Der 60-jährige Urspringer Raimund Wiesner ist ein uriger Typ. Auf seinem Aussiedlerhof hat der Vollerwerbslandwirt alten Schlages 20 Milchkühe, ein Drittel davon ist das immer seltenere gelbe Frankenvieh. Als Hobby hat Wiesner außergewöhnliche Hühner: das Altsteirer Huhn, bei dem vor allem die Henne ein schmuckes Häubchen aus Federn auf dem Kopf trägt, und das kaum bekannte Siebenbürger Nackthalshuhn, das, wie der Name sagt, rassebedingt einen nackten Hals hat.
„Schön ist ein weiter Begriff“, sagt Wiesner über Kommentare, dass seine Nackthälse hässlich oder krank aussähen. Obendrein hat der 60-Jährige riesige Römertauben, die bis zu ein Kilogramm schwer werden können. Rassegeflügelzüchter wie Wiesner, die sich der Bewahrung seltener oder der Züchtung besonderer Hühner- und Taubenrassen verschrieben haben, gibt es immer weniger. Deswegen wird im gesamten Landkreis Main-Spessart im Jahr gerade einmal noch eine einzige Geflügelschau durchgeführt, zuletzt im November in Duttenbrunn.
Der Urspringer erinnert sich noch an Zeiten, als es im Landkreis mehrere Ausstellungen im Jahr gab und in Karbach immer eine große Schau samt Festbetrieb stattfand. Mittlerweile gibt es beim einst so aktiven Karbacher Kleintierzuchtverein, der einmal 15 aktive Rassegeflügelzüchter zählte, keinen einzigen mehr, zwei Mitglieder züchten immerhin noch Ziergeflügel. Marktheidenfeld, der einzige reine Geflügelzuchtverein im Landkreis, hat gerade einmal noch vier aktive Geflügelzüchter – und damit mehr als alle anderen Kleintierzuchtvereine im Landkreis.
Wolfgang Wirth, Vorsitzender des Kreisverbandes Würzburg-Kitzingen-Main-Spessart der Geflügelzüchter, sagt, dass der Kreisverband „bis zur Vogelgrippe gut aufgestellt“ war. Die neuen Bestimmungen, etwa die offiziell immer noch geltende Einstallpflicht, hätten dann vielen Züchtern die Geflügelhaltung verleidet. Andere Züchter hörten aus Altersgründen auf, Nachwuchs komme allenfalls aus der Verwandtschaft aktiver Züchter, sagt Wirth.
Einer, der nach einer zweijährigen Pause vor kurzem wieder mit der Rassegeflügelzucht angefangen hat, ist der Duttenbrunner Theo Ehehalt. Der 44-jährige Blechschlosser und Nebenerwerbslandwirt begann bereits als Jugendlicher und züchtet nun die Hühnerrassen Antwerpener Bartzwerg sowie silber-schwarz gesäumte und silber-schwarz gestreifte Zwergwyandotten. Außerdem hat er Elsterspurzler in Rot und Braun, eine Taubenart, deren Zeichnung an eine Elster erinnert.
„Wenn ich schon Hühner habe, kann ich auch gleich etwas Sinnvolles machen und alte Arten bewahren.“
Raimund Wiesner Rassegeflügelzüchter
Ein Hingucker sind vor allem Ehehalts Antwerpener Bartzwerge. Die putzigen Belgier erreichen nur ein Fünftel der Größe eines normalen Huhns und der Kopf der Zwerge verschwindet in einer bartähnlichen Halskrause aus braunen Federn. „Solche Göker hab ich noch nie gesehen“, sagt seine Mutter Helene, „und ich hab schon viele gesehen.“ Ein wenig lustig klingt es, wenn der Bartzwerghahn kräht – ein hoher schriller Ton erklingt dann anstelle des gewohnten kraftvollen „Kikeriki“. „Das liegt an der Körpergröße“, sagt Ehehalt.
Ehehalt und Wiesner, beide im Duttenbrunner Kleintierzuchtverein aktiv, präsentieren ihre Hühner und Tauben, die man nach Rasse und Farbenschlag unterscheidet, auf Ausstellungen, wo Preisrichter Größe, Form und Farbe bewerten. Auf einem Bewertungszettel eines von Wiesners Hähnen heißt es etwa: „Vorzüge: gefällt in Form, Stand + Haltung, auch farblich“.
Auf die Ausstellungen arbeitet jeder Rassegeflügelzüchter hin. Die ausgestellten Hühner und Tauben müssen dabei bestimmte Kriterien erfüllen, den sogenannten Standard, der vom Verband für Rassegeflügelzüchter festgelegt ist. Weil es so viele Rassen und Farben gibt, zähle man sicher über 100 000 verschiedene Hühner, sagt Ehehalt. Aber das Züchten ist schwierig, da die Nachkommen oft sehr unterschiedlich aussehen. „Wenn man 20 Hühner hat, ist vielleicht eins ausstellungsfähig“, berichtet der Urspringer Wiesner.
Und was geschieht mit den Tieren, die nicht den Schönheitsidealen entsprechen? „Die werden der Küche zugeführt“, sagt Ehehalt lachend. Tauben wie Hühner. Genauso wie die ganzen Eier, die die Hühner laufend legen. Wiesner, der seit 30 Jahren Rassegeflügel züchtet: „Andere kaufen an Weihnachten eine Gans, wir haben einen Gockel.“
Allerdings bringen seltene Rassen auch Probleme: „Ich darf nicht nur einen Gockel haben. Wenn der Fuchs kommt und holt ihn sich, weiß ich nicht, wo ich den nächsten herkriegen soll“, sagt Wiesner. Warum hält er sich dann keine normalen Legehühner, bei denen man nicht auf die Schönheit und irgendeinen Standard achten muss? „Wenn ich schon Hühner habe, dann kann ich auch gleich was Sinnvolles machen und alte Arten bewahren.“
So denken jedoch immer weniger. Der Nachwuchs fehlt. Wiesner sieht darin ein generelles Problem von Vereinen: „Auch bei den Imkern und beim Gesangverein fehlt der Nachwuchs.“ In der Stadt ist es seiner Meinung nach außerdem aufgrund verständnisloser Nachbarn heutzutage schwierig, Hühner und vor allem Hähne zu halten. Wiesner hingegen freut sich über das Krähen.
Im Hause Wiesner könnte seine 16-jährige Tochter Monika vielleicht einmal in die Fußstapfen des Vaters treten. Bei seinem Kollegen Theo Ehehalt züchtet noch dessen 21-jähriger Sohn Johannes Tauben.