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KARLSTADT: Deutscher Schulhof war für Türken verboten

KARLSTADT

Deutscher Schulhof war für Türken verboten

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    Zunächst waren die türkischen Kinder in der Laudenbacher Schule untergebracht. In den letzten drei Jahren wurden sie zwar in Karlstadt unterrichtet, aber nach wie vor separat in dem Pavillon oberhalb des Wendehammers neben der Förderschule in der Landskronenstraße. „Hier war es uns streng verboten, auf den Pausenhof der deutschen Grundschule zu gehen“, erinnert sich Serdar Şiktaş, Jahrgang 1976, einer von ihnen. Wer sich nicht daran hielt, wurde bestraft.

    Sein Vater Osman Siktas war 29 Jahre lang Lehrer, zunächst für alle Fächer an der rein türkischen Schule, später gab er Türkisch- und Islamunterricht an der Grund- und Hauptschule. Osman Þiktaþ war 1972 nach Deutschland gekommen. Er hatte in der Türkei Geografie studiert und wollte in Erlangen den Doktor machen. Die dafür nötigen fünf Jahre an der Uni schienen ihm zu lang. Er wollte zurück in die Türkei. Da kam das Angebot, türkische Schüler in Deutschland zu unterrichten. So begann er im Schuljahr 1974/75 mit 17 Stunden in Karlstadt und zusätzlich sieben in Arnstein und holte seine Frau Necla nach Deutschland.

    „45 Schüler gleichzeitig, das war sehr schlimm “

    Der frühere Lehrer Osman Siktas

    Im nächsten Schuljahr 1975/76 wurden in Laudenbach rein türkische Klassen gebildet. Die Kinder trafen sich morgens an der Bushaltestelle am Turmkaufhaus und wurden dann mit dem Bus nach Laudenbach gebracht. Siktas hatte den dritten, vierten und fünften Schuljahrgang zugleich – insgesamt 45 Kinder. „Sehr schlimm“ sei diese riesige Zahl von äußerst lebhaften Schülern gewesen, erinnert er sich.

    Alle Fächer vom Sachunterricht über Sport bis zu Musik unterrichtete er auf Türkisch. Hinzu kamen fünf Stunden Deutschunterricht, die eine deutsche Lehrerin erteilte. Dafür wurde die Klasse jeweils halbiert, erzählt Siktas. Immer nur eine Hälfte hatte bei der Lehrerin Deutsch.

    Die erste und zweite Klasse unterrichtete zunächst Ali Çavus. In den Folgejahren kamen Murat Tazkoparan und dessen Frau Dilbent Tazkoparan als Lehrkräfte – eine Erleichterung für Þiktaþ, denn er hatte nur noch die vierte und fünfte Klasse.

    Stolz berichtet er von einem Besuch 25 türkischer Landräte in Deutschland, die auch die Laudenbacher Schule besichtigten. Zu ihrer Überraschung hatte er mit den Kindern einige türkische Lieder eingeübt.

    Nach der fünften Klasse wechselten die türkischen Schüler an die Karlstadter Hauptschule – die meisten mit äußerst mäßigen Deutschkenntnissen. Osman Siktas' Sohn Serdar konnte einen anderen – vorteilhaften – Weg beschreiten. Als einziger wechselte er schon mitten in der vierten Klasse an die deutsche Grundschule. So lernte er deutsche Schulfreunde und die deutsche Sprache kennen. In Deutsch habe er anfangs nur schlechte Noten bekommen, „jedes Diktat war eine 6“. Von der Grammatik bis zur Rechtschreibung fehlten die Grundlagen. Doch in der deutschen Klasse habe er stark aufgeholt.

    An der Wirtschaftsschule Müller in Würzburg machte er die Mittlere Reife, wurde Steuerfachangestellter und ist heute Versicherungsfachmann bei der Allianz. Als Bevollmächtigter für akademische Berufe hat er heute die Möglichkeit, bestimmte Tarife beispielsweise für Ärzte, Beamte, Lehrer, Unternehmer und Geschäftsführer festzulegen. Er schließt beispielsweise Verträge zur Krankenversicherung, Altersvorsorge, Sachversicherungen und Bausparen ab.

    Seit März ist Serdar Siktas verheiratet mit seiner Frau Zehra aus Igdir, die er schon seit der Jugend kennt und die nun nach Deutschland gekommen ist. Sie hat in der Türkei Pädagogik studiert.

    „Die anderen türkischen Schüler hatten beim Übertritt an die deutsche Hauptschule kaum deutsche Freunde“, schildert Serdar Siktas. Es sei für sie eine riesige Umstellung gewesen. Sie konnten sich lange nicht richtig integrieren und „akklimatisierten“ sich erst in der 8. und 9. Klasse, wie er es ausdrückt.

    Die Laudenbacher Volksschule wurde 1983 aufgelöst. Die Trennung in Karlstadt in eine türkische und deutsche Grundschule dauerte bis 1986. Als die Zusammenlegung erfolgte, gab Vater Osman Siktas in verschiedenen Schulen in Würzburg, Marktheidenfeld, Neustadt an der Saale und in Gemünden Türkisch- und Islamunterricht, später nur noch in Karlstadt – bis 2004. Beide Fächer konnten freiwillig gewählt werden.

    Online-Tipp

    Die ganze bisherige Serie unter www.mainspessart.mainpost.de

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