Hoch auf dem gelben Wagen fährt in unseren modernen Zeiten ohnehin keiner mehr. Aber wenn dem so wäre, dann säße sicher kein junger Mensch dort vorn beim Schwager. Auch das Wandern scheint nicht mehr eines jungen Müllers Lust zu sein. Und schon gar nicht das Singen darüber. Das gute, alte, deutsche Volkslied scheint seine Sänger zu verlieren. Ännchen von Tharau ist eben nicht Lady Gaga.
„Das Volk singt wieder“ titelte DIE ZEIT vor einigen Wochen und bescheinigte den Deutschen geradezu einen Volksliedboom. Doch fragt man bei den Gesangvereinen im Gemündener Altlandkreis nach, so erfährt man doch eher das Gegenteil. „Wenn ich meinen Enkeln, die 16 bis 17 Jahre alt sind, Titel von Volksliedern nenne, dann können die damit rein gar nichts anfangen“, sagt Waldemar Müller, Vorsitzender des Sängerkranzes Rieneck. In den Schulen werde ja kaum noch deutsch gesungen, so Müller weiter, erst recht keine Volkslieder.
In den Lehrplänen verankern
Das sieht auch Wolfgang Oftring so, der Vorsitzende der Chorgemeinschaft 1986 Gräfendorf. Man müsste nach seiner Auffassung die Lehrpläne ändern, um junge Menschen in den Schulen überhaupt wieder mit dem „Doktor Eisenbart“ oder dem „Jäger aus Kurpfalz“ in Berührung zu bringen. Dies versucht die Chorgemeinschaft, so gut es geht, nachzuholen und führt im Kinderchor die jungen Sänger an alte Volkslieder heran.
Auch unter persönlichem Einsatz tut Wolfgang Oftring sein Bestes zum Erhalt des deutschen Volksliedgutes, indem er mit seinen zehnjährigen Enkelkindern regelmäßig alte Weisen schmettert. Im Rückblick auf seine eigene Jugend erinnert er sich, mit Seinesgleichen gesungen zu haben „wie die Verrückten. Wenn wir im Urlaub waren, sind wir nach dem Abendessen zum gemeinsamen Singen und Musizieren sitzen geblieben“, sagt Oftring, der gleich darauf einen ernüchterten Vergleich zu heute zieht. Als Inhaber eines Gastronomiebetriebes erlebt er seit Jahren, dass seine Gäste sich nach dem Essen zurücklehnen und auf das Unterhaltungsprogramm warten. Von „Lasst uns fröhlich singen . . .“ keine Spur mehr.
Volkslied nicht in Gefahr
Nicht ganz so bedroht sieht Reiner Knöll aus Burgsinn die Existenz des Volksliedes. Der Vorsitzende des Männergesangvereins Liederkranz stellt fest, dass diese vertonten Überlieferungen aus früheren Jahrhunderten in den Gesangvereinen immer einen festen Platz gehabt haben. Je nach gerade moderner Strömung unterlagen die Lieder zwar immer wieder verschiedenen Abwandlungen, sei es Richtung Gospel, Musical oder Barbershop, doch dem Stellenwert des Volksliedes in den Chören tat dies nach seiner Überzeugung keinen Abbruch.
Symptomatisch dafür sieht er das Programm des Liederabends, der am kommenden Samstag in der Sinngrundhalle in Burgsinn stattfindet. Die erste Hälfte des Abends, so Knöll, wird zum größten Teil dem Volkslied gewidmet sein. Was nach musikalischer Brauchtumspflege aussieht hat aber auch praktische Gründe. „Mit den Volksliedern“, so Knöll, „gewöhnt man sich an die Halle und das Publikum. Und später, mit der Interpretation klassischer Lieder, zeigt man, was man als Chor drauf hat.“ Ob das Volkslied in den Chören eine Zukunft hat? „Wer weiß“, sagt Knöll, der es nicht als Aufgabe eines Gesangvereins sieht, sich als Hüter eines Kulturgutes zu gerieren. Man trifft sich, um ein gemeinsames Hobby zu pflegen, nicht mehr und nicht weniger. Beim MGV Liederkranz spielt das Volkslied dabei eine große Rolle. Wie das in Zukunft aussehe, müssen irgendwann andere entscheiden, meint Knöll.
In Wolfsmünster zumindest scheint das Volkslied seine Zukunft dort zu finden, wo es vielfach auch herkommt, nämlich in den Wirtshäusern. Seit drei Jahren erfreut sich das Wirtshaussingen in dem 350-Seelen-Ort wachsender Beliebtheit. Für die passende musikalische Unterstützung sorgt dabei regelmäßig Werner Voll mit seinem Akkordeon. „Immer wieder“, so Mitorganisator Johann Weber, „kommen Leute auf mich zu und fragen, wann das nächste Singen stattfindet.“
Besonders freut sich Weber darüber, dass der Anteil der jungen Leute bei den bisherigen Treffen sehr groß war. Zwar konnten die jungen Sängerinnen und Sänger „Die blauen Dragoner“ oft nicht spontan begleiten und sie kamen auch beim „Kreuzberglied“ nicht immer bis zum Gipfel. Aber die meisten hatten die gesungenen Lieder doch „schon einmal gehört“, berichtet Weber.
Von fröhlich über derb bis hin zum Melancholischen: Beim Wirtshaussingen scheint das Volkslied seinem Namen wieder gerecht zu werden – als Lied aus dem Volk und für das Volk und zwar aus allen Altersklassen.