Ein Auto fährt durch Neuhütten, bremst abrupt. Der Fahrer legt den Rückwärtsgang ein, stößt zurück und starrt verwundert auf das Schild "Biometzgerei" und die Ökokontrollnummer im Schaufenster. Auf die Art hat Gerhard Huth manchen auswärtigen Kunden gewonnen, der auf der Fahrt durch den Spessart mit vielleicht vielem gerechnet hat, aber nicht mit einer Biometzgerei in einer 1300-Seelen-Gemeinde.
Gerhard Huth ist Metzger mit Leib und Seele, wie er sagt. Vor zehn Jahren hat er mit Ehefrau Birgit das Geschäft seiner Eltern in Neuhütten übernommen. Damals war der Betrieb eine herkömmliche Land-Metzgerei. Herkömmlich heißt: Die Tiere kamen aus Massenzucht-Betrieben. Allerdings habe er damals schon künstliche Zusätze aus der Wurstküche verbannt und auf Bindemittel, Phosphate und Konservierungsstoffe verzichtet, erzählt der 43-Jährige.
Dann kam die BSE-Krise, und die Metzgerfamilie wollte selbst kein Rindfleisch mehr essen. Da machte Gerhard Huth Nägel mit Köpfen: Er kündigte die Aufträge bei Großzüchtern und suchte auf Fachmessen nach Lieferanten, die bereit waren, ökologisch erzeugte, kleine und frische Mengen Vieh bis ins abgeschiedene Neuhütten zu transportieren. "Alicon", eine Kontrollstelle für ökologisch erzeugte Lebensmittel in Esslingen, bescheinigte ihm, das er die in der Bioverordnung festgelegten Erzeuger-Richtlinien einhält.
Die Vorgaben besagen unter anderem: Im Futter gibt es keine Antibiotika, synthetischen Zusätze, hormonellen Masthilfen oder Tiermehl. Pro Tier ist der Raumbedarf im Stall vorgeschrieben. Transportwege sind kurz. In der Verarbeitung wandern keine Zusatzstoffe oder Bindemittel in Fleisch und Wurst. Die Ware wird frisch verkauft. Zwei- bis dreimal im Jahr kommt unangemeldet ein Kontrolleur, der Proben aus den Lebensmitteln zieht und sich im Betrieb umschaut.
Verglichen mit herkömmlichen Züchtern können Biolandwirte also weniger Tiere halten und damit verkaufen, die sie zudem noch länger und mit hochwertigerem Futter aufgezogen haben. Qualität hat ihren Preis - für Huth eine Selbstverständlichkeit: "Dann zahle ich halt zwei Euro mehr für das Kilo." Für seine Kunden wiederum bedeutet das, dass ein Bio-Schnitzel 20 bis 30 Cent mehr kostet als etwa im Supermarkt.
"Gerhard, warum machst du das", hätten ihn manche Neuhüttener damals gefragt, erinnert sich Huth an die Umstellung zur Biometzgerei vor etwa zweieinhalb Jahren. Er will gar nicht verschweigen, dass er manchen Neuhüttenern zu teuer wurde. Und nimmt es ihnen auch nicht übel: "Jeder Kunde muss selbst entscheiden, was er kauft und isst." Doch sei der finanzielle Maßstab nicht allein ausschlaggebend: "Das liegt nicht am Einkommen, ob jemand Bioware kauft." Vielmehr habe die Entscheidung für Biokost vor allem mit dem Bewusstsein für gesunde Ernährung zu tun.
Als steinigen aber richtigen Weg sehen die Huths die Umstellung zur Biometzgerei im Nachhinein. Richtig, weil sie dem Kunden jetzt schriftlich geben können, woher die Tiere stammen, und sie Massentierhaltung unverantwortlich finden. Steinig war der Weg, weil sich viele praktische Probleme in den Ökoweg stellten, allen voran die Suche nach geeigneten Lieferanten.
Außerdem mussten sich die Eheleute eine Marketingstrategie überlegen, da ein kleiner Ort wie Neuhütten einen Biometzger nicht ernährt. "In Frankfurt-City hätten wir die Probleme nicht. Hier sind wir Exoten", lacht Birgit Huth. Nichts desto trotz kam ihr nie der Gedanke, des Umsatzes wegen aus Neuhütten wegzuziehen. Dafür hängt sie zu sehr an der Heimat.
Mit ihrem Mann fand sie Lösungen, wie sich Leberkäse und Salami in einem größeren Einzugsgebiet verkaufen lassen. Inzwischen vertreiben die Huths ihre Ware auf dem Wochenmarkt in Aschaffenburg und über den Lieferservice "Paradieschen" in Geiselbach (Lkr. Aschaffenburg). Die Firma liefert dem Kunden Bioprodukte frei Haus vor allem im Gebiet zwischen Heigenbrücken, Bad Soden, Großwallstadt und Offenbach.
Dieses Standbein wollen die Huths weiter ausbauen. Und noch ein ganz anderes Ziel verfolgt Gerhard Huth mit seiner Bioware: "Wenn man Geschmacksverstärker im Essen gewöhnt ist, muss man wieder lernen, sich das Essen auf der Zunge zergehen zu lassen. Und zu genießen."