Beziehungsstatus: Ich liebe mein Bier. Lieblingssport: Saufen. Was mich an der Schule nervt: Alles. Diese und viele weitere Informationen können zum Beispiel zukünftige Arbeitgeber im Internet über ihre potenziellen Bewerber lesen. Doch über die Folgen ihrer Internetpräsenz scheinen sich einige Jugendliche überhaupt nicht bewusst zu sein.
Slawomir Siewor hält bayernweit Aufklärungsvorträge zu den Themen Cyber-Mobbing und sexuelle Belästigung im Internet. Eine 9. Klasse der Karlstadter Realschule wusste zwar, dass sie einen Vortrag über dieses Thema hören wird, aber nicht, dass einige der Schüler als Beispiele herangezogen werden.
Im Vorfeld war die Zustimmung der Eltern eingeholt worden. Anschließend hatte Siewor sechs Schüler ausgewählt und Informationen sowie Bilder über sie im Internet herausgesucht. Er hatte auch einen Arbeitgeber die sechs Profile der Schüler anschauen lassen. Bei diesem kamen abwertende Kommentare über die Schule oder Beleidigungen in Bildkommentaren nicht gut an.
Der Arbeitgeber konnte jeden geposteten Kommentar, alles über Hobbys, Haustiere bis hin zu Fotos von den Eltern und Bekannten herausfinden. Siewor baute die Daten, die er über die ausgewählten Schüler gesammelt hatte, in seine Präsentation ein. Auf einmal konnten die Jugendlichen Schnappschüsse von sich und ihren Freunden auf der Beamerleinwand vor der ganzen Klasse und dem Lehrer sehen.
Die Konfrontation der Schüler mit ihren Internetdaten verlief unterschiedlich: Manche lachten bloß über Kommentare, die sie mal geschrieben hatten. Der eine war peinlich berührt, als er manche Bilder von sich sah. Ein anderer konnte sich nicht daran erinnern, dass er etwas ins Internet geschrieben hatte, das rassistische Züge hatte.
Warum viele Jugendliche überhaupt Bilder und Texte von sich online stellen, hat einen psychologischen Hintergrund. Sie können sich im Internet so darstellen, wie sie gerne sein möchten. Außerdem wirkt jedes „Like“ wie ein positiver Verstärker. Auch Bildkommentare wie „Du bist so hübsch“ stärken ihr Selbstbewusstsein.
Die Schüler müssen lernen, wie sie verantwortungsbewusst mit ihren Daten umgehen, denn das System werde sich nicht ändern, im Gegenteil: „Man kann davon ausgehen, dass man in 10 bis 20 Jahren keine Privatsphäre mehr hat.“ Mit diesem Zitat eines Google-Mitarbeiters will Siewor zum Nachdenken anregen. Allerdings weist der Referendar auch darauf hin, dass man sich nicht zwangsläufig aus Facebook löschen muss. Man sollte stattdessen etwas Gutes aus seinem Facebook-Profil machen.
Eine große Gefahr, die in sozialen Netzwerken lauert, ist das oftmals unterschätzte Cyber-Mobbing. Der Referent erinnerte die Schüler an den Fall von Amanda Todd. Die 14-Jährige hatte sich umgebracht, nachdem sie mit zwölf Jahren ein Oben-ohne-Bild von sich versendet und der vermeintliche Internetfreund es mehrmals an ihre Freunde geschickt hatte. Obwohl das Mädchen mit der Familie mehrmals umgezogen war, hörten die Beleidigungen und anstößigen Kommentare nicht auf. Egal, wo sie hinzog, überall hatte sich das Bild übers Internet verbreitet.
„Man kann davon ausgehen, dass man in 10 bis 20 Jahren keine Privatsphäre mehr hat.“
Slawomir Siewor zitiert einen Google-Mitarbeiter
Es sei normal, dass man mit zwölf Jahren noch naiver ist und das Mädchen sich nicht bewusst war, was das für Folgen haben könnte, erklärte Siewor. Deshalb solle man niemandem vertrauen, den man nur über das Internet kenne.
Bei den Tipps zur Prävention hörten die Schüler aufmerksam zu. Nach dem Vortrag wirkten einige nachdenklich und wollten ihre Profile im Internet überdenken. Eine verunsicherte Schülerin fragte anschließend bei Siewor nach, ob das wirklich auf ihrer Profilseite stehe.
Für Eltern hält der Fachmann am Montag, 14. Juli, um 19 Uhr in der Sporthalle der Realschule einen Vortrag. Der Referendar hat auch ein Buch über dieses Thema verfasst und wird an der Karlstadter Realschule und einer weiteren Schule eine Studie dazu durchführen. Die Aktion „Stop the mob“ soll für Aufklärung sorgen.
Facebook und Co.
Facebook-Nutzer geben alle Rechte über ihre Bilder, Kontaktdaten, Kalenderdaten und E-Mails ab. Auch Anrufprotokolle können mitgelesen werden, ihre Gespräche dürfen abgehört und mitgeschnitten werden und es können sogar Fotos und Videos aufgenommen werden, ohne dass sie davon etwas merken. Wer Whatsapp auf dem Handy installiert hat, kann per GPS geortet werden. Sobald die Daten in den falschen Händen landen, können sie im schlimmsten Fall missbraucht werden. Beispielsweise können Bilder, die junge Mädchen in Facebook hochladen, auf Dating- oder Pornografieseiten landen.
Dass man im Internet nichts wirklich löschen kann, verdeutlichte Slawomir Siewor anhand eines YouTube-Videos, in dem ein circa 16-jähriger Junge versucht, bei einem Social-Network-Trend mitzumachen. Der Junge wurde von einem Freund aufgefordert, ein Bier auf ex zu trinken, ansonsten hätte er ihm einen Kasten Bier zahlen müssen. Zu Beginn des Videos sieht man den Jungen das Bier austrinken. Als er es geschafft hat, läuft die Kamera weiter und der Junge erbricht sich. Im Nachhinein ist das Video auf YouTube gelandet und hat schon mehrere Tausend Klicks. TEXT: AA