In nur acht Wochen zogen die Gemündener und Lohrer Glaubensschwestern und -brüder ihr Heim in Eigenleistung hoch, berichten Peter Zügner und Ludwig Hartmann, der seit über zehn Jahren einer der sechs Ältesten der Gemündener Gemeinde ist. Die beiden Gemeinden trugen auch die Finanzierung mit rund 600 000 D-Mark; heute sei der Königreichssaal fast schuldenfrei, freuen sich die beiden Mitglieder. Ein regionales Baukomitee der Zeugen Jehovas half mit Fachleuten. Die Gemeindemitglieder verbrachten die Wochenenden und teils ihren Urlaub auf der Baustelle. Bis zu 150 Leute werkelten wochenends mit.
Das Haus liegt an einer Stichstraße am Eingang ins Industriegebiet Hofweg. Es umfasst den Versammlungssaal, eine Bibliothek, behindertengerechte Toiletten (Regenwasserzisterne) und bietet im Dachgeschoss eine Wohnung für durchreisende Aufseher (Prediger).
Es ist das erste eigene Heim der beiden Gemeinden. Sie treffen sich – wie überall auf der Welt – jeweils dreimal in der Woche. Gemeinsam feiern sie die Jahresfeier zum Gedenken an den Tod Jesus. Die wöchentlichen Treffen heißen Versammlungsbuchstudium, Theokratische Predigtdienstschule, Dienstzusammenkunft, Zusammenkunft für die Öffentlichkeit mit einem Vortrag und Wachtturmstudium, wobei der „Wachtturm“ die zentrale Monatszeitschrift der Religionsgemeinschaft ist. Zu den Zusammenkünften ist jedermann willkommen, schließlich folgen die Zeugen Jehovas dem biblischen Missionsbefehl mit Eifer.
Bis zu dem Bau konnten die Gemeinden nur Provisorien nutzen. Die Lohrer Versammlung (derzeit rund 65 Mitglieder aus dem Raum Lohr bis Hafenlohr) traf sich in einem gemieteten Anwesen in der Rechtenbacher Straße. Die Gemündener Versammlung (rund 56 Mitglieder aus dem Raum Gemünden bis Hammelburg und Himmelstadt) hatte ihren Königreichssaal 15 Jahre im Haus der Familie Zügner in der Mainblickstraße.
Als der erste Zeuge Jehovas im Bereich Gemünden gilt Valentin Marx in Wernfeld, der 1924 Kontakt zu Frankfurter Glaubensbrüdern hatte. Er gründete 1945 nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft, während derer die Zeugen scharf verfolgt wurden, in seiner Wohnung die erste Versammlung. 1950 stieß die Adelsberger Familie Prechtl dazu. Die stetig wachsende Gemeinde traf sich in Privathäusern und Gasthäusern. Als 1969 Gruppen aus Hammelburg und Karlstadt hinzukamen, fanden die Zeugen einen Königreichssaal in Hammelburg. 1972 mieteten sie einen zusätzlichen Saal in Karlstadt an.
Stichwort
Zeugen Jehovas Die christliche Glaubensgemeinschaft gründete Charles Taze Russell Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. Sie hat in 236 Ländern rund 6,9 Millionen Anhänger, in Deutschland 165 000, in Unterfranken etwa 2000. Die Zeugen Jehovas unterscheiden sich von den großen Kirchen insbesondere durch die Ablehnung der Dreieinigkeitslehre. Sie sind politisch passiv, lehnen den Militärdienst strikt ab und sind bekannt für ihre Missionstätigkeit mit Hausbesuchen und an öffentlichen Plätzen.