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Der Mann zwischen den Stühlen

Karlstadt

Der Mann zwischen den Stühlen

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    Veranstalter der inzwischen dritten Veranstaltung der Kleinkunstbühne "Ehemalige Synagoge Wiesenfeld" war der örtliche Gesangverein "Liederkranz". Das Trio 99 hatte mit seinem Erich-Kästner-Programm "Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen" nach einem Otto-Reutter-Abend vor genau einem Jahr inzwischen seinen zweiten Auftritt in Wiesenfeld. "Trio 99", das sind der Schauspieler und Regisseur Jan Burdinski, künstlerischer Leiter des Theatersommers in der Fränkischen Schweiz, sowie der Saxophonist Thomas Helmreich und der Komponist und Arrangeur Adam MacThomas am Klavier. Seit 1999 beschäftigt sich das Trio rezitatorisch und musikalisch mit Lyrikinterpretationen verschiedener Autoren. Erich Kästner (1899-1974) besaß ein tiefes Verständnis für Kinder, was seine bekannten Kinderbücher wie "Emil und die Detektive", "Pünktchen und Anton" oder "Das fliegende Klassenzimmer" beweisen. Er schrieb jedoch auch Gedichte, mal moralisch, mal spitzzüngig, die in der Weimarer Zeit auf den Berliner Kabarettbühnen rezitiert wurden und auch dem heutigen Kabarett noch kreative Anstöße geben können. Kästner lag die satirische Schärfe ebenso wie das Feinsinnige. Er war der sarkastische Schilderer gesellschaftlicher Verhältnisse und privater Miseren wie der verspielt-heitere Lyriker. Eingebunden in die Schilderung von Kästners Lebenslauf und besonders prägender Erfahrungen seines Lebens flocht der schauspielernde Rezitator Jan Burdinksi Beispiele der Gedichte des Schriftstellers ein. Zahlreiche dieser Gedichte hat der Komponist und Pianist Adam MacThomas in eingängigen Rhythmen bis zu mitreißenden musikalischen Soli vertont. Durch die musikalische Hinterlegung auf dem Piano zusammen mit dem Saxophonisten Thomas Helmreich erhalten die Gedichte eine gesteigerte Aussagekraft.

    Als glänzender Beobachter der Menschen lies Kästner seine Erkenntnisse in seine Gedichte einfließen. So setzte er seinem Schinder beim Militär, Sergeant Waurich, in einem Gedicht ein zweifelhaftes Denkmal. Auch seine negativen Erfahrungen mit den Ärzten fasste er in Reime. Mit dem rezitierten Gedicht zur Darwinschen These stellte Jan Burdinski einmal mehr sein schauspielerisches Talent unter Beweis. Zur Filmmusik aus Casablanca "As Time Goes By" interpretierte Trio 99 "Die sachliche Romanze", mit der Kästner seine gescheiterte große Liebe aufarbeitete. In "Illusion einer Zufallsbekanntschaft", "Monolog in der Badewanne", der Hotelballade "Präludium auf Zimmer 28" oder "Klassefrauen" kamen mal das männliche, mal das weibliche Geschlecht nicht sonderlich gut weg.

    "Ich setze mich sehr gerne zwischen Stühle. Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen. Ich gehe durch die Gärten der Gefühle, die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen". Mit diesen Zeilen könnte man das Berufsethos des Kabarettisten beschreiben. Den Nationalsozialisten war Kästner ein Dorn im Auge, seine Bücher wurden bereits 1933 öffentlich verbrannt. Kästner blieb dennoch in Deutschland und wirkte nach dem Krieg wieder als Redakteur und begründete mehrere Kabaretts. Von seinen Nachkriegsarbeiten brachte Trio 99 die Gedichte "Hamlets Geist", "Die Loreley" oder "Das Eisenbahngleichnis" zu Gehör.

    Erst nach mehreren Zugaben entließ das begeisterte Publikum in dem ausverkauften Haus die drei Akteure.

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