Selten sitzt ein Komponist persönlich unter den Gästen eines Konzerts. Beim jüngsten Homburger Schlosskonzert war dies der Fall, denn Winfried Michel, Dozent an der Musikhochschule Münster, wollte am Samstagabend die Aufführung seiner originellen Werke selbst miterleben. Die besondere Note: Der 66-Jährige hat einige Kompositionen unter dem Pseudonym eines vermeintlichen italienischen Barockkomponisten „Giovanni Paolo Simonetti“ schuf und dessen Werke veröffentlichte.
In den 90er Jahren täuschte der Münsteraner mit angeblich neu aufgefundenen Werken Haydns sogar die Fachwelt. So scherzte der Homburger Hausherr Michael Günther bei seiner Begrüßung, dass Simonettis wesensverwandter Komponist Giovanni Paolo Tomesini, ebenfalls eine Kunstfigur Michels, dessen Stücke an diesem Abend zur Aufführung kommen sollten, sicherlich auch nur versehentlich nicht wirklich gelebt habe.
Für diesen Abend hatte sich ein außergewöhnliches Ensemble zusammengefunden, das mit historischer Aufführungspraxis bestens vertraut war. Aus Zürich war Michael Günthers Lehrer Johann Sonnleitner gekommen, um einen Hammerflügel aus der Homburger Sammlung zu spielen, der um 1785 in Wien gebaut worden war. Almut Steinhausen (Violine, Viola) und Robert Nikolayczik sind in Reifferscheid in der Pfalz beheimatet und erwiesen sich als versierte Spezialisten auf dem Gebiet der „Alten Musik“. Der Münsteraner Autor und Kabarettist Markus von Hagen rezitierte mit variationsreicher Stimme die Texte zu den aufgeführten Werken.
Schon beim einleitenden Trauerstück, Tomesinis „Tombeau f-moll“, zeigte Sonnleitner, dass Michels Wechselspielchen weit mehr sind als nur ein Scherz oder eine Marotte. Seine unter Pseudonym vorgestellten Werke sprechen von einem tiefen Verständnis barocker Kompositionskunst. Dabei werden durchaus auch neuere Formen bemüht, spätere Motive und Themen aufgegriffen.
Trauer blieb auch das Thema bei Tomesinis „Melodram G-Dur“ zu der Barockdichtung von Georg Rodolf Weckherlin (1584-1653) mit dem Titel „Dein Leben, dessen End…“. Zum eindrucksvollen Spiel auf Violine und Cello gestaltete Markus von Hagen das Werk als eine Hommage an die vermutlich 1808 in Würzburg gestorbene, etwas rätselhafte Komponistin Catharina Bauer. Ihr gemaltes Porträt war aus Günthers Sammlung eigens in den Stucksaal des Homburger Gebsattel-Schlosses gebracht worden.
Nach der Pause stand mit dem Melodram „Aus dem Buche Kohelet“ für Stimme, Violine und Violoncello (op. 65) ein modernes Werk von Winfried Michel auf dem Programm. Zur Begleitung von Almut Steinhausen und Robert Nikolayczik rezitierte Markus von Hagen zwölf Bilder der alttestamentarischen Schrift „Prediger Salomon“ in einer zeitgemäßen Übertragung.
Der Abschluss des ungewöhnlichen Konzerts gebührte Johann Sonnleitner am Hammerflügel und dem vermeintlichen Barockkomponisten Tomesini mit dem abrundenden Clavier-Werk „La Ciaconina“.