Im Hause Drikitis floss der Alkohol zuletzt literweise. Tag für Tag. Und das über Wochen. Aber nicht etwa, weil die Bewohner ihn so tüchtig getrunken hätten. Es war die Schnapsbrennerei der Drikitis', aus der seit Januar und bis vor wenigen Tagen der reinste Alkohol strömte.
Es ist eine komplizierte Maschinerie, an deren Ende beim Schnapsbrennen aus einem dünnen Röhrchen die klare Flüssigkeit in einen Trichter und von dort in einen Eimer rinnt. Man könnte die Flüssigkeit für Wasser halten – wäre da nicht der Alkoholgeruch. Er durchdringt alles, setzt sich auch in den Kleidern fest. Würde ein Autofahrer nach einem Besuch in der Schnapsbrennerei von der Polizei gestoppt, hätte er sicher Schwierigkeiten, die Gesetzeshüter davon zu überzeugen, dass er nüchtern ist.
Nüchtern muss man auch sein, um den Brennkessel zu bedienen. Denn das Schnapsbrennen ist viel komplizierter als das -trinken. In der Familie Drikitis wird das nötige Wissen seit Generationen weitergegeben. Seit wann genau das Brennrecht zu dem Bauernhof am Rande von Halsbach gehört, wissen Roland und Maria Drikitis nicht genau. Mehr als hundert Jahre sind es wohl.
Früher, nach dem Zweiten Weltkrieg, sei der Schnaps „Gold wert gewesen“, sagt Roland Drikitis. Er sei damals fast wie eine Währung gewesen. Das auch deshalb, weil damals viel mehr Schnaps getrunken worden sei. Heute dagegen komme Schnaps nur noch selten auf den Tisch, und meist auch nur noch dann, wenn ältere Herrschaften daran sitzen, weiß der 64-Jährige. Die Jugend hingegen trinke lieber „modernes Gelump“, macht der Landwirt und Schnapsbrenner deutlich, dass er von den heute bei jungen Menschen recht beliebten Alkopops keine allzu hohe Meinung hat.
Die offenbar rückläufige Nachfrage nach Schnaps hat jedoch . . . . . . kaum Einfluss auf die Auslastung der Schnapsbrennerei der Drikitis. Denn das 300 Liter umfassende Brennrecht der Familie wird alljährlich ausgenutzt. Der Rohstoff ist dabei weniger Obst, sondern Getreide.
Dieses wird zunächst sehr fein gemahlen und dann mit heißem Wasser eingemaischt. Später werden Malz und Hefe zugegeben, um den Gärprozess zu befördern. Dabei wird aus Stärke Zucker und daraus schließlich Alkohol. Diesen Alkohol aus der Maische zu holen, ist das Ziel des eigentlichen Schnapsbrennens (siehe Infokasten).
Die Brennerei der Drikitis' ist Anlaufpunkt für „Stoffbesitzer“ aus der näheren Umgebung. Stoffbesitzer, das sind Menschen, die eigene Obstbäume besitzen und somit das Recht haben, bis zu 50 Liter Alkohol pro Jahr brennen zu lassen. Aus dem vergangenen Jahr wurden bei den Drikitis vor allem Birnen oder Birnenmaische zum Brennen abgeliefert. Im Jahr zuvor war viel Mirabelle dabei, ansonsten oft auch Zwetschge.
Die Drikitis selbst jedoch brennen vor allem so genannten Neutralschnaps, wobei der Ausgangsstoff Getreide ist. Eine Menge von 300 Liter an reinem Alkohol umfasst dabei das an den Hof gebundene Brennrecht.
Das Bedienen der Brennerei übernimmt meist Maria Drikitis. Sie überwacht die langsam steigende Temperatur im Kupferkessel, dreht hier an einem Rädchen, reguliert dort ein bisschen. Neben dem von der Schwiegermutter überlieferten Wissen und dem in verschiedenen Kursen Erlernten ist dabei vor allem eines hilfreich: Erfahrung. Wenige Blicke auf die Anlage genügen Maria Drikitis, um zu erkennen, in welchem Stadium sich der Brennprozess gerade befindet.
Für das, was am Ende aus dem Röhrchen läuft, gilt: Alkohol ist nicht gleich Alkohol. Für den menschlichen Verzehr geeignet ist nur der so genannte Mittellauf. Von dem zu Beginn des Brennprozesses fließenden Vorlauf und dem am Ende gewonnenen Nachlauf sollte der Schnapstrinker hingegen die Finger lassen, weil sie Bitterstoffe und Fuselalkohole enthalten.
Seit wenigen Tagen nun ist das Alkoholrinnsal am Ende der Brennerei im Hause Drikitis versiegt. Jetzt wird der Schnaps mit einem Alkoholgehalt von 70 bis 75 Prozent erst einmal eingelagert – mindestens ein Jahr lang. „Je länger, desto besser“, sagt Roland Drikitis. Mit zunehmender Lagerzeit werde der Schnaps öliger. Irgendwann kann man daher von ihm sagen: Der geht runter wie Öl.
Der Weg zum Schnaps
1601 Schnapsbrennereien sind im Zuständigkeitsbereich des für deren steuerrechtliche Überwachung in Unter- und Oberfranken zuständigen Hauptzollamtes (HZA) Schweinfurt in Betrieb. Im Betriebsjahr 2010/2011 wurden in diesen Brennereien insgesamt 104 218 Liter angemeldet. Die Zahl der Brennereien sank in den vergangenen Jahren ebenso wie die Alkoholmenge. 2006 waren beim HZA Schweinfurt noch 1985 aktive Brennereien registriert, die angemeldete Alkoholmenge betrug damals 712 020 Liter. Bei rund einem Drittel der Brände ist Obst der Ausgangsstoff, beim Rest Getreide. Die Brennereien werden vom HZA streng überwacht. Jeder Brand muss Tage vorher angemeldet werden. Es gibt oft unangemeldete Kontrollen. Für jeden Liter Alkohol sind 10,22 Euro an Steuern zu zahlen.
Beim Brennen selbst wird die Maische in der so genannte Brennblase erhitzt. Während des Destillierens verdampft der Alkohol, der ein geringeres spezifisches Gewicht hat, lange vor dem Wasser. Der ungenießbare Vorlauf verdunstet ab knapp 65 Grad, der genießbare Alkohol erst bei knapp 80 Grad. Bei weiterer Erhöhung der Temperatur entsteht der so genannte Nachlauf, der ungenießbare Fuselalkohole enthält und den Begriff Fusel prägte. Der im Kessel verdampfende Alkohol wird in der folgenden Apparatur abgekühlt und so wieder flüssig. Ein Katalysator entfernt vorher unter anderem Blausäure und macht den Alkohol milder. Am Ende des Brennprozesses wird der Alkoholgehalt gemessen. Dieser entscheidet über den richtigen Zeitpunkt zum Trennen von Vor-, Mittel- und Nachlauf.
Der genießbare Mittellauf ist mit einem Alkoholgehalt von 60 oder mehr Volumenprozent eigentlich ungenießbar. Mit Trinkwasser wird das Destillat daher bis zu einem trinkbaren Alkoholgehalt verdünnt. TEXT: JUN