„Man muss als Betrieb dafür sorgen, dass die Mitarbeiter zufrieden sind.“
Verena Müller-Drilling Geschäftsführerin der Müller GmbH
Demografischer Wandel, Autobahnferne, Strukturschwäche, Fachkräftemangel – Gerade im Zusammenhang mit etwas abgelegeneren Spessartgemeinden tauchen solche Schlagworte immer wieder auf. Dass und wie sich ein Unternehmen trotz oder vielleicht gerade wegen solcher Rahmenbedingungen prächtig entwickeln kann, zeigt seit nunmehr 30 Jahren die auf Feinblechtechnik spezialisierte Müller GmbH aus Frammersbach.
Von Werner Müller 1986 als klassischer Ein-Mann-Betrieb gegründet, hat sich das Familienunternehmen zum Mittelständler mit rund 100 Mitarbeitern entwickelt. Über das Umfeld seines Betriebes sagt der 62-Jährige: „Wir liegen zwar weitab von der Autobahn, aber mitten in Deutschland und Europa. Wenn man alles aufaddiert, ist es gar nicht so schlecht.“
Noch positiver formuliert das Vertrauen in die Region Verena Müller-Drilling, die Tochter des Firmengründers, die ebenfalls in der Geschäftsführung aktiv ist. Sie sagt: „Frammersbach ist ein guter Standort.“
Für die 36-Jährige war der Weg in das Familienunternehmen und zurück in den Spessart keinesfalls vorgezeichnet. Klar, als Jugendliche hatte sie sich das erste Geld als Ferienjobberin im väterlichen Betrieb verdienst.
Doch nach dem Abitur studierte sie in Bochum Germanistik und Kunstgeschichte, wollte Journalistin werden – bis sie eines Tages ihren Vater zu einem Messeauftritt nach Düsseldorf begleitete. Dort sprach sie mit Kunden und Lieferanten, wobei sie feststellte, dass das Geschäft „ganz anders ist, als ich es mir gedacht habe“. Sie habe erkannt, so Müller-Drilling, dass neben technischem Wissen nicht zuletzt gute Kommunikationsfähigkeiten und strategisches Denken gefragt seien.
„Eigentlich doch ganz cool“, schildert MüllerDrilling ihr damals gewandeltes Bewusstsein über die Tätigkeit in der Geschäftswelt. Die Folge: Sie studierte Betriebswirtschaftslehre. 2007 stieg sie in den Betrieb des Vaters ein.
Dieser hatte bis dahin bereits eine beachtliche Entwicklung genommen. Gestartet war Müller 1986 auf einer Fläche von rund 100 Quadratmetern in der ehemaligen Nähmaschinenwerkstatt auf dem mittlerweile gründlich umgekrempelten Wiedekind-Areal in der Ortsmitte.
Die Liebe hatte den gebürtigen Jossgründer nach Frammersbach geführt. Den Sprung in die Selbstständigkeit unternahm er, weil er als technischer Abteilungsleiter in einem Frankfurter Unternehmen nicht die Entscheidungsbefugnisse für seiner Ansicht nach unumgängliche Weichenstellungen hatte.
Schon nach einem halben Jahr stellte Müller in Frammersbach den ersten Lehrling ein. Bis dahin habe er erkannt, dass aus seinem Betrieb „was zu machen ist“. Mittlerweile hat Müller knapp 60 junge Menschen ausgebildet. Die meisten sind im Betrieb geblieben. Denn das Wachstum war stetig.
1988 siedelte Müller in das Gewerbegebiet um, wo er eine eigene Halle baute. 1999 folgte der Umzug in das deutlich größere heutige Stammwerk, vor allem aber folgte der große technologische Sprung: Werner Müller kaufte die erste Laser-Maschine, mit der Metall in Form geschnitten werden kann. Es war der Sprung vom Handwerks- zum Industriebetrieb.
Hörten die Bearbeitungsmöglichkeiten bis dahin bei 1,5 bis zwei Millimetern Materialstärke auf, waren es fortan 25 Millimeter quer durch fast alle Materialien. Die neuen Möglichkeiten erweiterten den Kundenkreis, der heute vom kleinen Dorfschlosser bis zur Weltfirma reicht. Ein Schwerpunkt, mit dem sich die Feinblechspezialisten einen Namen gemacht haben, sind Großküchen und Laborausstattungen aus Edelstahl. Ein Klassiker ist mittlerweile das „Geschirrrückgabekarussell“ made in Frammersbach. In rund 150 Großkantinen dreht es sich.
2010 eröffnete die Firma ein zweites Werk in Frammersbach, tätigte über die Jahre aber auch immer wieder große Investitionen in neue Lasermaschinen, die pro Stück rund 700 000 Euro kosten. Beim Umsatz kratzt das 100-Mann–Unternehmen heuer an der 10-Millionen-Marke. „Wir hatten nie ein miserables Jahr“, sagt Werner Müller und spricht davon, dass das Unternehmen durch seine Vielseitigkeit stets gut durch konjunkturelle Tiefs gekommen sei.
Auch für die Zukunft sehen er und seine Tochter ihr Unternehmen gut aufgestellt. Ziel sei allerdings schon aus Platzgründen kein weiteres Wachstum mehr, sondern die Steigerung der Effektivität und auch das Energiesparen. „Das darf man nicht verschlafen“, so Müller-Drilling.
Als wesentlichen Erfolgsgaranten sieht sie auch weiterhin gut ausgebildete Mitarbeiter, die die familiäre Atmosphäre zu schätzen wissen. „Wir sind alle per Du“, so die Juniorchefin. Ihr Credo: „Man muss als Betrieb dafür sorgen, dass die Mitarbeiter zufrieden sind.
“ Deswegen stellt das Unternehmen seiner Belegschaft jeden Montag einen Obstkorb hin, bietet Yoga-Kurse an, lässt die Arbeitsplätze von einem Physiotherapeuten nach ergonomischen Gesichtspunkten unter die Lupe nehmen.
„Nur glückliche Mitarbeiter können gute Arbeit machen“, ist Müller-Drilling überzeugt.
Sie geht davon aus, dass es an einem ländlichen Standort wie Frammersbach leichter ist, eine familiäre Unternehmenskultur zu etablieren und Mitarbeiter durch gewachsene Beziehungen an den Betrieb zu binden.
Müller-Drilling selbst hat die Rückkehr in die Heimat und den Einstieg in den Betrieb nicht bereut. Sie weiß das intakte Vereinsleben und die „herrliche Natur“ zu schätzen. Auch diese trügen dazu bei, dass der Spessart „nicht nur aus Firmensicht ein Vorteil ist, sondern auch privat“.