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GAMBACH: Das Pferd als Co-Therapeut

GAMBACH

Das Pferd als Co-Therapeut

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    Therapie auf dem Pferd: Heike Fuhrmann zeigt ihrem kleinen Patienten, wie er sich auf dem Pony Prinzessin verhalten soll.
    Therapie auf dem Pferd: Heike Fuhrmann zeigt ihrem kleinen Patienten, wie er sich auf dem Pony Prinzessin verhalten soll. Foto: Fotos (2): Lucia Lenzen

    Spannender könnte ein Wartezimmer nicht sein: Während der vierjährige Tim (Name von der Redaktion geändert) gemeinsam mit seiner Mutter auf dem Reiterhof Oschmann auf seine Therapeutin wartet, fahren Bulldogs an ihm vorbei, Pferde werden auf die Weide geführt, eine Katze umschlängelt seine Beine. Dann kommt die Ergotherapeutin Heike Fuhrmann. „Komm wir holen Prinzessin“, sagt sie zu Tim und streckt ihrem kleinen Patienten eine Hand entgegen. Denn zu einer ordentlichen Stunde „Mototherapeutisches Reiten“ gehören immer zwei: Mensch und Pferd.

    Es geht nicht um sauber gerittene Hufschlagfiguren und Sprunghürden, die zu überwinden sind. Beim Mototherapeutischen Reiten steht der Mensch mit seinem Problem im Mittelpunkt und das Pferd kann ihm helfen, sie zu lösen. „Das Pferd wird zum Co-Therapeut“, beschreibt es Heike Fuhrmann. Seit sie sieben Jahre alt ist, hat die gebürtige Westfälin mit Pferden zu tun. „Ich habe zwar mit dem klassischen Reitstil angefangen, aber auch vermittelt bekommen: Pferde und Menschen sind Kumpels“, erzählt sie.

    Eigene Pferde in der Rhön

    Mittlerweile wohnt die ausgebildete Ergotherapeutin und Mototherapeutin in Bischofsheim in der Rhön. Neben einer Ausbildung zur mototherapeutischen Reitlehrerin ist sie Fachtherapeutin für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz und hat eine Ausbildung in der Tiergestützten Therapie. Zuhause in der Rhön unterrichtet sie mit ihren eigenen Therapiepferden. Auf den Reiterhof Oschmann in Gambach kam sie durch ihren Mann, einen gebürtigen Gambacher. Und auch bei Oschmanns spricht sich das neue Angebot langsam herum. Tim ist nun schon seit Mai da.

    „Durch das Arbeiten an, mit und auf dem Tier können Motorik, Körpergefühl, Sozialverhalten, Kontaktfähigkeit, Selbstbewusstsein und Vertrauen beeinflusst und verbessert werden“, erklärt Heike Fuhrmann. Koordination, Gleichgewicht, Wahrnehmung und Reaktion würden geschult. Konzentration und Ausdauer gefördert.

    Dabei geht es nicht in erster Linie um Kinder. Die Palette der Patienten reicht von ängstlichen, verhaltensauffälligen Kindern über Jugendliche bis hin zu Erwachsenen, die an Multipler Sklerose leiden. „Durch das Reiten wird die Muskulatur anders durchbewegt und kann somit erhalten werden. Außerdem bleibt der Mensch durch den Vierbeiner gehfähig“, erklärt Heike Fuhrmann.

    Auf dem Pferd kerzengerade

    „Und jetzt streck dich noch einmal und putz ganz oben auf dem Rücken“, sagt Heike Fuhrmann vor dem Reiten zu Tim und führt seine kleine Hand mit dem Striegel auf dem Fell von Prinzessin nach oben. Tim ist wegen einer Kopfgelenk-induzierten Symmetriestörungen, kurz KISS-Syndrom, bei ihr. Die Funktion seines linken Armes ist beeinträchtigt und sein Kopf ist permanent ein wenig zu sehr in eine Richtung geneigt. Außer, wenn er auf dem Pferd sitzt, „da sitzt er sofort kerzengerade“, sagt Heike Fuhrmann.

    Sie ist mit Tim und Prinzessin mittlerweile in der Reithalle angekommen. An Strick und Halfter führt sie Tim auf dem braun-weiß gefleckten Pony durch die Bahn, berührt ihn hin und wieder am Oberkörper und sagt ihm, was er machen soll. „Damit Tim sich aufrichtet, rede ich nicht groß auf ihn ein, sondern berühre nur bestimmte Schlüsselpunkte“, erklärt die Therapeutin. So erfährt Tim auch, wie er allein mit seiner Haltung die Bewegung des Pferdes beeinflussen kann. Sitzt er schlaff und mit krummem Rücken, rührt sich Prinzessin nicht vom Fleck. Spannt er das Kreuz und richtet sich auf, schiebt er das kleine Pferdchen in die nächste Gangart und Prinzessin trabt an.

    „Am schönsten ist das Rennen!“, erklärt der Vierjährige strahlend, als er wieder festen Boden unter den Füßen hat. „In Tims Fall ist ein Pferd, das geduldig und sensibel bereits auf die kleinsten Hilden reagiert, das Richtige“, erklärt Heike Fuhrmann. Bei verhaltensauffälligen Menschen kann hingegen ein etwas störrischeres Tier manchmal besser sein, denn es geht darum sich durchzusetzen, Fremd- und Selbstwahrnehmung zu erfahren. „Autisten geben ruhige Pferde eine gute Struktur vor: Sie müssen putzen, satteln und können reiten, ohne etwas sagen zu müssen“, beschreibt Fuhrmann.

    Wie die Leute auf die Mototherapie aufmerksam werden? „Viele kommen durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Immer öfter lesen die Leute aber auch in Büchern oder im Internet und kommen auf die Idee, therapeutische Ansätze mit dem Pferd einmal auszuprobieren“, erläutert Heike Fuhrmann. Finanziert wird die Therapie teilweise über Rezept, teilweise zahlen die Patienten privat.

    „Du bist dafür verantwortlich, dass Prinzessin wieder auf ihren Platz kommt“, gibt Heike Fuhrmann Tim nach der Stunde mit auf den Weg. Noch einmal durchquert Tim mit dem Pferd an der Hand sein „Wartezimmer“ und führt die vierbeinige Therapiegehilfin wieder in ihre Box – bis zum nächsten Mal.

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