Ein großes Naturschutzgebiet von fast 350 Hektar mit mitteleuropäischer Bedeutung wird nun entstehen. Seit 1941 gibt es das Naturschutzgebiet "Grainberg-Kalbenstein" mit knapp 90 Hektar und seit 1999 das kleine Naturschutzgebiet "Flugsande bei Karlstadt". Neu hinzu kommen nun 246 Hek-tar. Davon liegen allerdings "nur" 76 in der Schutzzone I mit strengeren Regelungen.
Die übrigen 170 Hektar gehören zur Schutzzone II. Sie umfassen angrenzende Äcker, Weinberge und ertragreiche Wälder. Hier wird weiterhin die Nutzung wie bisher stattfinden, es darf also beispielsweise im Weinberg auch mit Pflanzenschutzmitteln gespritzt werden.
In seiner letzten Sitzung stimmte der Karlstadter Stadtrat den Plänen der Naturschutzbehörde einstimmig zu. Doch knüpfte das Gremium die Zustimmung an die Forderung, dort die Belange der Winzer zu berücksichtigen. Außerdem seien einige Grundstücke wegen der möglichen Verlegung der Eußenheimer Straße zwischen Segelflugplatz und Verkehrskreisel am Hammersteig auszuklammern .
Ein unersetzliches Artenschutzreservoir, eine "Arche Noah" für seltene Pflanzen und Tiere sei das künftige Naturschutzgebiet, schwärmte Manfred Mack, der Vertreter der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung von Unterfranken bei seinen Erläuterungen zum Umfang und vor allem zu den Auswirkungen des geplanten Schutzgebiets.
Doch würden die bekannten Trockenrasen und wertvollen Gebiete durch Steinbrüche, Bebauung sowie sowohl durch die Anforderungen des Weinbaus wie auch durch dessen völlige Beendung ständig zurückgedrängt. Die einzigartige Flora und Fauna werde auch zunehmend durch Freizeitnutzung wie Radfahren, Klettern, Reiten oder Gleitschirm-, Drachen- und Modellfliegen beeinträchtigt.
Wegen seines enormen Artenreichtums und der Anhäufung von sehr seltenen und hochgradig gefährdeten Tierarten habe das Gebiet mitteleuropäische Bedeutung.
530 Gefäßpflanzen seien dort zu finden, berichtete Mack, davon stehen 20 Prozent auf der Roten Liste der besonders gefährdeten Arten. Darunter ist das Kallmuth-Habichtskraut, das weltweit nur hier und am Homburger Kallmuth vorkommt. Von den 178 Flechten- und Moosarten stehen 72 auf der Roten Liste. 25 Vogelarten der Roten Liste wurden festgestellt, darunter als Brutvögel Neuntöter, Schwarzspecht, Schwarzmilan, Wespenbussard, Uhu und Wanderfalke. Von 125 Schmetterlingen und Faltern sind 69 auf der Roten Liste. Dies ließe sich bei Wildbienen, Heuschrecken und Spinnen fortführen. Manche Arten haben hier ihre absolute Nordgrenze. Wärme liebende mediterrane Arten kommen hier gemeinsam vor mit kontinentalen Steppenarten.
Vor allem die Gambacher Winzer zeigten zunächst grundsätzliche Vorbehalte, weil sie um die Nutzung ihrer Flächen fürchteten. Aufgrund der schwierigen Steillagen der Terrassenweinberge sei das Interesse am Weinbau in letzter Zeit sowieso stark gesunken, hatten die Betroffenen in vorherigen Anhörungen beklagt. Bei zusätzlichen Beschränkungen durch ein künftiges Naturschutzgebiet sei die Gefahr eines weiteren Rückzugs sehr groß.
Gerade hier aber glaubte Merk Vorteile für die Winzer zu sehen. Grundsätzlich, so betonte er, gelte für die Betroffenen der Bestandsschutz. Bestehende Weinberge würden in Bezug auf Düngung und Pflanzenschutz freigestellt. Auch momentan ruhende Weinberge würden genauso wie in anderen Lagen behandelt. Als Teil eines Naturschutzgebiets aber könnten die Grundstückseigner auch mit öffentlicher Hilfe aus dem Steillagenprogramm rechnen, insbesondere beim Erhalt der teilweise einsturzgefährdeten Weinbergsmauern, die in ihrer Doppelfunktion als Stütze und Lebensraum von Bedeutung seien.
Der Weinbau als Voraussetzung für die Kulturlandschaft am Kalbenstein müsse in jedem Fall erhalten bleiben. Dabei müsse den Winzern geholfen werden, betonte der Beamte. Allerdings seien jetzt auch die Gambacher Winzer gefordert, für eine geeignete Institution zu sorgen und zum Beispiel einen Weinbauverein zu gründen, damit in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Behörden zukunftsfähige Konzepte entwickelt werden könnten. Dies gelte auch für neue Wege im Weinberg und für die mögliche Errichtung von Maschinenhallen im Übergangsbereich zum Wald.