Nichts entspannt so zuverlässig wie die Natur. Eine Studie der VU University Medical Center in Amsterdam hat herausgefunden, dass alleine das Betrachten von Naturbildern die Herzfrequenz senkt und Stress reduziert. "Ich hatte mir schon lange überlegt, wie man das Draußen zu den Menschen bringen könnte. Durch die Corona-Pandemie war das noch ein größeres Anliegen", erklärt die Gerontologin Friederike Döring. Sie leitet die Beratungs- und Kontaktstelle "RuDiMachts!" für Seniorinnen und Senioren in Marktheidenfeld.
Während der Pandemie haben viele Senioren stark abgebaut
Als im Frühjahr 2020 die Pandemie den Alltag bestimmte, kam Döring die Idee, die Natur zu denjenigen Menschen zu bringen, die sie nicht selbst erleben können. Für Bewohnerinnen und Bewohner von Seniorenheimen war das Virus besonders bedrohlich . Selbst die Menschen, die mobil waren, durften die Gebäude nicht verlassen. "Wer lange Zeit nur im Haus ist, baut ab", so Döring.

Sie begann, Fotos und Videos zu machen. Später erstellte sie daraus Kurzfilme, zugeschnitten auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und Pflegebedürftigkeit. Seit Anfang dieses Jahres sind sie fertig und können bei Döring bestellt werden. Insgesamt sieben Module mit unterschiedlichen Schwerpunkten sind entstanden; die Ziele: Aktivierung, Biografiearbeit oder Entspannung.
Den Wald mit Bildern, Worten und Geräuschen "erspüren"
"Gemeinsam in Erinnerungen schwelgen" lädt ein, über persönliche Erlebnisse im Wald zu sprechen. Das Modul zeigt unter anderem eine Wanderausrüstung und einen Stapel Baumstämme am Wegesrand. Ein anderer Film regt dazu an, Redewendungen zu vervollständigen: "Der frühe Vogel..."

Man kann auch den Wald mit Bildern, Worten und Geräuschen "erspüren": Wie schmecken Walderdbeeren? Wie fühlt sich ein Stück Rinde an? Die Erlebnisse können durch gleichzeitiges Schmecken, Riechen oder Fühlen verstärkt werden. "Als ich diesen Film zusammen mit einem Mann angeschaut habe, weinte er vor Freude", berichtet Döring. Selbst Menschen mit weit fortgeschrittener Demenz könne man so erreichen, zeige ihre Erfahrung.
Im neuesten Film dreht sich alles um Bewegung: Dörings Kollegin Beate Höflich sitzt auf einer Bank im Wald und macht Übungen vor. "Es bietet sich an, diesen Film auf einer Leinwand vor einer Gruppe zu zeigen und gemeinsam zu turnen", erklärt Döring. "Menschen mit Demenz fordern aus vielerlei Gründen Pflegekräfte und Angehörige heraus. Sie können zum Beispiel aggressiv, depressiv oder gelangweilt sein", erklärt die Gerontologin. "Waldimpressionen" zeigen beruhigende Bilder, unterlegt mit Vogelgezwitscher und anderen Geräuschen der Natur. Sie lassen den Betrachtenden entspannen.
Kurzfilme kamen bei Bewohnerinnen und Bewohnern gut an
"Letztlich entlastet das auch die Betreuungskräfte", so Döring. Mitarbeiterinnen des Hauses Lehmgruben bestätigen das. Claudia Lutz: "Ein früherer Jäger fand, dass es besser sei, die Waldgeräusche zu hören und Bilder zu sehen als nur vorgelesen zu bekommen." Beate Höflich berichtet von einer langjährigen Bewohnerin: "Sie hat zum ersten Mal erzählt, dass sie am Waldrand wohnte."

Nicole Lermann lobt, dass in den Filmen langsam gesprochen werde und die Lieder Abwechslung bieten würden. Wer bettlägerig ist, kann die Filme im eigenen Zimmer ansehen. Unter anderem zu diesem Zweck spendete der Lions Club Marktheidenfeld-Laurentius insgesamt 1000 Euro, von denen sieben Tablets für die Arbeit mit den Seniorinnen und Senioren angeschafft wurden.
Friederike Döring machte sich mit neuer Technik vertraut
Döring hatte während der Lockdowns viel freie Zeit, die sie mit Spaziergängen verbrachte. "Ich fotografiere schon lange", sagt sie. Videoschnitt und Musik einspielen hat sie sich selbst beigebracht. Rückschläge hielten sie nicht ab: "Anfangs war die Ton- und Bildqualität so schlecht, dass ich auf den nächsten Frühling warten musste, um nochmal von vorne anzufangen."
Für einige Filme haben Döring und ihr Sohn Volkslieder eingesungen. Die Vogelhochzeit, das Frankenlied und ähnliches Liedgut kennen die meisten älteren Menschen aus ihrer Kindheit. "Die Lieder sind auf die Bedürfnisse von kognitiv beeinträchtigten Menschen zugeschnitten", erklärt sie. Deshalb werde beispielsweise jeweils nur die erste Strophe gesungen und der Text vorab gesprochen.
Filme entsprechen der Aufmerksamkeitsleistung von Menschen mit Demenz
Die acht Filme haben einen immer gleichen Einstieg und sind in einfacher Sprache gehalten. Schlagworte und Titel einzelner Kapitel werden für diejenigen Nutzerinnen und Nutzer angezeigt, die nicht gut hören können. Sie alle sind etwa zehn Minuten lang. "So können sie von Menschen mit Demenz noch gut aufgenommen werden", sagt Döring.
Die Motive für Fotos und Videos fand Döring zum Beispiel im Waldstück am Marktheidenfelder Dillberg oder in ihrem Heimatort Höchberg. In Urlauben im Altmühltal oder in Oberbayern filmte sie Störche und Frösche. Rehe und Wildschweine sind ihr im Wildgehege vor die Linse gelaufen. "Ich bin eigentlich immer am Fotografieren", gesteht Döring. "Ideen für neue Filme habe ich eine Menge, vielleicht wird es als nächstes einen über den Herbst- und Winterwald geben."
Zur PersonFriederike Döring leitet als Gerontopsychiatrische Fachkraft die Beratungs- und Kontaktstelle "RuDiMachts!" der Rummelsberger Diakonie im Seniorenzentrum Haus Lehmgruben in Marktheidenfeld. Sie unterstützt Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Demenz und Gedächtnisbeeinträchtigungen sowie Angehörige in Marktheidenfeld und Umgebung.Als freiberufliche Autorin hat sie die Filmreihe "Besuch vom Wald", die derzeit acht Module umfasst, erstellt. Ausschnitte und weitere Informationen zu den Kurzfilmen gibt es auf der Webseite www.gerontoaktiv.de zu sehen.Quelle: dfi