden zusammenhocken“, erinnert sich Kraft-Klaunzer. Daran scheint sich bis heute nichts geändert zu haben: Die Chemie zwischen den beiden stimmt nach wie vor – auch ohne Kinder. Dafür haben sie ja Verwandtschaft in unmittelbarer Umgebung.

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