Karsbach/Sachsenheim Die Angst vor der Vogelgrippe lässt niemanden kalt: Ein Aufzuchtbetrieb in Höllrich stallt weniger Küken ein als sonst, private Hühnerhalter in Heßdorf, Weyersfeld und Sachsenheim haben die Anzahl ihrer Tiere reduziert und sind unglücklich über die Stallpflicht. Und auch die Tiere selbst fühlen sich nicht wohl in ihrem Gefieder.
"Unser Ganter ist sehr, sehr böse", erzählt Erna Bauer aus Heßdorf, die zusammen mit ihrem Mann etwa 30 Hühner hält, dazu kommen ein paar Flugenten, Laufenten und eben Gänse. "Er jammert und will nicht in den Stall, greift mich und meinen Mann sogar an." Kein Wunder, dass der Ganter sauer ist: Auf dem großen Gelände der Bauers hätte er eigentlich genügend Auslauf. Auch die Flugenten reagieren auf den Bewegungsmangel aggressiv. "Die laufen am Zaun entlang wie Tiger", hat Erna Bauer beobachtet.
Beim Aufzuchtbetrieb von Ina und Edwin Fella in Höllrich sind die Vorsichtsmaßnahmen aufgrund der Vogelgrippe unübersehbar. Vor dem Stall steht eine Wanne mit einer Matte aus Schaumstoff, die mit Desinfektionsmitteln getränkt ist. "Wir achten darauf, dass die Kundschaft die Ställe nicht betritt", sagt Ina Fella. Nur sie und ihr Mann dürfen in den Stall. Die Maßnahme kennen die Fellas schon von der Geflügelpest vor wenigen Jahren.
Eine andere Verordnung macht den Züchtern mehr Probleme - und verursacht Kosten. Will jemand legefertige Hennen bei den Fellas kaufen, muss eigens der Tierarzt herbestellt werden und eine so genannte Lebendbeschau vornehmen. Auf den Kosten für Anfahrt und Beschau der Hühner bleiben die Fellas sitzen. "Diese Nebenkosten können wir nicht einfach draufschlagen", sagt Ina Fella, "das können wir unserer Kundschaft nicht zumuten."
Ein weiteres Problem: Da die Züchter nicht wissen, wie sich das Kaufverhalten der Kundschaft entwickelt, ist eine genaue Planung fast unmöglich. "Sonst haben wir im Januar schon mal 2000 Küken eingestallt, heuer waren es nur 1000." Bereits im vergangenen Herbst sei man beinahe auf 1000 Hühnern "sitzengeblieben". Doch die Fellas hatten Glück. Die Hühner, die bereits angefangen hatten, Eier zu legen, seien doch noch verkauft worden.
Die Verunsicherung bei der Kundschaft ist groß. "Viele sagen: Wenn ich meine Hühner einsperren muss, kann ich die Eier gleich selbst kaufen", erzählt Ina Fella. 12 000 bis 13 000 Eintagesküken stallen die Fellas in einem normalen Jahr ein. Der Verkauf - vor allem an kleinere Hühnerhalter - läuft von Mai bis Oktober. Fella bekommt die Hysterie wegen der Vogelgrippe täglich mit. "Ich habe den Eindruck, dass die kleine Kundschaft um ihre zehn Hühner mehr Angst hat als ich um meine 10 000."
Besonders die Stallpflicht macht Michael Kretzer aus Sachsenheim zu schaffen. Der 78-Jährige, der 1958 mit der Hühnerhaltung begonnen hat, hat seinen Bestand in den vergangenen Wochen auf jetzt noch 20 Tiere reduziert. Seine Hühner hat er in kleinen Holzhütten untergebracht, die aber zu eng und zu feucht seien. Ohne die drohende Vogelgrippe, da ist sich der Mann, der über Jahrzehnte hinweg Eier in Lohr und an die Dorfgemeinschaft Hohenroth verkauft hat, sicher, hätte er heute noch mehr als 20 Tiere.
Über eine Reduzierung ihres Bestands denkt auch Hiltrude Heim aus Weyersfeld nach. Ihre 70 Hühner hat sie im Stall unterbringen müssen, der dafür eigentlich gar nicht ausgelegt ist. "Man muss misten und hat viel mehr Arbeit", klagt sie. Etwa 50 Eier legen ihre Hühner pro Tag, Abnehmer sind Privatleute. "Wenn das mit der Vogelgrippe so weitergeht", sagt Hiltrude Heim, "dann werden wir uns von einigen Hühnern trennen müssen."