„Finanzmärkte haben nicht die Demokratie zu lenken“, kritisierte Percy Scheidler, Erster Bevollmächtigter der Industriegewerkschaft Metall (IGM) Aschaffenburg, in seiner Festrede am Freitagabend in der Bildungsstätte Lohr. Es war der Ehrungsabend für 87 von insgesamt 477 Jubilaren der Region Aschaffenburg, Lohr und Miltenberg.
„Von einer im Moment etwas schwierigen Phase“ sprach Klaus Friedrich, Bosch Rexroth-Betriebsratsvorsitzender, in seinem Grußwort. Die Branche habe einen kurzen Aufschwung hinter sich und hoffe nicht, dass sich eine Krise wiederhole. „Wir sind gezwungen, Mitarbeiter vom Standort der Lohrer Rexroth-Betriebe über die Zeitkontoregelung nach Hause zu schicken.“ Um dem entgegenzuwirken, nutze man alle Instrumente und leihe Beschäftigte von Betrieben mit wenig Arbeit an Standorte mit hohem Auftragseingang aus.
Einsatz hat sich gelohnt
Percy Scheidler forderte eine „andere Politik, um den grundlegenden Kurswechsel in Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen“. Demokratie heiße Volksherrschaft und Finanzmärkte hätten der Demokratie, sprich dem Volk, zu dienen. „Für einen Kurswechsel hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, Demokratie und Mitbestimmung brauchen wir eine starke IGM.“ Es habe Zeiten gegeben, in denen es „in“ war, Gewerkschaftsmitglied zu sein. Aber auch enttäuschende Zeiten, in denen die IGM unter heftigem Beschuss von Arbeitgeber, Medien und Politik stand. Heute sage man selbstbewusst: „Es hat sich gelohnt“. „Weil ihr Solidarität lebt und erlebt, Toleranz ausübt und Unrecht verurteilt, seid Ihr IG Metaller geworden und geblieben.“ Scheidlers Ziel: Arbeit darf nicht zu Ramschwert verkauft und die Beschäftigten in den Betrieben verschlissen werden. Die IGM kämpfe für eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt und faire Renten. Noch sei man weit entfernt von „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“, rügte der Bevollmächtigte in Bezug auf Leiharbeit und Lohndiskriminierung.
„Gegenwehr ist bei jeder Gelegenheit dringend notwendig.“ Dank der Mitglieder kein Problem, denn „die IGM ist gegenüber der konservativen Regierung gesprächs-, verhandlungs- und konfliktfähig“. Man setze auf Stärke in der Tarifrunde im Mai 2013 und auf eine veränderte Mehrheit nach den Landtags- und Bundestagswahlen. Jedoch sei ein Regierungswechsel noch kein Kurswechsel.
Zeitreise ab 1952
Die Zukunftsperspektive wäre der grundlegende politische und gesellschaftliche Klimawandel hin zu mehr Gerechtigkeit mit sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit in jeder gesellschaftlichen Schicht, in Betrieben, Kultur, Wissenschaft und Bildung. „Setzen wir uns gemeinsam für eine Gerechtigkeit ein, die sich nicht an Geld, Macht und Einflussnahme anlehnt.“
Parallel zu den Eintrittsjahren 1952, 1962, 1972 und 1987 unternahm Scheidler eine Zeitreise zu markanten Ereignissen aus Geschichte, Politik und Unterhaltung: Am 1. Mai 1952 forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund die Einführung der 40-Stunden-Woche. In das Jahr 1962 startete die Metallverarbeitung mit der 42,5-Stunden-Woche. 1972 wurde eine ansehnliche Lohnerhöhung erreicht. Das neue Betriebsverfassungsgesetz mit deutlichem Fortschritt trat in Kraft. 1987 legten 100.000 Metaller wegen der Stilllegung der Kruppschen Stahlwerke Duisburg das Ruhrgebiet lahm.
