Karl Steigerwald, geboren 1917, war von 1956 bis 1984 Bürgermeister der Marktgemeinde Frammersbach. Als er 1998 stirbt, hinterlässt er jede Menge Diapositive: Landschaftsfotos aus Frammersbach, Ortsansichten, der Jahreslauf im Ort von Fronleichnam über die großen Feste bis hin zu Fasching auf Film gebannt. Dokumente dörflichen Lebens, der Schlachttag mit dem Hausmetzger, die Mühsal in der Landwirtschaft, Baustellen, mit denen sich die Gemeinde zum Mittelzentrum entwickelt hat, sind zu sehen.
Josefine Steigerwald, die Witwe des Altbürgermeisters, und seine Schwiegertochter Monika haben dieses Erbe dem Frammersbacher Karl-Heinz Liebler vermacht. Der frühere Sport- und Werklehrer ist selbst Hobbyfotograf und Mitglied im Bosch-Rexroth-Fotoclub. "Du hast sicher eine bessere Verwendung als ich", war laut Liebler die Begründung, mit der Josefine Steigerwald ihm die Schachteln überreicht hatte. Mittlerweile ist auch sie gestorben.
Fronleichnam und Fasching
Nach dem Besonderen der Sammlung gefragt, sagt Liebler: "Da ist erstmal die schiere Masse." Unsortiert und undatiert hat er die circa 700 Dias Themen zugeordnet. "Ein Viertel betrifft Fronleichnam, Festumzüge und Fasching, ein Viertel Gebäude, Straßen und Baustellen im Ort. Alles andere, wie Naturbilder und Ortsansichten, macht die andere Hälfte aus."
Liebler ist erstaunt, dass kaum Fotos aus der Zeit vor und nach Steigerwalds Amtszeit vorhanden sind. "Er hat das wohl vor allem im Zusammenhang mit seinem Amt gemacht." Familienfotos: weitgehend Fehlanzeige. Das habe ihm auch Steigerwalds Sohn Jürgen bestätigt. Viele der Aufnahmen entstanden auf den Spaziergängen, die Steigerwald regelmäßig mit seiner Frau unternahm. Hier fand er immer wieder neue Motive. Gekonnt lichtete er die umliegende Landschaft mit ihren Feldern, Wiesen und Wäldern ab, beschreibt Liebler die Fotos.
Die Zeitzeugnisse dokumentieren zum Beispiel die Umgestaltung des Marktplatzes. Viele Jahre wurde der Platz vor dem Rathaus vor allem als Parkplatz genutzt, bis man ihn hinter der Schule, in dem sich heute das Rathaus befindet, anlegen konnte. Die Verkehrsführung um den Marktplatz wurde mehrfach entscheidend verändert. Für Oldtimer-Freunde sind die Fotografien mit den geparkten Autos eine Fundgrube
Neben den Fotos aus und über Frammersbach gibt es laut Liebler noch eine andere Sparte: Reisefotos von Fahrten, die Steigerwald für die Frammersbacher organisiert habe.
Im kirchlichen Jahreslauf war die Fronleichnamsprozession ein wichtiger Termin. Für die Prozession wurden vier Altäre aufgebaut. Das Aufbauen, Schmücken und Auslegen der Altäre war Ehrensache für die Anwohner. Die Motive waren kleine Kunstwerke, erinnert sich Liebler anhand der Aufnahmen. Fasching und Faschingszug waren ein Höhepunkt im weltlichen Leben des Ortes. Früher überwogen im Faschingszug die mit viel Fantasie und Kreativität selbst gemachten Kostüme.
Faktor Fremdenverkehr
Gebaut wurde während Steigerwalds Amtszeit die heutige Grund- und Mittelschule im Jahr 1964, was er fotografisch dokumentierte. Der Bau des Schwimmbades, das 1973 zunächst provisorisch eröffnet wurde, war eines der größten Bauvorhaben der Gemeinde. Die einzelnen Bauabschnitte, die Fertigstellung und die Einweihung waren Motive, die Karl Steigerwald mit der Kamera festgehalten hat.
Zu Steigerwalds Zeit als Bürgermeister war der Fremdenverkehr für den Ort noch wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wie aus Unterlagen des Marktes hervorgeht, lag der Spitzenwert in den 1970er Jahren bei 84.032 Übernachtungen im Jahr 1979. Zum Vergleich 2005 waren es nur noch 24.739. Die langjährige Vorsitzende des Verkehrsvereins, Gudrun Desch, erinnert sich gerne an die Begrüßungsabende für die Gäste. Oft im Gasthaus "Adler" oder bei "Schecke" im Café Amrhein präsentierte Steigerwald mit ausgewählten Bildern voller Stolz seine Heimatgemeinde. Desch erzählt: "Der Bürgermeister stellte den Ort mit seinen Menschen und die Landschaft um uns herum vor. Das gefiel den Leuten. Und reden konnte er!"
