Man mag sich fragen, weshalb die Schülerin des Friedrich-List-Gymnasiums Gemünden gerade Südafrika für ihren Austausch wählte. Ein Grund war, andere Menschen und eine andere Kultur außerhalb Europas kennenzulernen. Zudem verstärkte ihre Austauschschülerin, die 17-Jährige Henriette aus Pretoria in Südafrika, die im Winter für fünf Wochen bei ihr zu Gast war, ihr Interesse durch Erzählungen und Bildbände.
Um sich auf Südafrika einzustimmen, verbrachte Linda die ersten drei Tage in einem Safari-Camp im Krüger Nationalpark, das sie als Austauschschülerin zusätzlich buchen konnte. Schon dort erlebte sie etwas Besonderes: „Ich wollte mich gerade schlafen legen und habe unter meinem Kopfkissen plötzlich so ein Rascheln gehört“. Als sie das Kissen hochgehoben hatte, schlängelte sich „etwas Grünes“ auf dem Boden. Es war eine Schlange. „Ich bin sofort aufgesprungen und habe natürlich geschrien“. Leider war kein Ranger in der Nähe, der sich darum hätte kümmern können. „Also ist einer der männlichen Austauschschüler gekommen und hat die Schlange in einem WC-Bürstenbehälter vor die Tür gebracht. Eigentlich war es trotzdem eher ungewöhnlich, dass eine Schlange in das Haus eingedrungen ist“, erzählt Linda. Untergebracht war sie nach der Safari in einer fünfköpfigen streng muslimischen farbigen Familie in dem ehemaligen Township „Mitchell's Plain“. Townships und „Homelands“ waren zu Zeiten der Apartheid in Südafrika die Gebiete, in denen Farbige und Schwarze untergebracht wurden und in denen viele von ihnen heute noch leben.
Lockeres Verhältnis
In diesem Township ging Linda auch zur Schule. „Insgesamt wurde der Unterricht nicht so ernst genommen“, beschreibt Linda ihre dortige Schulzeit. „Das Schüler-Lehrer-Verhältnis war viel lockerer“. Das ist aber nicht überall so. Je nachdem, wo die Schule liegt, ist der Unterricht strenger und die Gebühren dafür sind höher – umgerechnet bis zu 600 Euro im Jahr –, besonders in den Gebieten, in denen die weiße Oberschicht wohnt. Nach der siebten Klasse gehen Schüler auf die High School, ab der neunten Klasse werden Fächer gewählt. Pflichtfächer sind Englisch, Afrikaans, Mathematik, und „Life Orientation“, in dem Schüler unter anderem durch Praktika auf das Berufsleben vorbereitet werden oder ihnen das Erstellen eines Lebenslaufs beigebracht wird.
Im täglichen Umgang bemerkte Linda, wie offen ihre Mitmenschen ihr gegenüber waren. Trotzdem blieb es bei Bekanntschaften und es entstanden keine Freundschaften. Sie verbrachte mehr Zeit mit ihrer Gastfamilie, die sie sehr herzlich aufgenommen hatte. Sie hatte zwei Gastschwestern: eine 16-Jährige, mit der sie zur Schule ging, und eine Neunjährige. Ihr Gastbruder war 21 und hat schon gearbeitet. „Wir sind oft zusammen zum Einkaufen oder zum Bowling gegangen“, beschreibt Linda ihre Freizeitgestaltung.
Eines der schönsten Erlebnisse, das Linda hatte, war eine Fahrt zum Kap der guten Hoffnung. „Hier hat mir der Ausblick auf das Meer vom Leuchtturm aus gefallen und ich konnte verschiedene Tiere wie zum Beispiel Strauße in freier Wildbahn anschauen“, erzählt sie.
Ihr fiel vor allem auf, wie schlecht die Jugendlichen im Verhältnis zu Deutschland aufgeklärt werden. Viele nahmen an, dass sie schwanger werden können, wenn sie auf dem Schoß ihres Freundes sitzen. Kondome werden kostenlos in öffentlichen Einrichtungen verteilt, dennoch sind sie bei Jugendlichen eher unbeliebt.
Linda erlebte vor allem die unzureichende Methodik, mit der ihre Altersgenossen im Fach „Life Orientation“ aufgeklärt werden. „Eigentlich wird Dir nur vermittelt, dass Du keinen Freund haben sollst weil er Dich vom Lernen abhält, Du dann schwanger wirst und Dich am Ende auch noch mit HIV ansteckst.“ Wodurch es aber zu einer Ansteckung mit HI-Viren oder einer ungewollten Schwangerschaft komme und wie man dies verhindern könne, werde nicht erklärt. Nicht zuletzt deswegen gibt es sehr viele ungewollte Schwangerschaften bei den Jugendlichen.
Hohe Kriminalitätsrate
Südafrika hat eine hohe Kriminalitätsrate, davon bekam Linda aber wenig mit. „Ich habe davon immer nur in den Zeitungen gelesen“, sagt sie. Alleine durfte sie, trotz der verhältnismäßig sicheren Gegend, in der sie untergebracht war, aber nie aus dem Haus gehen. „Sogar wenn ich nur kurz zum Brotholen um die Ecke gehen wollte, hat sich meine Familie Sorgen um mich gemacht.“
Mit der Verpflegung war Linda zufrieden. Es gab meist Fleisch, Reis und Kartoffeln zu essen, was ihr gut geschmeckt hat. Auch wurde in ihrer Unterkunft überwiegend ohne Besteck gegessen, „weil es gesünder ist“. Insgesamt hat ihr dieser Austausch sehr gut gefallen und sie würde ihn auch anderen Schülern empfehlen, um den Horizont zu erweitern.