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RETZBACH: Die Kanzel als Bütt

RETZBACH

Die Kanzel als Bütt

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    Humor druckfrisch: Pfarrer Gerold Postler aus Retzbach hat seine Faschingspredigten von 2001 bis 2010 in einem Band herausgebracht.
    Humor druckfrisch: Pfarrer Gerold Postler aus Retzbach hat seine Faschingspredigten von 2001 bis 2010 in einem Band herausgebracht. Foto: Foto: Lucia Lenzen

    Ohne Narrenkappe, aber mit Wortwitz verkündet Pfarrer Gerold Postler aus Retzbach jedes Jahr zu Fasching seine Botschaft in Versform. Im Interview erklärt er, was Kanzel und Bütt gemeinsam haben und warum selbst die Bibel an manchen Stellen lustig ist.

    Frage: Wann kam die Idee, Faschingspredigten zu halten?

    Pfarrer Postler: Vor 35 Jahren. Und wenn man einmal angefangen hat, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann ist der Erwartungsdruck jedes Jahr groß.

    Wie hat die Gemeinde damals reagiert?

    Postler: Die hat applaudiert. Befremdet hat das keinen. Außerdem ist es eine alte Erfahrung: In gereimter Form nehmen die Leute manches leichter an. Wenn man ihnen das normal sagen würde, wären sie einem manchmal sogar bös'.

    Können Sie mal ein Beispiel nennen?

    Postler: (zitiert aus einer Predigt aus 2005):

    Zu Euch komm ich, den oft vermissten, den sogenannten U-Boot-Christen, Weihnachten und Fasching taucht ihr auf,

    sonst ist anders euer Lauf. Ich grüß Euch herzlich und ich bet',

    dass ihr nicht gänzlich untergeht.

    Denn wer zu lange hat getaucht,

    ist oftmals nicht mehr aufgetaucht.

    Wo holen Sie sich ihre Ideen her?

    Postler: Die kommen einfach so. Manchmal fallen mir nachts zwei Verse ein, die muss ich dann sofort aufschreiben, sonst sind sie wieder weg. Am nächsten Tag wird dann zusammengeklebt und zusammengetragen. Vor Jahren hab' ich mir die Ideen auch schon mal von meinem Nachbarn geholt, der war Büttenredner. Der hat oft ein Thema gefunden, an das ich mich dann angelehnt habe. Der Vorteil: Die Prunksitzung war immer einige Wochen vorher. Da hatte ich genug Zeit, auf die Dinge aus meiner Sicht einzugehen. Generell aber werden die Predigten immer auf den letzten Drücker fertig.

    Was für einen Humor schlägt man in so einer Predigt an?

    Postler: Es ist ganz wichtig, dass man sich selbst auf die Schippe nehmen kann, nicht nur die anderen.

    Ist irgendwas nicht erlaubt? Schwarzer Humor zum Beispiel?

    Postler: Der Humor darf niemals beleidigend sein. Er darf Menschen zum Nachdenken bringen – über Verse geht das leichter. Außerdem sollte das Ganze natürlich auch einen religiösen Bezug haben.

    Ist die Botschaft auch schon falsch rübergekommen, dass die Leute dachten, der will uns wohl zum Narren halten?

    Postler: Das glaub' ich nicht. Man muss sich natürlich jedes Wort gut überlegen, was verkehrt verstanden werden könnte.

    Kann man alle Ihre Faschingspredigten in dem Buch nachlesen?

    Postler: Das ist jetzt der zweite Band mit den Predigten von 2001 bis 2010. Nachdem der erste Band sehr gefragt war, haben wir uns kurz entschlossen, einen weiteren zu drucken.

    Es gibt also eine Predigt pro Fasching?

    Postler: Genau. Die wird an dem Wochenende vor Rosenmontag dreimal gehalten, einmal Samstagabend und zweimal am Sonntag. Da kommen dann auch alle Tanzgarden und das Prinzenpaar zum Gottesdienst. Das finde ich schön.

    Haben Kanzel und Bütt etwas gemeinsam?

    Postler: Sie sind gut, um die Leute anzusprechen, zu motivieren und zum Nachdenken zu bringen.

    In der Bütt wird ja eher unterhalten, sehen Sie sich auch mittlerweile als eine Art Unterhalter?

    Postler: Ich spreche Dinge an: aus dem Leben, dem Jahr und verbinde sie mit einem religiösen Aspekt. Und das Ganze tue ich in einer unterhaltenden Form.

    Versuchen Sie, das das ganze Jahr über zu berücksichtigen?

    Postler: Ja, zum Beispiel habe ich zum 125. Jubiläum der Alten Mainbrücke in Zellingen eine Predigt gehalten, in der ich speziell auf die Liebesbeziehung zwischen Retzbach und Zellingen eingegangen bin. Der Einstieg ging folgendermaßen:

    Es waren zwei Königskinder,

    die hatten einander so lieb.

    Sie konnten zusammen nicht kommen,

    das Wasser war viel zu tief.

    Die beiden kamen um,

    durch menschliche Tücke.

    Ein Grund dafür war:

    es fehlt eine Brücke.

    Sie haben auch ein Interview mit der Kirchenmaus gemacht?

    Postler: Ja, (zitiert) Maus: Du, Pfarrer, wenn ich so unter dem Altar rausspitz, mein' ich immer, es wär' gar niemand in der Kirch'. Heute sitzen ganz viele in den ersten Bänken. Pfarrer: Ja weißt du, eigentlich wäre es schön, wenn sie immer vorne sitzen würden. Da kommt der Gottesdienst als Gemeinschaftsfeier viel besser zum Ausdruck. Aber viele haben mit Blähungen zu tun, und weil sie Angst haben, dass ein Schuss nach hinten los gehen könnte, bleiben sie lieber ganz hinten sitzen. Maus: Dann ist das also eine aufgeblähte Gemeinschaft? Pfarrer: Ja, vielleicht. Maus: Du, Pfarrer, hast du auch manchmal Blähungen? Pfarrer: Natürlich, aber ich bin im Vorteil. Hinter mir ist niemand mehr, dem es auffallen könnte.

    Enthält die Bibel eigentlich auch humoristische Stellen?

    Postler: Natürlich. Es gibt zum Beispiel die schöne trostreiche Stelle, an der Paulus in seinem Brief an Timotheus schreibt: Trinke nicht mehr Wasser, sondern auch ein wenig Wein um deines Magens willen und weil du oft krank bist.

    Lässt sich Kirche und Humor gut verbinden?

    Postler: Natürlich. Die Kirche ist die Institution, die den Menschen die wesentliche frohe Botschaft sagen darf: Dass es mit dem Tod nicht aus ist, sondern dass es mit dem Leben weiter geht. Darauf darf man sich jetzt schon freuen, und da wird auch manches, was man im Leben erleiden muss, erträglicher.

    Das Buch „Faschingspredigten und andere Gereimtheiten“ von Gerold Postler ist erhältlich im Pfarrbüro Retzbach, bei allen Banken sowie in der Würzburger Buchhandlung am Dom. Es kostet vier Euro.

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