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SENDELBACH: Die Kartoffelkäfer der Amerikaner

SENDELBACH

Die Kartoffelkäfer der Amerikaner

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    DDR-Plakat aus dem Jahr 1950: Kartoffelkäfer werden als „Saboteure in amerikanischen Diensten“ dargestellt.
    DDR-Plakat aus dem Jahr 1950: Kartoffelkäfer werden als „Saboteure in amerikanischen Diensten“ dargestellt. Foto: Repro: Schulmuseum

    (red) „Der Amikäfer“ heißt die neue Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum, die dem Kartoffelkäfer gewidmet ist. Sie beginnt am 31. Oktober und dauert bis 6. März 2011.

    Der Kartoffelkäfer war laut Museumsleiter Eduard Stenger immer auch ein „Medium der politischen Propaganda“. Als im 1. Weltkrieg (1914 – 1918) ein vermehrtes Auftreten des Kartoffelkäfers festgestellt wurde, habe man an eine gezielte Vermehrung des Käfers durch die Franzosen geglaubt, um die Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung zu gefährden. Deshalb habe man damals auch vom „Franzosenkäfer gesprochen.

    Während des 2. Weltkriegs sei in Deutschland das Gerücht umgegangen, dass amerikanische und englische Flugzeuge Kartoffelkäfer über Deutschland abwürfen. Belege für diese Unternehmen gibt es laut Stenger aber bis heute nicht. Vielmehr scheine der Vorwurf einer geplanten biologischen Kampfführung eher gegen die Deutschen berechtigt gewesen zu sein.

    Laut Stenger züchtete die Wehrmacht seit 1943 Kartoffelkäfer und warf versuchsweise 14 000 über der Pfalz ab. Zum tatsächlichen Einsatz gegen England sei diese biologische Kampfwaffe aus verschiedenen Gründen aber nicht gekommen.

    „Seinen politischen Höhepunkt aber erreichte der Kartoffelkäfer nach dem 2. Weltkrieg in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland beziehungsweise der DDR,“ so Stenger.

    Nachdem die politische Führung nicht in der Lage gewesen sei, die sprunghafte Vermehrung des Käfers zu verhindern, habe sie diese für die DDR-Wirtschaft bedrohliche Entwicklung zu propagandistischen Zwecken im Kalten Krieg genutzt.

    Die Mächtigen der DDR hätten damals in behauptet, dass eigens gezüchtete Kartoffelkäfer von amerikanischen Flugzeugen zwecks Schwächung der sozialistischen Landwirtschaft und Destabilisierung der Lebensmittelversorgung über der DDR abgeworfen würden.

    Neben Zeitungsberichten seien auch Plakate mit der Aufschrift „Ami-Käfer sollen unsere Ernte vernichten. Sie bedrohen damit auch deine Lebensgrundlage!“ für die Propaganda eingesetzt worden. Auch der russische Kreml habe sich des Kartoffelkäfers bedient und Bertold Brecht habe gedichtet:

    „Die Amiflieger fliegen,

    silbrig am Himmelszelt,

    Kartoffelkäfer liegen

    in deutschem Feld.“

    1954 wurde laut Stenger in der Tschechoslowakei ein Beamter des nationalen Landwirtschaftskomitees zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er mit Unterstützung anderer Verschwörer (gemeint waren die „amerikanischen Imperialisten“) den Kartoffelkäfer vorsätzlich und heimtückisch auf den Kartoffeläckern ausgesetzt haben soll.

    „Eine völlig andere Bedeutung erhielt das Wort 'Kartoffelkäfer' in dem 2008 gedrehten ZDF-Fernsehfilm 'Die Kartoffelkäfer kommen'“, so Stenger. Der Film erzähle die Geschichte einer Mutter, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren beiden Kindern aus Schlesien in ein kleines hessisches Dorf flieht. Dort seien die als „Kartoffelkäfer“ bezeichneten Flüchtlinge zunächst nicht willkommen gewesen.

    Zusammenfassend stellt der Schulmuseumsleiter fest, „dass es keinen Käfer gibt, der eine so vielseitige gesellschaftlich-politisch-ideologische Vergangenheit aufzuweisen hat wie der Kartoffelkäfer“.

    Das Schulmuseum hat geöffnet von Mittwoch bis Sonntag, jeweils 14 bis 16 Uhr. Außerdem Gruppen nach Vereinbarung, Tel. (0 93 59) 3 17 oder (0 93 52) 49 60.

    Der Kartoffelkäfer

    Aus Colorado (USA) stammt der Kartoffelkäfer und wird deshalb auch gelegentlich als „Colorado beetle“ oder Koloradokäfer bezeichnet. Als er erstmals 1877 bei Mühlheim am Rhein und in Schilda in Sachsen entdeckt wurde, versuchte man mit allen Mitteln diese Plage einzudämmen. Der Lohrer Anzeiger widmete dem Käfer und die Gefahren, die von ihm ausgehen, am 23. August 1877 einen Leitartikel.

    Als Vernichtungsmittel wird darin das arsenik-essigsaure Kupferoxyd „Pariser Grün“ empfohlen. Allerdings gelang es erst in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts, die Kartoffelkäfer wirksam durch entsprechende Spritzmittel zu bekämpfen. Heute zeigt sich jedoch, dass der Käfer Resistenzen entwickelt. Quelle: Eduard Stenger

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