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ARNSTEIN: Comedy schlägt politisches Kabarett

ARNSTEIN

Comedy schlägt politisches Kabarett

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    Mit perfekter Performance, frechen Sprüchen und gelungenen Wortspielen gewannen die Brüder Wilfried und Peter Podewitz die erste Vorrunde des Fränkischen Kabarettpreises in der Stadthalle von Arnstein.
    Mit perfekter Performance, frechen Sprüchen und gelungenen Wortspielen gewannen die Brüder Wilfried und Peter Podewitz die erste Vorrunde des Fränkischen Kabarettpreises in der Stadthalle von Arnstein. Foto: Foto: Günter Roth

    Diesmal ging ein Raunen durch den Saal der Arnsteiner Stadthalle, als der Moderator Oti Schmelzer das Brüderpaar Wilfried und Peter Podewitz als Sieger der ersten Vorrunde des Fränkischen Kabarettpreises verkündete. Das Publikum jedenfalls war in seiner Bewertung durchaus polarisiert, einige äußerten sogar deutlichen Unmut über die Entscheidung. Dabei waren sich diesmal die Fachjury und das Publikum durchaus einig.

    Bitterböse treffende Pointen

    Was war passiert? Als erster Bewerber hatte der letztendlich zweitplatzierte René Sydow ein Meisterstück des politischen Kabaretts gezeigt, das wohl in Arnstein bislang kaum seinesgleichen finden konnte. Bitterböse, haarscharf treffsicher, mit bis ins letzte durchdachten Pointen setzte Sydow seine Zuhörer 30 Minuten lang gewissermaßen unter Strom. Zeitweise war es so mucksmäuschenstill im Saal, dass man buchstäblich die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können.

    Die Betroffenheit des Publikums war womöglich dann doch bei der Bewertung das Problem, denn die Spitzen von der Bühne trafen ins Schwarze und taten weh, so weh dass einem das Lachen nicht mal mehr im Hals stecken bleiben konnten. Ob er über die Flüsse in China sprach, deren Farbe Aufschluss über die kommende Mode-Kollektion gibt, unseren Konsum, der das Elend in der Welt fördert oder über Goethes heute hochaktuelle Worte aus Faust II sprach, als der Dichter vor zwei Jahrhunderten „Krieg, Handel und Piraterie“ verglich.

    „Hier wehte der Geist von Dieter Hildebrandt“

    „Wirtschaft braucht Kranke“, so Sydows Behauptung. Kranke, die Wissen mit Bildung verwechseln – „Wer bewundert denn schon Leistung? Wir bewundern nur den Erfolg!“ Die kranke Jugend die über den digitalen Konsum ihre Sprache verliert und „wie der Rest der kaputten Familie Ritalin nimmt“. Erschreckend der vernichtende Schlusskommentar: „Menschen, die mit ihren Smartphones die ganze Welt fotografieren, aber nie begreifen. Selfies der verlorenen Gesichter!“ Das war wirklich die hohe Kunst des politischen Kabaretts oder mit dem Moderator Oti Schmelzer zu sprechen: „Hier wehte der Geist von Dieter Hildebrandt“. – Vielleicht aber auch zu hoch über den Köpfen des Publikums.

    Das war wahrscheinlich genau der Knackpunkt. Schließlich gewannen die Brüder Podewitz nicht unverdient. Auch sie hatten anspruchsvolle Gedanken und Texte dabei, verpackten diese aber geschickt in leichte, schmissige Situationen und lebendige Sketche und schreckten auch vor Kalauern nicht zurück. Sie thematisierten das Verhältnis von Generationen, wenn jetzt die ersten Omas mit Arschgeweih in die Seniorensauna gehen, der Opa schon wieder Eminem hört und die Kita früher als milde Form von Obdachlosenasyl galt.

    Concerto für aufgebohrten Auspuff

    Richtig pfiffig und sprachlich perfekt präsentiert war der Sketch „Baulärm ist Kultur“, in dem ein Laubbläser-Quintett aufspielte, das „Concerto für aufgebohrten Auspuff von Wolfgang Mofa“ sich präsentierte und Carl Orff auf der Bohrmaschine die „Ode an die Räude“ zu Gehör brachte. Ebenso die herrlichen, klugen Wortspiele um Nachrichtensendungen a la „Brennpunkt“. Ausschlaggebend für den Sieg des Brüderpaars war gewiss auch die perfekte Performance, mit der sie gerade zum Finale mit doppelsinnigen Verdrehungen über wirtschaftliche und medizinische Begriffe blödelten: „Wenn die Niere fürchtet, dass die Blase platzt!“

    Eine beachtenswerte Vorstellung bot auch der Drittplatzierte, der junge Mattias Engling. Erstaunlich reif, mit klugen Idee und ebenfalls im besten Stil des politischen Kabaretts machte er sich Gedanken über die Welt, „die zurzeit aussieht wie öffentliche Toiletten – beschissen!“, über gestrandete Wale in der Nordsee, die über den Grünen Punkt entsorgt werden, weil sie voller Plastik sind und über die Problematik der Demokratie, in der „jede Sau ihre eigene Meinung haben darf“.

    Kartoffelsalat geht auch ohne Thermomix

    Mit jugendlichem Charme widmete sich Engling dem „verbalen Durchfall“ der Sozialen Netzwerke und wichtigen Dingen, die analog erstaunlich einfach machbar sind: Kartoffelsalat, für den man keinen Thermomix braucht. Zum Schluss noch Sprüche zum Nachdenken: Zeit kann man nicht sparen, man muss sie nutzen – oder „Die Wahrheit ist eigentlich ein Tunwort – man muss sie tun!“ Man wird wohl in Zukunft noch einiges hören von diesem jungen Mann.

    Das Siegerduo Podewitz wird am 20. Oktober im Finale um den „Schaffer“ der Symbolfigur des Fränkischen Kabarettpreises antreten.

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