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REGION OCHSENFURT: Der tägliche Spagat im Kuhstall

REGION OCHSENFURT

Der tägliche Spagat im Kuhstall

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    Aufzucht: Andreas Hirt aus Lindflur hat sich auf die Aufzucht halbwüchsiger Bullenkälber spezialisiert.
    Aufzucht: Andreas Hirt aus Lindflur hat sich auf die Aufzucht halbwüchsiger Bullenkälber spezialisiert.

    Die Landwirtschaft steht im Spannungsfeld zwischen dem Verbraucherwunsch nach naturnah erzeugten Lebensmitteln und dem Preiskampf an der Ladentheke, zwischen der artgerechten Haltung von Nutztieren und dem steigenden Verzehr von Fleisch. Vor allem die Rinderhalter stecken in diesem Spannungsfeld.

    Viele Betriebe in Unterfranken haben deshalb in den zurückliegenden Jahren die Rinderhaltung aufgegeben. Trotzdem bleibt sie unverzichtbarer Teil der Landwirtschaft, vor allem mit Blick auf eine gesunde Bodennutzung. Einige Bauern stellen sich deshalb gegen den Trend. Drei Betriebe, die teils auf ungewöhnliche Art für sich gute Lösungen gefunden haben, besuchte Landrat Eberhard Nuß gemeinsam mit Vertretern von Landwirtschaftsamt und Bauernverband.

    Investitionen

    Am Beginn der Produktionskette steht der Betrieb von Gaby und Johannes Schmitt im Röttinger Stadtteil Aufstetten. Die Schmitts haben sich der Milchviehhaltung und Milcherzeugung verschrieben. 65 Milchkühe und deren Kälber stehen im Stall am Ortsrand von Aufstetten. Das reicht, sagt Johannes Müller. Investiert hat er deshalb in den vergangenen Jahren schon vorwiegend in das Wohlergehen seiner Tiere und in die Entlastung der eigenen Arbeit. „Die Arbeit darf nie auf Kosten der Gesundheit gehen“, sagt der Milchbauer nach einigen schweren Erkrankungen.

    Große Euter

    Die Arbeitsspitzen während des Jahres, etwa bei der Ernte seiner 22 Hektar Mais, teilt er sich mit zwei benachbarten Kollegen. Ein Aushilfsdienst fürs Melken erlaubt der Familie regelmäßige, gemeinsame Urlaube – in früheren Zeiten undenkbar.

    Im Stall hat Johannes Schmitt der schwarz-bunten Hochleistungskuh wieder abgeschworen. „Dürre Gestelle mit großem Euter“ seien diese auf Milchleistung gezüchteten Rassen – so gar nicht der Ästhetik einer gesunden Kuh entsprechend. Stattdessen setzt Schmitt wieder auf Fleckvieh und züchtet gezielt die robusten, stämmigen Muttertiere nach.

    Frei im Stall bewegen

    Der Erfolg gibt ihm Recht. Seit der Aussiedlung im Jahr 1994 hat er die Milchleistung seiner Tiere von durchschnittlich 6000 Kilogramm auf 8650 Kilogramm steigern können. Die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere sind dabei entscheidende Faktoren.

    Deshalb dürfen sich die Kühe in ihren Stallabteilen frei bewegen. Die Laufflächen sind mit weichen Gummimatten ausgestattet und die grobe Massagebürste, die sich selbstständig in Gang setzt, wenn sich eine Kuh den Rücken kraulen lassen will, steht selten still. Die Kälber wachsen mit der Muttermilch auf, nicht mit industriell hergestelltem Milchaustauscher. „Ich will mein eigenes Zeug verfüttern“, sagt Schmitt

    Über einen Chip sind die Tiere dabei mit dem Tränkautomaten und später mit dem Kraftfutter-Spender verbunden. Auf Appetitlosigkeit und mögliche Krankheiten wird der Landwirt so aufmerksam, bevor sich ernste Symptome zeigen.

    Fresser

    Computerüberwacht sind auch die 200 Kälber im Stall von Andreas Hirt in Lindflur. Der Landwirt hat sich auf die Fresser-Aufzucht spezialisiert, einen noch recht jungen Produktionsschritt in der Rindermast. Fresser heißen die heranwachsenden Kälber, nachdem sie von der Milch abgesetzt wurden.

    Mit einem Gewicht von rund 90 Kilogramm kommen die Kälber zu ihm, nachdem sie von der Milch abgesetzt wurden. Nach 100 Tagen werden sie im Schnitt mit 200 Kilogramm an die Mastbetriebe verkauft.

    Einsatz für Tiergesundheit

    Tiergesundheit und effizientes Arbeiten stehen auch bei der Fresser-Aufzucht im Vordergrund. Nach dem Absetzen von der Milch müssen die Kälber erst allmählich an Rauhfutter gewöhnt werden. Das stört den Arbeitsablauf in einem Mastbetrieb. Außerdem ist das Risiko groß, dass Krankheiten in den Maststall eingeschleppt werden, die die engen Gewinnmargen bei der Tierhaltung schnell zunichte machen.

    Johannes Hirt hat sich auf diese Anpassung spezialisiert und darauf, seinen Abnehmern gesunde Tiere mit hohen Tageszunahmen anzubieten. In der Endmast erreichen sie später 700 bis 750 Kilogramm Gewicht, bevor sie geschlachtet werden.

    Unkonventionell

    Unkonventionell und ganz anders als bei Johannes Hirt ist die Betriebsphilosophie von Albrecht Haag in Strüth. Der Bullenmäster aus dem Röttinger Ortsteil bezieht seine Kälber vorwiegend aus den neuen Bundesländern. Dort sind sie in großen Mutterkuhbetrieben auf der Weide aufgewachsen und haben eine nahezu ungestörte Jugend hinter sich. Gesund und robust seien die Tiere, sagt Albrecht Haag, ein wenig schwer zu bändigen, dafür aber an das Leben im Herdenverband gewöhnt.

    Sorgt für Vielfalt

    Im Stall setzt Haag auf Stroheinstreu statt auf Spaltenböden und Schwemmentmistung und besonders am Beginn der Mast auf Kleegras und Luzerne. Ohne Rinder würde der Anbau dieser typischen Futterpflanzen völlig von den Feldern verschwinden, sagt der Landwirt. Unter einem weiteren Rückgang der Tierhaltung würde folglich die Agrarlandschaft an Vielfalt verlieren.

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