Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

MAIN-SPESSART: Der leise Tod

MAIN-SPESSART

Der leise Tod

    • |
    • |
    Freund der Imker und Blumen: Bienen werden von der Varroa-Milbe geschädigt.
    Freund der Imker und Blumen: Bienen werden von der Varroa-Milbe geschädigt. Foto: Foto: Roland Schönmüller

    Die Bienen scheinen gut gelaunt zu sein. Es ist kein Zeichen von Aufregung zu erkennen, als Imker Hans-Joachim Blum eine Wabe aus dem Bienenstock herausnimmt. Unzählige Bienen wuseln dort herum. Sie lassen sich nicht stören und reagieren ganz gelassen auf die plötzliche Helligkeit. Mit prüfendem Blick schaut sich Blum die Wabe an. „Hier ist alles in Ordnung“, sagt er zufrieden und stößt aus seiner Imkerpfeifer Rauch aus, der ihn vor aggressiven Bienen schützt.

    Aber heute sind sie nicht aggressiv. Dies liegt auch am Wetter. Es ist ein warmer, sonniger Spätsommertag, bei Wetterumschlag sind sie nervöser. Zudem hat Blum die sanftmütige Bienenrasse Carnica oder auch Kärntner Biene genannt in seinem Bienenhaus in der Marktgemeinde Karbach. Kein Vergleich zu vor 40 Jahren, als er mit der Imkerei begonnen hatte. Da hätte man nicht so einfach eine mit Bienen besetzte Wabe aus dem Stock ziehen können, ohne Angst zu haben, gestochen zu werden.

    Blum ist ein leidenschaftlicher Imker und zugleich Vorsitzender des Imker-Kreisverbands Main-Spessart West. 220 Mitglieder sind dort organisiert, die insgesamt über 2000 Bienenvölker betreuen. Der Kreisverband umfasst die Altlandkreise Marktheidenfeld und Lohr, während der etwas kleinere Kreisverband Main-Spessart Ost für die Altlandkreise Gemünden und Karlstadt zuständig ist. Dort ist Heinz Rüb aus Zellingen der Vorsitzende.

    Zurzeit kann sich Blum nicht so seinem Hobby widmen, wie er das gerne möchte, denn er arbeitet als Produktmanager in Österreich. Daher sind nur zwei seiner drei Bienenstände mit Völkern belegt. Denn die Imkerei macht Arbeit. Wichtig ist vor allem, die Bienen vor der Varroa-Milbe, ihrem schlimmsten Feind, zu schützen.

    Denn auch Blum hat im vergangenen Winter von 20 Völkern sechs verloren. „Dies ist ein ungewöhnlich hoher Verlust“, sagt er, „aber er liegt im Trend“. Bundesweit klagen Imker über ein Bienensterben. Durchschnittlich hätten die Imker 30 Prozent ihrer Völker verloren, hat ein Bienen-Monitoring ergeben. Ein Alarmsignal. Denn die Bienen liefern nicht nur Honig, sondern sind als Bestäuber der gesamten Pflanzenwelt unverzichtbar. „Wenn die Biene stirbt, stirbt darauf der Mensch“, ist ein Zitat von Albert Einstein.

    Ein Verlust bis fünf Prozent der Bienenvölker in einem Winter gilt als normal. Warum aber gab es in diesem Winter wieder ein solches Massensterben? Es gibt verschiedene Theorien. Die Landwirtschaft mit ihren Pestiziden könnte schuld sein, heißt es. In Verdacht sind Pestizide und Insektizide, die toxisch wirken und die Bienen orientierungslos machen, so dass sie nicht mehr zum Stock zurück finden. Durch die intensive Landwirtschaft gibt es immer größere Flächen, die mit Spritzmittel benetzt werden.

    „Trotz allem Ärger mit der Milbe ist die Imkerei ein herrliches Hobby,“

    Hans-Joachim Blum, Vorsitzender des Imker-Kreisverbands Main-Spessart West

    Blum nimmt diese Theorien ernst, aber er glaubt nicht, dass man mit ihnen das Massensterben erklären kann. Der Einfluss von Pestiziden könnte zu Verlusten führen, aber nicht zum Absterben ganzer Völker. Für ihn ist und bleibt daher die Varroa-Milbe der größte Feind und die größte Geißel der Bienen. Sie wurde 1977 aus Asien nach Deutschland eingeschleppt. Mittlerweile gibt es kaum ein Bienenvolk, das nicht von der Milbe befallen ist. Sie setzen sich auf dem Rücken der Bienen fest, und noch schlimmer: Die geschlechtsreifen Milbenweibchen legen in die Brutzellen ihre Eier. Die daraus schlüpfenden Milben vermehren sich in der Brutzelle. So schlupfen dann geschädigte Jungbienen. Schaut der Imker genau hin, findet er Jungbienen mit verkrüppelten Flügeln, die nicht lebensfähig sind.