Viele Veränderungen
Beliebt waren die Reiseangebote Steigerwalds. Viele Bürger nahmen an Ausflügen an den Bodensee, die französische Riviera oder zu anderen Zielen teil. Die Erlebnisse hielt er mit der Kamera fest und zeigte sie den Mitreisenden in einem Diavortrag.
"So ist die Dia-Sammlung von Karl Steigerwakld eine kleine Dokumentation der Dorfentwicklung und des Dorfgeschehens aus seiner Zeit als Bürgermeister", gibt Liebler seinen Eindruck nach Sichten der Dias wieder. "Beim Betrachten der Bilder fallen einem die vielen Veränderungen der Plätze und Gebäude auf. Auch das Leben der Menschen im Dorf ist anders geworden. Die neue Zeit bringt viele Veränderungen in der Arbeits- und Freizeitwelt."
Die Dias machen deutlich, wie viel von den früheren Gewohnheiten nach und nach verloren gehen und die Erinnerungen verblassen. "Die alten Dias, manchmal mit einem kleinen Farbstich oder mit ein paar Kratzern, passen oft zu den Szenen aus der Vergangenheit. Sie verströmen etwas von der Stimmung der damaligen Zeit und haben ihren eigenen Reiz", schreibt Liebler über die Bilder vergangener Tage. Er plant für den Herbst einen Vortragsabend mit den alten Dias von Karl Steigerwald.




UmkehrfilmAls Diafilm, Diapositivfilm oder Umkehrfilm bezeichnet man einen fotografischen Film, der nach seiner Entwicklung Grauwerte oder Farben in natürlicher Ansicht zeigt. Nach dem Entwickeln wird der Film in einzelne Bilder geschnitten und mit Papp- oder Plastikrähmchen gerahmt. Dieses Dia ist die Projektionsvorlage und wird mit dem Projektor an eine Leinwand geworfen. Viele Fotografen und Gäste erinnern sich an interessante, manchmal auch zu lange Dia-Abende, an denen Bilder von Reisen, Festen im Dorf oder persönlichen Erlebnissen gezeigt wurden. Beim Dia-Abend geht es gemächlich zu. Den Takt gibt der Projektor vor, der ein Bild nach dem anderen einzieht und auf die Leinwand projiziert. Meistens folgte eine kurze Erläuterung des Vortragenden. In der Weiterentwicklung der Dia-Projektion kamen Überblendungen der Bilder und Elemente wie Vertonung zum Einsatz. Wenn Diapositive dunkel, kühl und trocken gelagert werden, sind sie sehr langlebig. Seit Jahren digitalisieren viele Fotofreunde ältere Dias, bearbeiten sie und zeigen sie mit dem neueren Medium, dem Beamer. Mit dem Jahrtausendwechsel verbreitete sich Digitalfotografie stark und die analoge Fotografie, bei der eine Filmpatrone eingelegt werden musste – ob Positiv- oder Negativfilm – nahm ab.(memb)

Zur PersonAltbürgermeister Karl Steigerwald (1917 bis 1998, Foto: Archiv Spessart) war Bürgermeister des Marktes Frammersbach von 1956 bis 1984. Zu Beginn seiner Amtszeit war das Bürgermeisteramt noch Nebenamt und Karl Steigerwald Senffabrikant in der Senfmühle, aus der seine Frau Josefine stammte. Gemeinderat war er von 1948 bis 1956, bis 1952 auch stellvertretender Bürgermeister und von 1952 bis 1972 Kreisrat im Kreistag des Landkreises Lohr. Von 1978 bis 1984 gehörte der Freie Wähler als Kreisrat dem Kreistag des Landkreises Main-Spessart an. 1994 wurde er zum Ehrenbürger Frammersbachs ernannt. In seine Amtszeit fielen der Ausbau der Kanalisation und einiger Ortsstraßen, der Bau der Heubergschule und des Freibades. Engagiert hat sich Steigerwald unter anderem im TuS und für die Faschingsgemeinschaft. Sein politischer Werdegang ist stark verknüpft mit der Gründung der Freien Wähler nach dem Zweiten Weltkrieg.(memb)