Im vollbesetzten Festsaal herrscht andächtige Stille, als der Pantomime die Bühne betritt. Das grelle Spotlicht grenzt die Figur in weißen Kleidern und weiß geschminktem Gesicht scharf vom Bühnenvorhang ab. Jede Geste, jede Miene, die Jomi mit absoluter Präzision ausführt, fordert die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Zuschauer. Jomi versteht es meisterhaft, ihre Vorstellungskraft zu wecken und sie an imaginäre Schauplätze zu führen.
In sieben Stationen stellt der Pantomime die Passion Jesu dar, die mit seiner Verurteilung und dem Gebet in Gethsemane beginnt und nicht mit dem Tod am Kreuz, sondern mit der Auferstehung endet. Mit der fünften Station wechselt das Bühnenbild in ein Schattenspiel. Jomi agiert nun hinter der Bühne und ist als Schattenriss zu sehen.
Zwischen den Stationen rezitiert Birgit Grimm Gedichte, Geschichten und Zitate aus der Literatur unter anderem von Goethe, Heine und Hölderlin. Grimm erläutert auch den Ablauf der Szenen und erleichtert es den Besuchern, dem Kreuzweg zu folgen. Yvonne Schlüter (Klavier) Stephan Juchem (Querflöte), John Walkowiak (Geige) sowie Uschi Bauer (Sopran) verstärken mit Musik und Gesang den meditativen Charakter der Aufführung.
Josef Michael Kreutzer - die jeweils ersten beiden Buchstaben der Vornamen stehen für seinen Künstlernamen - gastierte zum zweiten Mal in Hohenroth. Zustande kam dies wie bereits vor zwei Jahren auf Initiative eines Mannes, dessen Tochter in der Dorfgemeinschaft lebt. Er schenkte den Hohenrothern diese Veranstaltungen. Zusätzlich zum Abendprogramm gab Jomi eine Demostunde für die Mitarbeiter und veranstaltete einen Workshop für die Betreuten der Einrichtung.
Workshops und Seminare hat der Künstler, der in Reisbach bei Saarbrücken lebt, verheiratet ist und eine erwachsene Tochter hat, in seinem Leben schon unzählige gegeben. Bis vor einem Jahr unter anderem auch als Dozent für Pantomime und Körpersprache an der Hochschule des Saarlandes in Saarbrücken.
Jomi, der seit frühester Kindheit gehörlos ist, fand schon als Kleinkind großen Gefallen daran, sich pantomimisch auszudrücken, ohne zu wissen, dass das Pantomime ist. Als Realschüler wurde ihm klar: Das ist es, was möchte ich machen! Auslöser war eine Vorstellung, die Marcel Marceau in Hamburg gab, und zu der er von seiner Ballettlehrerin eingeladen worden war, erzählt Mariele Hübl, die Jomi nach Hohenroth und zu vielen anderen Auftritten begleitet hat.
Von diesem Tag an wünschte sich der Jugendliche nichts sehnlicher, als bei Marcel Marceau zu studieren. Doch auf Drängen des Vaters musste Kreutzer erst eine Ausbildung zum Zahntechniker absolvieren. Nach mehreren Anläufen klappte es schließlich und er kam unter die 18 Bewerber, die Marceau unter 100 ausgesucht hatte. Josef Michael Kreutzer war der erste Deutsche, der bei dem weltberühmten Meister der Pantomime in Paris studieren konnte. 1981 schloss er als einer der Besten mit Diplom ab und arbeitet seitdem sehr erfolgreich als Solopantomime. Jomi, zu dessen Repertoire außer religiösen Themen auch Parodie, Lyrik, Sozialkritik gehören, genießt weltweite Anerkennung. Seine Theatertourneen führten ihn durch alle europäischen Länder, nach Afrika und Südamerika. Aber auch hierzulande ist man stolz auf ihn. 1999 zeichnete der damalige Bundespräsident Johannes Rau ihn für seine Verdienste um die Pantomime und die interkulturellen Beziehungen mit dem Bundesverdienstkreuz aus.
Nach Hohenroth sei Jomi gerne wieder gekommen, verrät Mariele Hübl. Wegen der besonderen Atmosphäre, die dort herrscht.