Ein aufbrausender Angeklagter und eine Zeugin, die ihre Polizeiaussage am liebsten rückgängig machen würde: Häusliche Gewalt ist kein Kavaliersdelikt. Dementsprechend ernst nahmen Richter und Staatsanwalt eine Verhandlung am Dienstag gegen einen 48-jährigen Lohrer.
Er soll seine Freundin im Dezember vergangenen Jahres bei einem Streit in der gemeinsamen Wohnung aufs Bett gedrückt, ihr mehrfach den Mund zugehalten und sie bedroht haben, unter anderem mit den Worten: „Wenn Du die Wohnung verlässt, bringe ich Dich um.“ Zudem soll er laut Anklageschrift gedroht haben, den Hund der Zeugin „abzustechen“ und ihn an „die Wand zu spießen.“ Auf der Straße hat sich der Streit fortgesetzt, so viel ist sicher. Dort soll der Mann seine Freundin gegen eine Hauswand gedrückt, sie auf den Boden geworfen und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen haben.
„Soll“ ist das entscheidende Wort. Denn weder der Angeklagte noch die Zeugin konnten sich bei der Verhandlung an den genauen Hergang des Streits erinnern. Die Anklageschrift fußte auf einer Polizeiaussage, die die Freundin gleich im Anschluss an den Streit gemacht hatte. Inzwischen lag dem Gericht ein Schreiben der Frau vor, in dem sie darum bat, das Verfahren zu stoppen. „Das können wir nicht. Es geht um eine ernste Sache, die wir genau untersuchen müssen. Schließlich könnte so etwas auch ganz anders ausgehen“, erklärte der Richter. Bedeutend sei auch, dass der Mann ein ellenlanges Vorstrafenregister, unter anderem mit einschlägigen Vorstrafen hat.
„Ich will davon nichts mehr wissen.“ – Der Angeklagte zeigte sich vor Gericht zunächst verständnislos. Erst nach eindringlichem Nachfragen des Staatsanwaltes gab er zu, seiner Freundin den Mund zugehalten und sie aufs Bett gedrückt zu haben. Geschlagen habe er sie allerdings nicht, und ein Messer sei auch nicht im Spiel gewesen.
Zwei Zeugen, die Nachbarn, hatten den Streit auf der Straße beobachtet. Lautstark sei er gewesen, aber nicht handgreiflich. Beide attestierten dem Paar ein sehr „harmonisches“ Zusammenleben. Diesen Punkt werteten Richter und Staatsanwalt positiv. Das Verfahren wegen Körperverletzung und Bedrohung wurde eingestellt. Die Nötigung durch das Zuhalten des Mundes sah das Gericht aber als erwiesen an. Der 48-Jährige wurde zu einer geringen Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt.
Die Alternative wäre gewesen, bei einem zweiten Verhandlungstermin den Polizisten anzuhören, der die Frau vernommen hatte. Hätte sich herausgestellt, dass sie an jenem Abend falsche Angaben gemacht hatte, hätte sie sich der falschen Verdächtigung schuldig gemacht. Andersherum: Hätte sich herausgestellt, dass ihre Angaben stimmten, hätte sie vor Gericht eine Falschaussage geleistet. Das Pärchen hatte sich noch am selben Abend ausgesprochen und lebt weiter zusammen.