Dieses Fundstück hatte für Aufsehen gesorgt: Ein altes Rennrad, auf dessen Vorderrad ein nicht minder alter Kettensägenmotor montiert war – fahrtüchtig aber alles andere als verkehrssicher. So fand die Polizei das abenteuerliche Gefährt Mitte Juli in der Lohrer Färbergasse. Jetzt trat es seine letzte Fahrt an – ins Fahrzeug- und Technikmuseum Zimmermann im Neuendorfer Ortsteil Nantenbach.
Ingenieur aus dem Iran hat Gefährt konstruiert
Das Kettensägenfahrrad spiegelt Ingenieurskunst wider, zwar keine deutsche, aber iranische. Denn schnell hatte sich im Juli geklärt, dass ein in Lohr lebender Flüchtling das Vehikel zusammengetüftelt hatte: Reza Rayanpour. Der 36-jährige Sicherheitsingenieur stammt aus dem Iran. Seit fünft Monaten lebt er mit seiner Frau in der Gemeinschaftsunterkunft am Sommerberg. Das Tüfteln ist seine Leidenschaft.
Im Iran hat Rayanpour jahrelang als Ingenieur auf Ölplattformen im persischen Golf gearbeitet, war daneben Feuerwehrmann. Sein Faible für Technisches hat er jedoch auch im Privaten ausgelebt. Er konstruierte wasserdichte Hüllen für Kameras oder auch ein mit Druckluft arbeitendes System, das Taucher als eine Art Aufzug nutzen konnten.
Nach seiner Flucht warten er und seine Frau derzeit auf die Anerkennung ihres Asylantrags. Es ist sicher auch das lange Warten und die Langeweile, die den 36-Jährigen immer wieder darüber nachdenken lässt, womit er als nächstes tüfteln könnte.
Wenig Material und Werkzeug, viele Zuschauer
Das Fahrrad mit Kettensägenmotor hat Rayanpour auf dem Parkplatz vor der Gemeinschaftsunterkunft zusammengeschraubt. Den 40 Jahre alten Motor amerikanischer Herkunft überließ ihm eine Werkstatt in Wombach. Die Halterung konstruierte er aus Bügeln für Blumenkästen, die ihm ein befreundeter Deutscher geschenkt hatte. Um eine bessere, womöglich gar verkehrssichere Konstruktion hinzubekommen, habe ihm Material und Werkzeug gefehlt, sagt der Bastler. Zuschauer hingegen habe er während der Schrauberei viele gehabt: die Kinder der Flüchtlingsfamilien.
Bremshebel als Gashebel
Natürlich hatte Rayanpour ursprünglich geplant, das Fahrrad mit dem unorthodoxen Hilfsmotor auch zu benutzen. Es gab eine Probefahrt – bei der das Vehikel auf einem Radweg bei Wombach bis auf 35 Stundenkilometer beschleunigt habe, erzählt der Tüftler. Einen Bremszug hatte er zum Gashebel umfunktioniert. Gestartet wurde der Motor ganz einfach: indem ihn Rayanpour nach einigen Tritten in die Pedalen nach unten drückte und der Motor so über das auf dem Mantel laufende Lüfterrad des Sägenmotors Schwung aufnahm. Doch für einen Dauerbetrieb sprang der Motor amerikanischer Herkunft nicht zuverlässig genug an. „Er war auch sehr laut“, sagt Rayanpour in gutem Deutsch.
Alle Überlegungen über Verbesserungen für einen möglichen Alltagsbetrieb erübrigten sich jedoch, als das Kettensägenfahrrad eines Tages plötzlich verschwunden war. Jemand hatte es geklaut, sich womöglich auch nur für eine Fahrt in die Altstadt „ausgeliehen“. Dort fand es die Polizei.
Polizei: Nicht tauglich für den Straßenverkehr
Nachdem die Gesetzeshüter den wenig später ausfindig gemachten Tüftler und Eigentümer darauf hingewiesen hatten, dass dieses Rad im hiesigen Straßenverkehr nichts verloren habe, ließ Rayanpour die Finger davon. Über Umwege erfuhr er vom Technikmuseum in Nantenbach. Dorthin hat er das Rad nun gebracht – nicht unter Einsatz des Motors auf den zwei schmalen Rennradreifen, sondern im Kofferraum eines Autos. So also reiht sich das Kettensägenfahrrad bald nahtlos ein in die von Karl und Christian Zimmermann zusammengetragene Sammlung alter Fahr- und Motorrärder, Autos und Gerätschaften.
Rayanpour hatte zwischendurch auch überlegt, ob man sein Konstrukt nicht in Schulen zeigen könnte, um die Phantasie der Kinder anzuregen und sie dazu zu bringen, selbst zu werkeln. Solches Basteln sei gut für das Selbstbewusstsein, stärke den Sinn für Praktische und könne auch bei der Berufsfindung helfen, ist sich Rayanpour sicher. Für ihn selbst war die Berufssuche in Deutschland bereits teilweise erfolgreich: Ab Oktober arbeitet er halbtags für eine Brandschutzfirma, wartet Feuerlöscher, installiert Rauchmelder. Die andere Hälfte des Tages besucht er einen Sprachkurs.
Die Ideen gehen ihm nicht aus
Rayanpour bemüht sich nicht nur um die Anerkennung seines Studienabschlusses, sondern auch um Integration. Er sucht Gespräch und Kontakt mit Einheimischen. Und natürlich sucht er auch weiter Material für neue Konstruktionen. Nach dem Kettensägenfahrrad ein Boot mit Antrieb, oder vielleicht ein Skatebord mit Motor? „Man kann mit dem, was manche vielleicht nicht mehr brauchen, so viel selbst bauen“, sagt Rayanpour. Das nächste Projekt hat er schon konkret im Kopf: Ein E-Bike. „Einen Akkuschrauber habe ich schon. Ich brauche nur noch Akkus“, sagt der Mann, der vor Ideen und Kreativität sprudelt.
Das Technikmuseum in Nantenbach ist noch bis Ende Oktober jeden Sonntag von elf bis 17 Uhr geöffnet. Infos im Internet unter der Adresse www.fahrzeugmuseum-neuendorf.de