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UETTINGEN: Das Waldfest lockte: Nessaja büxte aus

UETTINGEN

Das Waldfest lockte: Nessaja büxte aus

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    Schaut ganz unschuldig: Schildkröte Nessaja schaffte 300 Meter in gut einer Woche.
    Schaut ganz unschuldig: Schildkröte Nessaja schaffte 300 Meter in gut einer Woche. Foto: Foto: Roland Pleier

    Anfang Juli hatte „Oma Klara“ die Schnauze voll. Unter Einsatz ihres gesamten Körpergewichts stemmte und schob sie einen Stein an die niedrigste Stelle ihres Zauns, wuchtete sich drüber und machte sich aus dem Staub. Dann ward sie nicht mehr gesehen. Die Suche nach ihr blieb erfolglos.

    Dies ist der Beginn der schier unglaublichen Geschichte, die „Oma Klara“ – alias Nessaja – zur prominentesten Schildkröte Uettingens werden ließ. Erzählt hat sie uns Eva Wiesinger, die den gepanzerten Vierbeiner zusammen mit ihrem Mann Martin in einem Würzburger Zoogeschäft erstanden hatte. Und wir haben keine Zweifel daran, dass jedes Wort davon auch wahr ist.

    Ein eigenes Eck im Garten

    Nessaja gehörte schon zum Haushalt der beiden Uettinger, bevor ihre beiden Kinder Emma und Jonas geboren wurden. Schon das Leben im Terrarium behagte der griechischen Landschildkröte offenbar sehr: Das anfangs grade mal fünf Zentimeter große Reptil gedieh prächtig. Als die Wiesingers 2008 ihr Haus ganz oben am Kirchberg bezogen und familiärer Nachwuchs im Anmarsch war, da bekam Nessaja in der Ecke des kleinen Gartens ein eigenes Refugium eingerichtet.

    Erst Emma, zwei Jahre später auch Jonas versorgten sie mit viel Löwenzahn und getrocknetem Klee. „Disteln isst sie gern, Ackerwinde isst sie gern“, erzählt Eva Wiesinger. „Mal 'ne Rosen- oder Maisblüte“ stehen ebenso auf dem Speiseplan wie Salate. Und Nessaja wuchs und wuchs.

    Baden vor dem Winterschlaf

    Als Jonas 2011 geboren wurde, war auch klar, dass Nessaja ein Männchen ist. „Das erkennt man erst nach sieben, acht Jahren an der Schwanzform“, hat sich Wiesinger schlau gemacht. Mittlerweile hat auch Jonas mitbekommen, dass Nessaja im Herbst ruhiger wird, mehr schläft, sich zurückzieht: Der Winterschlaf steht bevor. Dann wird er regelmäßig gebadet, „damit sich der Darm entleert“.

    Schließlich kommt er in die Überwinterungskiste und darf im Keller ungestört schlafen. „Es gibt Leute, die lassen Schildkröten im Gemüsefach ihres Kühlschranks überwintern“, weiß Wiesinger. Doch davon hält sie nichts. Überhaupt vertraut sie dem Rat einer befreundeten Biologin mehr als so manchem Fachbuch, verrät die 31-jährige Ergotherapeutin.

    Schildkröten nehmen keinen großen Zeitaufwand in Anspruch. Sie sind ohnedies Einzelgänger, erzählt Wiesinger. Bisweilen aber scheint sie auch der Hafer zu stechen. Im Mai zum Beispiel, da war Nessaja verschwunden – und vier Wochen später plötzlich wieder in ihrer Wohnecke aufgetaucht. Den Wiesingers ist bei heute ein Rätsel, was da passiert ist. Möglich, dass sich jemand das Tier einfach mal ausgeliehen hat, mutmaßen sie.

    Jedenfalls prüften sie das Gehege auf Schwachstellen, erhöhten die Palisaden. Denn Nessaja ist ja mittlerweile gut 15 Zentimeter lang. Einen Tag später war sie weg. Den Trick mit dem Stein kannten die Wiesingers bis dahin nicht.

    „Die kommt bestimmt wieder“

    Die Wiesingers fragten in der Nachbarschaft herum – „im Dorf kriegt man ja viel mit“ – doch ohne Erfolg. Die Kinder blieben gelassen. „Die kommt bestimmt wieder“, waren sie sich sicher.

    Gut eine Woche später, am zweiten Juli-Wochenende, stand das Waldfest auf dem Plan. Die Wiesingers sind Uettinger, das Waldfest ist ein Muss für alle Uettinger. Zum Waldfest, erklärt Eva Wiesinger, „da sind einfach immer alle da“.

    Es ist Sonntagnachmittag. Die Wiesingers trinken Kaffee auf der Waldlichtung auf der Kuppe des Kirchbergs, die Kinder spielen im Wald. Plötzlich kommt Vanessa, ein Kind aus der Wiesinger'schen Nachbarschaft ganz aufgeregt zu ihrer Familie: „Da läuft eine Schildkröte!“

    Wem die wohl gehört? Vanessas Eltern fragen nach, telefonieren, und erreichen einen Bekannten, der von Nessaja weiß. „Frag doch mal die Wiesingers“, rät er. Als Eva Wiesinger wenig später ihren ausgebüxten Schützling identifiziert, hat sich längst eine Traube von Kindern um das Tier geschart. In Händen trägt sie den Ausreißer nach Hause.

    Wenn alle Uettinger da sind . . .

    Achja: Warum das Verwirrspiel mit Namen? Warum mal „Oma Klara“, mal Nessaja? Nun, ganz einfach: Oma Klara, die Uroma von Emma und Jonas, war es, die uns auf diese Geschichte aufmerksam machte. Die Schildkröte sei doch ganz gewiss ausgebüxt, so sagte sie, um rechtzeitig beim Waldfest zu sein. Denn dorthin kämen ja stets alle Uettinger. Schließlich ist der Weg über die alten Weinberge – zur Lichtung sind es immerhin 300 Meter Luftlinie – für eine Schildkröte alles andere als eine Rennstrecke. Als Dank für diese Interpretation verliehen die Wiesingers ihrer Nessaja nun den Beinamen „Oma Klara“.

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