    Aber kann die Varroa-Milbe das massive Bienensterben in diesem Winter erklären, wenn es sie schon so lange gibt? Die Milbe habe sich verändert, meint dazu Blum. Sie sei resistenter geworden, was äußerste Sorgfalt und neue Methoden bei der Bekämpfung verlangt. Üblicherweise wird Ameisensäure eingesetzt. „Man muss aber wesentlich früher als noch vor einigen Jahren die Bienenvölker behandeln, um den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz zu erwischen“, so Blum. Dieser sei Mitte bis Ende Juli, spätestens Anfang August. Zudem müssen Luftfeuchtigkeit und Temperatur stimmen. Die Ameisensäure wird von oben oder unten in die Bienenbeuten (Bienenstöcke) gestellt. Die verdampfende Ameisensäure verätzt die Füße der Milben, wodurch sie dann auf den Boden abfällt und stirbt. Die Wirkungsweise der Ameisensäure ist nicht konstant. Ist es zu kalt, verdampft sie weniger und wirkt nicht genügend. Ist es zu warm, verdampft sie stärker, die Konzentration ist höher und wirkt ätzend. Das schadet dann auch den Bienen.

    Manch ältere Imker kämen mit der Problematik nicht zurecht, meint Blum. Die Folge: Sie geben auf. Immer weniger Imker bedeutet zugleich immer weniger Bienenhaltung. Der Landesverband Bayerischer Imker versucht daher, den Nachwuchs zu begeistern. Am Lehrbienenstand Lohr (Peter Zeitler) und an der Volkshochschule Marktheidenfeld (Claus Roth) wurden mit Erfolg Imker-Anfängerlehrgänge abgehalten. Erfolge seien bereits zu erkennen, auch Frauen konnten für das Hobby gewonnen werden. Denn über verschiedene Programme gibt es gerade für Einsteiger Förderungen.

    Aufgrund der Verluste im vergangenen Winter hat Blum in diesem Jahr die Varroa-Bekämpfung mit größtmöglicher Sorgfalt durchgeführt. Unter einem Bienenstock zieht er eine weiße Plastikschale hervor. Denn Kontrolle ist wichtig. „Da liegen etwa 400 tote Milben“, sagt er und zeigt auf die Schale, wo zirka 1,5 Millimeter große Milben mit dem Auge zu erkennen sind. War also die Behandlung erfolgreich? Das könne er noch nicht sagen. Dies würde erst eine zweite Behandlung zeigen. Werden dann kaum noch tote Milben gefunden, könne man davon ausgehen, dass die erste Behandlung erfolgreich war.

    Blum prüft mit kritischem Blick eine Bienenwabe und seine Gesichtszüge verraten Zufriedenheit. „Die werden es wohl über den Winter schaffen“, sagt er, während er das Bienenwachs am Bienenkasten mit einem Messer abschabt. Daraus macht er Kerzen. „Trotz allem Ärger mit der Milbe ist die Imkerei ein herrliches Hobby, das man nur empfehlen kann“, sagt er. „Mehr Imker braucht das Land.“ Er freut sich schon auf seinen Ruhestand. Dann hat er wieder mehr Zeit, sich seinem Hobby zu widmen. Denn, so sein Motto: „Aufgegeben wird nicht.“

    Varroa-Milbe

    Ähnlich einem Blutegel beim Säugetier beißt sich die Varroa-Milbe (zirka 1,6 Millimeter groß) bei der Honigbiene fest, Die Milbe befällt zwar auch die Biene, entwickelt und vermehrt sich aber in der verdeckelten Bienenbrut im Stock. Die Varroose, wie dieser Parasiten-Befall genannt wird, ist deshalb vor allem eine Krankheit der Brut. Die Milbe wurde 1977 über asiatische Honigbienen nach Europa eingeschleppt. Sie gilt als eine Hauptursache des in Deutschland seit einigen Jahren immer wieder im Herbst oder dem Winterhalbjahr auftretenden seuchenartigen Bienensterbens.

    Asiatische Bienen kommen mit der Milbe zurecht, sie erkennen und entfernen befallene Brutzellen. Diese Verhaltensmuster versucht man bei den europäischen Bienen nachzuzüchten, damit die Bienenvölker weniger oft behandelt werden müssen. Bisher ist ein wissenschaftlich nachgewiesener Durchbruch noch nicht gelungen. Bei Bienen rauben stärkere Völker schwächere aus. Ist ein Bienenvolk von der Varroa-Milbe befallen, so ist es zu schwach, sich zu verteidigen. Beim Ausräubern seines Stocks wechseln Milben auf die räuberischen Bienen über, diese infizieren damit die eigene Brut.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden