Neulich hab ich Euch doch mal was aus meiner Familien-Saga erzählt. Ihr wisst schon, von der Bayers Gretl zum Beispiel. Und dass es von meiner Behausung jede Menge Fotos gibt im Internet. Sogar eines vom "Lied des Türmers", das in meinem Treppenhaus hängt.
Jetzt muss ich es aber schon mal loswerden: Dieses "Lied des Türmers", das hat nur am Rande mit mir zu tun. Ja, ich kenn' es. Es ist ja schließlich ein Türmerlied. Aber es ist beileibe kein Lohrer Machwerk. Zu verantworten haben es zwei sehr klerikale Kunstschaffende.
Die Noten gesetzt hat ein gewisser Heinrich Neuß, ein Organist und Kirchenmusiker aus dem Harz. Wenn er meinen Bayersturm jemals betreten hätte, wüsste ich davon.
Das gleiche gilt auch für Georg Thurmair, der das Türmerlied getextet hat - einem deutschen Dichter, der über 300 Kirchenlieder verfasst hat und – der Name deutet seine oberbayerische Herkunft schon an – aus München stammt. Mit dem hatten meine Vorfahren aber sicher auch nix zu tun. Denn als dieses Lied 1938 entstanden ist, da war die "Bayers Gretel", unser letztes Familienmitglied, schon 24 Jahre tot. Ich meinerseits bin zwiegespalten, was den Text angeht.
"Ich hab' die Welt verlassen
und stehe auf dem Turm,
ich kann die Sterne fassen
und sprechen mit dem Sturm.
Ich banne die Gespenster
und lebe fern dem Spott.
Der Wind klopf an mein Fenster
und spricht vom lieben Gott."
Nun, dass man dort oben bei mir den Sternen näher ist und sich einsam fühlt – geschenkt. Aber "Gespenster bannen", damit tue ich mir schwer. So sehr ich mich auch mühe: Bei meinen bescheidenen Versuchen, einige unselige Geister dieses Landes und dieser Welt zu vertreiben, bin ich bislang leider stets gescheitert.
Wie ich so im Internet herumgestöbert habe, bin ich jedoch auf eine andere Zeile aus der Feder Thurmairs gestoßen. „Die Lüge ist gar frech und schreit und hat ein Maul so höllenweit, die Wahrheit zu verschlingen.“ Das schrieb der gute Mann 1934 und zielte damit auf Adolf Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels ab. Die Gestapo hat den Braten gerochen, den damals 25-Jährigen verhört und auf die Liste verdächtiger Personen gesetzt.
Soviel zur Geschichte. Dass Hitler auch Jahrzehnte später noch Gesinnungsgenossen im Geiste haben würde, auf die diese Textzeile zutrifft, das hat der gute Thurmair nicht ahnen können. Aber grad weil's so aktuell ist, setz ich den Türmerlied-Texter mit sofortiger Wirkung auf meine Freundesliste.
Ein Video von dem Lied hab ich übrigens noch nicht aufgetrieben. Wird Zeit, dass die Stadtkapelle da mal ein akustisches Zeichen setzt. Ein paar Sänger dafür sollten sich auch noch auftreiben lassen. An Talenten jedenfalls mangelt es der Stadt nicht. Zur Not engagieren wir halt den Andreas Kümmert.
Fürs Festwochen-Festzelt taugt das Lied zugegebenermaßen nicht. Da sind Party-Hits und Blasmusik angesagt. Aber ich spitz die Ohren auf meinem Turm. Wer weiß ..?
Eine schöne, maßvolle Festwoche wünscht Euch Euer Bayerstürmer