Durchschnittsalter: 42 Jahre
Zurück in der Gegenwart freute sich Scheidler über die Verjüngung der IGM und nannte ein Durchschnittsalter von 42 Jahren. 2012 seien bereits über 230 junge Menschen unter 25 Jahren in die IGM Bayerischer Untermain (12.950 Mitglieder) eingetreten. Mit seinem Stellvertreter Mathias Heßler zeichnete er 87 Männer und Frauen für jahrzehntelange Solidarität aus. Der Dank für den „Kampf um bessere Lebensbedingungen und Respekt für den Arbeitenden“ galt sechs Jubilaren für 60 Jahre, fünf für 50 Jahre, 21 für 40 Jahre und 55 für 25 Jahre. Nur 16 Jubilare konnten teilnehmen, aber für die Anwesenden war es ein gelungener Abend, der mit einem Festessen ausklang.
Die Ehrennadel für 60-jährige Mitgliedschaft erhielten: Lieselotte Hänsch (Lohr), Arno Hepp (Neuendorf), Karl-Heinz Hirsch (Gemünden), Eusebius Lang, Richard Spahn und Hubertus Steinhauser (alle Lohr).
Vor 50 Jahren eingetreten sind: Kurt Böhm (Neustadt), Dieter Brandl, Alois Eitel (beide Lohr), Roman Marschall (Steinfeld) und Martin Wolf (Lohr).
Für 40 Jahre Mitgliedschaft wurden geehrt: Mustafa Altin (Lohr), Albin Amrhein (Frammersbach), Reinhold Beitel (Gemünden), Georg Brönner (Neustadt), Karl Ebel (Lohr), Diethard Friedel (Wiesthal), Reinhold Habl (Schweinfurt), Harald Hepp (Neuendorf), Mathilde Heyda (Rechtenbach), Aleksander Jovanovic (Lohr), Hans-Hermann Kreser, Paul Kurkowski (beide Frammersbach), Heinz Mehrlich (Partenstein), Siegmund Montag (Frammersbach), Hugo Müller (Gemünden), Klaus Musche (Lohr), Enrico Raso (Frammersbach), Peter Rothenbücher, Horst Sadowski (beide Lohr), Angelika Steffan (Neustadt), Erika Steigerwald (Partenstein).
25 Jahre gehören der IG Metall an: Gülay Akin (Lohr), Uwe Amrhein (Neustadt), Horst Becker, Matthias Brähler, Michael Christ (alle Lohr), Karin Daus (Rechtenbach), Joachim Drechsel (Neuendorf), Thomas Englert (Fellen), Dieter Ernst, Franz Frankenberger (beide Lohr), Anette Friedel (Frammersbach), Bernhard Gerlach (Gemünden), Hermann Gopp (Karlstadt), Peter Gramlich (Gemünden), Wolfgang Grundler (Marktheidenfeld), Karl-Otto Haberberger (Gemünden), Andreas Handel, Timon Heer, Uwe Heidenfelder (alle Lohr), Elke Heider (Burgsinn), Hans-Jürgen Hepp (Gemünden), Kerstin Herold (Karsbach), Wolfgang Heßdörfer (Karlstadt), Hildegard Hörnig (Marktheidenfeld), Aco Hristov (Lohr), Sabine Joachim (Partenstein), Heiko Kern (Burgsinn), Thomas Kessler (Gräfendorf), Karsten Knaub (Lohr), Anja Kohlhepp (Steinfeld), Sabine Köpps (Lohr), Burkhard Kuhn, Thomas Kuhn (beide Gemünden), Gabriele Kunkel-Mühlbauer (Frammersbach), Rainer Lang (Lohr), Dieter Lindenberger (Flörsbachtal), Alexandra Matzewitzki (Lohr), Franz-Josef Neuherz (Karlstadt), Veron Nob, Jürgen Pabst, Cerstin Popp (alle Lohr), Hans Rausch (Thüngen), Thomas Rek (Steinfeld), Thomas Ruppert (Gemünden), Alfred Schmitt (Rechtenbach), Michael Schmitt (Steinfeld), Manfred Seidel (Neuendorf), Annette Staab (Wiesthal), Sigrid Stumpf (Külsheim), Mehmet Taktak, Bettina Ullrich, Andreas Wachtel, Armin Wagner, Ralf Weber (alle Lohr), Frank Wenzel (Partenstein).