Wer hierzulande wo jagen darf oder muss, regeln die Jagdgesetze von Bund und Freistaat. Sie kennen nicht nur das Jagdrecht, sondern auch die Pflicht zur Jagd, um Wildbestände durch Abschuss zu regulieren und Schaden für Land- und Forstwirtschaft zu vermeiden. Daran hatten sich die Landratsämter in Würzburg und Karlstadt sowie die Regierung von Unterfranken orientiert, als sie Anträge ablehnten, die Jagd in zwei Eigenjagdrevieren bei Gut Greußenheim (Lkr. Würzburg) und Triefenstein (Lkr. Main-Spessart) für zehn Jahre ruhen zu lassen. Daraufhin hatten sowohl juristische (GmbH & Co KGs) als auch natürliche Personen geklagt.
Letztere sind Anhänger von UL-Prophetin Gabriele Wittek - wie die überwiegende Mehrheit der rund 100 Zuhörer im Saal. Sie bezeichnen Tiere als ihre Geschwister und beschimpfen Jäger als "Mörder" und "Lusttöter". Mit ihrer Anti-Jagd-Kampagne machen sie in zahlreichen Publikationen auf sich aufmerksam und mobilisieren Menschen für ihre - nach Meinung von Kritikern totalitäre - Gemeinschaft.
Gewissensgründe
Trotz der Polemik der vergangenen Jahre hat der Streit, der vor dem Verwaltungsgericht Würzburg ausgetragen wurde, durchaus einen ernsten rechtlichen Hintergrund. Es geht um die Frage, ob ein Grundstückseigentümer in seinem Jagdrevier die Jagd auf Wildschweine und Rehe aussetzen darf, weil er das Töten der Tiere aus weltanschaulichen Gründen nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann.
Die Rechtsfrage kann vor Gericht nicht weiter erörtert werden. Bevor man zur Sache kommt, fragt der Rechtsanwalt der Kläger, Dr. Christian Sailer, ob einer der Richter Jäger ist. Das Gericht will sich nicht äußern, Sailer reagiert mit einem Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit. Den Antrag lehnt das Gericht als "rechtsmissbräuchlich" ab, worauf Sailer triumphiert: Er wisse genau, dass der Vorsitzende der Kammer Jäger sei. Als auch ein weiterer, "formeller" Befangenheitsantrag abgelehnt wird, packt Sailer seine Sachen ein. Für ihn sei das keine ernsthafte Veranstaltung mehr, meint er. Die Entscheidung stehe offensichtlich schon fest. Sailer verlässt den Saal, seine Mandanten und die meisten UL-Anhänger folgen ihm wie auf Kommando.
Bestialisch ermordet
Draußen vor der Tür haben die Christusfreunde unterdessen eine tote Sau herbeigekarrt. Nach ihren Angaben wurde das Tier von einem Jäger im Nachbarrevier "bestialisch ermordet". Das Tier sei am Vortag durch Bauchschuss schwer verletzt worden und habe sich noch zwölf Stunden dahingeschleppt bis ins Revier von Gut Greußenheim, wo nicht geschossen wird.
Während draußen Kameras surren, Fotos klicken und Mikrofone kreisen, verhandelt die Kammer ohne Kläger - nur noch mit den Behördenvertretern. Nach längerer Beratung sind die Urteile spruchreif.
Sie fallen nicht im Sinne der Jagdgegner aus. Deren Klagen sind nach Auffassung des Gerichts unbegründet, denn die Jagdbehörden hätten zu Recht eine Gefährdung der jagdrechtlichen Zielsetzungen bejaht, einen artenreichen und gesunden Wildbestand zu erhalten. Schließlich habe sich der Gesetzgeber im Grundsatz für die Regulierung des Bestandes durch die Jagd entschieden.
Die Kammer verweist zudem auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Derzufolge ist im Jagdrecht kein Raum für die Berücksichtigung individueller Glaubens- und Gewissensüberzeugungen. Auch Inhaber von Eigenjagdrevieren könnten ihr Land nicht nach freiem Belieben entsprechend ihrer Glaubensüberzeugung nutzen. Auch sie seien zur Jagd in Form der "Hege mit der Büchse" verpflichtet.
Berufung möglich
Damit ist das Verfahren in Würzburg beendet. Das Gericht hat die Berufung zugelassen. Die Verfahrensbeteiligten sind sich gewiss, dass die Sache von weiteren Instanzen erörtert werden wird, bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.