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RETZSTADT: Der Künstler und sein Haus

RETZSTADT

Der Künstler und sein Haus

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    „Ein bisschen verrückt ist das schon“: Der Grafiker Lothar von Hoeren in seinem Haus.
    „Ein bisschen verrückt ist das schon“: Der Grafiker Lothar von Hoeren in seinem Haus. Foto: Foto: Björn Kohlhepp

    Die Eingangstür des wuchtigen Hauses mitten in Retzstadt hat einen Türklopfer anstelle einer Klingel. Drinnen fühlt man sich ein wenig wie in einem Mittelaltermuseum oder alternativ wie in einem Schloss: Eisen- und Messingleuchter hängen von den Decken, schwere dunkle Möbel stehen herum und die bis zu zwei Meter dicken Außenmauern sind schlicht weiß getüncht oder ganz unverputzt. „Ein bisschen verrückt isses schon“, sagt Hauseigentümer Lothar von Hoeren.

    Eine Ritterrüstung samt Spießen und Hellebarden tut ihr Übriges. „Die Ritterrüstung habe ich mir in Würzburg machen lassen“, sagt der Künstler. Sein Haus renoviert er schon seit 30 Jahren. Im Winter, das ist der Nachteil an dem alten Gemäuer, ist es in manchen Räumen empfindlich kalt, der beeindruckende Gewölbekeller mit der für Ritteressen geeigneten langen Tafel dient dann sogar als Kühlschrank.

    Parkplatz war vorgesehen

    1977 hat von Hoeren das ehemals wohl landwirtschaftlich genutzte Haus in einem schlechten Zustand erworben, um dort sein Atelier einzurichten. Das Gebäude, das damals eigentlich einem Parkplatz hätte weichen sollen, sei damals als Treffpunkt der Dorfjugend genutzt worden. Es sollte ihn nicht mehr loslassen: „Der Küchenboden ist 450 Jahre alt. Was sich da alles abgespielt hat, das ist Wahnsinn.“

    Für seine Renovierungsarbeit am Haus, dessen Fachwerkteil von 1556 stammt (der Original-Grundstein mit eingemeißelter Jahreszahl existiert noch), erhielt von Hoeren 1998 den Bayerischen Staatspreis für Denkmalschutz. Vor kurzem heimsten außerdem fünf Retzstadter Schülerinnen beim Wettbewerb „Junge Geschichtsforscher“ der Freunde mainfränkischer Kunst und Geschichte mit ihrer Arbeit über die Geschichte des Gebäudes den ersten Preis ein (wir berichteten).

    Die tollsten Menschen

    Von Hoeren stammt aus Hildesheim. Dort studierte er zunächst Grafik und später noch Sonderpädagogik. Seine Arbeit als Sonderschullehrer lag ihm sehr am Herzen: „Ich habe dabei die tollsten Menschen kennengelernt, die es überhaupt gibt.“ Er habe unglaublich musikalische junge Sinti und Roma unterrichtet, außerdem Türken, Russlanddeutsche und Libanesen, und er hat ihre Familien kennengelernt und war fasziniert. „Ich habe nie so viel gelacht wie bei diesen Leuten“, sagt von Hoeren. Man merkt dem 66-Jährigen an, dass er begeisterungsfähig ist.

    So war er auch gleich von Retzstadt und vom Haus begeistert, als er dieses auf einer Fahrt an den Bodensee zum ersten Mal sah. Ein Freund hatte ihn auf das Gebäude in der Nähe von Würzburg aufmerksam gemacht. „Dabei hatte ich damals nicht einmal eine genaue Vorstellung, wo Würzburg überhaupt liegt“, gesteht er.

    Zuerst ist er immer nur am Wochenende von Hildesheim heruntergefahren, seit drei Jahren lebt er in Retzstadt. „Es war schon eine Umstellung hierher zu kommen“, erzählt er. Schließlich habe er seine ganzen Freunde im Norden. Aber in Retzstadt hat er neben seinem Haus, wo Gäste in einem Himmelbett übernachten können und wo im großen hellen Saal im ersten Stock im Sommer ab und zu Konzerte stattfinden, auch seine Maria. Die beiden haben 2010 geheiratet.

    Im ganzen Haus verteilt hängen von Hoerens Bilder: im Speisesaal die Grafiken, die er auch schon in Paris ausgestellt hat, im restlichen Haus seine neueren Werke, die den Betrachter zum Deuten anregen. Die Neuen seien „surrealistisch, nicht gefällig“. Zwar habe er mit seinen alten Stil sicherlich gut Geld verdient, aber so wollte er nicht mehr zeichnen. Erotik könne er außerdem überhaupt nicht: „Statt Brüsten male ich Berge.“

    Die Werke entstehen in Mischtechnik – mit Tusche, Kreide, Farbstift, Pinsel und Bleistift. Über einen nagelneuen großen Farbstiftkasten sagt er: „Da träumt jeder von.“ Von Hoerens ganzer Stolz sind die Lyrikbände des Schriftstellers Heinz Kattner, die mit seinen Bildern geschmückt sind. „Rumgeschmiert“ habe er schon als kleiner Junge, mit fünf Jahren gewann er dann den ersten Preis eines Sparkassenwettbewerbs: einen Zirkelkasten.

    Von Hoeren hat sich nicht nur intensiv mit der Geschichte des Hauses, sondern auch mit der seiner Familie auseinandergesetzt. Der Familienname gehe auf das frühe 15. Jahrhundert zurück, stamme vom Niederrhein und spreche sich eigentlich „Hooren“ mit langem „o“ (das „e“ ist als Dehnungs-„e“ zu lesen). Auf einem Ring an der linken Hand trägt er sogar das Wappen des schon zur Reformationszeit verarmten Adelsgeschlechtes. Der Name ist übrigens nicht vom Großvater, sondern von der Großmutter auf den Vater übergegangen, sein Großvater war nämlich Bulgare. Daher auch der dunkle Teint des Künstlers.

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