Die ganze Welt ist im Fluss. Auch die Landschaft: Eine verlegte Straße hier, ein neues Baugebiet da, ein zugewucherter Waldweg dort, ständige Veränderung allüberall. Für die Macher von Landkarten ist der stete Wandel ein Problem. Gilt es doch, all die Veränderungen möglichst zeitnah und datailliert in das aktuellste Kartenmaterial einfließen zu lassen.
Im Landkreis Main-Spessart ist Gebietstopograph Robert Bühler der „Spion“ der bayerischen Vermessungsverwaltung. Der 50-Jährige Vermessungsingenieur ist nahezu das ganze Jahr mit GPS-Empfänger und Computer in Feld und Flur unterwegs, um Veränderungen zu registrieren und zu erfassen. Per geländegängigem Dienstwagen beziehungsweise zu Fuß oder auf dem Rad streift er durch sein insgesamt rund 5000 Quadratkilometer großes Zuständigkeitsgebiet. Dieses reicht von Rothenburg ob der Tauber bis an den westlichen Rand Unterfrankens.
Jetzt war Bühler in Neuendorf unterwegs. Grund: Die Main-Post hatte vor einigen Wochen berichtet, dass in einer als brandneu titulierten Freizeitkarte mehrere Waldwege fehlen oder zumindest falsch dargestellt sind. Das Ergebnis der Visite: Bühler hat noch vor Ort das digitale Kartenmaterial aktualisiert und zwei in der Natur seit langem existierende Forststraßen auch als solche in der Karte dargestellt.
Fokus auf Straßen und Siedlungen
Eigentlich liegt Bühlers Schwerpunkt auf Siedlungen und Straßen, denn dieser Bereich interessiert die meisten Nutzer des von der Vermessungsverwaltung erstellten Kartenmaterials. Es dient nicht nur als Grundlage für gedruckte Landkarten aller Art. Auch die Hersteller von Navigationssystemen und anderen digitalen Karten kaufen ihre Daten bei der Vermessungsverwaltung ein. Wald- und Wanderwege, das macht Bühler klar deutlich, haben für die Vermesser nur nachrangige Bedeutung. Gerade im Wald sei die Kartographie ein schwieriges Geschäft: „Da müsste man sämtliche Wege abfahren oder abgehen“, erklärt Bühler. Dieser Aufwand sei kaum zu rechtfertigen, da die Zahl der Nutzer mit Forstpersonal und Wanderern doch eher beschränkt sei.
Ziel: Präzision in der Fläche
Dennoch, so Bühler, sei es das Ziel der Topographen, für die gesamte Fläche möglichst aktuelle und präzise Daten zu erstellen. „Wir wollen Neuendorf mit der gleichen Qualität abbilden wie München“, macht der Vermessungsingenieur deutlich. Um dabei möglichst aktuell zu sein, werden die digitalen Karten der Landesvermessungsämter vierteljährlich aktualisiert.
Draußen vor Ort arbeiten die an verschiedene Vermessungsämter angedockten bayerischen Topographen mit unterschiedlichen Techniken und Hilfsmitteln. Basis sind die bestehenden Daten und Karten. Daneben sind die alle drei Jahre erstellten flächendeckenden Luftbilder Anhaltspunkt beim Entdecken von Veränderungen. Auch die von den örtlichen Vermessungsämtern und Behörden gemeldeten Veränderungen fließen in Bühlers Arbeit ein. Seit wenigen Monaten kann sich der Topograph an einem ganz besonderen technischen Hilfsmittel erfreuen: Einer digitalen Reliefkarte (siehe kleines Bild).
Befliegung mit Lasermessung
Sie ist das Ergebnis einer Befliegung Bayerns, bei der per Laserstrahl die Oberflächenstruktur abgetastet wurde. Die Technik macht es möglich, dass Bebauung und Bewuchs quasi „weggerechnet“ werden. Übrig bleibt das reine Oberflächenrelief. Es lässt nicht nur Berge und Täler, sondern beispielsweise auch Straßen und sonstige künstlich geschaffenen Flächen erkennen.
Doch selbst bei allen Hilfsmitteln ist Kartographie immer auch Auslegungssache. Das macht Bühler bei seinem Besuch im Neuendorfer Wald deutlich. Bei der Frage, welcher Waldweg in welcher Stärke in die Karte einzuzeichnen ist, erhalte man schon mal „von zehn Topographen zehn Meinungen“.
Oft sei in einem Waldgebiet ein guter Weg in der Karte nur als dünner strich dargestellt, auch wenn er in einem anderen Waldgebiet als breite Forststraße deklariert würde. Ausschlaggebend sei eben oft auch die Qualität des gesamten Forstwegenetzes. Ein Weg, der von seiner Qualität her in einem Waldgebiet der beste sei, könne in einem anderen der schlechteste sein, verdeutlicht Bühler, weswegen auch in der Kartographie alles relativ ist. „Eine 100-prozentige Genauigkeit erhält man ohnehin nie“, so sein Fazit.
Gebietstopographen
In Bayern gibt es 15 Gebietstopographen. Jeder von ihnen hat ein Zuständigkeitsgebiet von rund 5000 Quadratkilometern. Sie sind einzelnen Vermessungsämtern zugeordnet. Bühlers Dienstsitz ist das Vermessungsamt Aschaffenburg, Außenstelle Klingenberg. Die bayerischen Gebietstopographen arbeiten direkt dem Landesvermessungsamt in München zu. Ihre Arbeit fließt ein in das bundesweite Amtliche Topographisch-Kartographische Informationssystem (ATKIS). Aus ihm lassen sich Karten in jeder gewünschten Form, digital oder analog ableiten. Einen Auszug der Vielfalt der Kartographie zeigen folgende Internetseiten: